Im April 1957 berichtete das Wochenmagazin Der Spiegel von einer „Revolution der Roboter“, die nun in die Geisteswissenschaften eindringe. Ein italienischer Pater namens Roberto Busa arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre daran, die Summa Theologica des Heiligen Thomas von Aquin elektronisch zu untersuchen. Busa war ein Pionier bei der Anwendung von Computern in den Geisteswissenschaften, indem er mit Hilfe von Lochkartenstanzern von IBM das Werk linguistisch analysierte. Die Lochkarte als wichtiges Speichermedium ist nun allerdings bereits seit einiger Zeit durch andere Verfahren zur Speicherung von Informationen größtenteils abgelöst worden.

i-530ba85d13fa7844e67c3c82c723e44b-Zettelkasten.jpgVon Martin Stallmann

Mit der Pioniergeschichte des jesuitischen Paters illustrierte Malte Rehbein, der am Lehrstuhl für Computerphilologie und Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Universität Würzburg lehrt, den Einzug der Computertechnologie in den geisteswissenschaftlichen Alltag. In der modernen Arbeitswelt und in der Wissenschaftspraxis ist der Personal Computer allgegenwärtig, egal ob beim Niederschreiben der neuesten Forschungsergebnisse, bei der Recherche in Datenbanken oder in der mitunter Überhand nehmenden E-Mail-Kommunikation. Der Computer ist Teil der wissenschaftlichen Praxis geworden. (* Das Foto zeigt ein Relikt vergangener Zeiten: Den Zettelkasten.)

Virtueller Urkundenschatz

Ein Beispiel hierfür zeigte Georg Vogeler, der wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der LMU ist. Unter Verweis auf Monasterium.net stellte er die Möglichkeiten einer virtuellen Urkundenlandschaft dar, in der kollaboratives Arbeiten durchführbar ist und neue Formen von Untersuchungskategorien eingeführt werden können. Allein im virtuellen Archiv von Monasterium sind über 100.000 Urkunden online verfügbar. Eine schier unglaubliche Datenmenge, die zugleich einen Wissenschaftsschatz darstellt, den es zu bergen gilt.

Der Zettelkasten, das einstige Arbeitsinstrument der Historiker, fristet heute ein tristes Dasein.

Wie die Urkunden über die Datenströme des Internets zu den Forschern gelangen, so hat auch der Zettelkasten der Bibliotheken den Weg zum Historiker gefunden – in Form der verschiedenen Bibliotheksdatenbanken. Somit fristet der ursprüngliche Zettelkasten, der Generationen von Historikern ein alltägliches Instrument war, inzwischen ein tristes Dasein.

Angesichts der modernen Arbeitsweisen fragte Patrick Sahle von der Universität Köln anschließend, ob man sich nun auf dem Weg zu einer digitalen Wissenschaft befände. Die Sektion ‚Virtuelle Grenzen der Geschichtswissenschaft’ zeigte somit den Stand der digitalen Geschichtsforschung auf und fragte zudem nach Perspektiven.

In der Podiumsdiskussion wurden weitere Chancen und Möglichkeiten, aber auch Probleme einer ‚digitalen Welt’ thematisiert. Helmut Flachenecker (Universität Würzburg) stellte das Internetportal „Historisches Unterfranken” vor, welches die Forschung bereichern und historisch Interessierten Informationen bereitstellen soll. Peter Haber (Universität Basel) verwies bei der Diskussion um die ‚Copy-and-Paste-Kultur’ darauf, dass durch eine bessere Betreuung an den Universitäten Plagiaten entgegengewirkt werden könnte, zudem müsse die Informationskompetenz bei einer digitalen Geschichtsschreibung gestärkt werden.

Mit interessanten Anmerkungen bereicherte darüber hinaus Jakob Krameritsch (Akademie der bildenden Künste Wien) die Sektion. Angela Schwarz (Universität Siegen) plädierte dafür, Internetseiten wie Youtube verstärkt in den Blick der historischen Forschung zu nehmen, schließlich seien viele Clips auch Ausdruck einer Popularisierung der Geschichte. Der Nachdreh der Grenzöffnung von 1989 mit Legosteinen soll dafür nur ein Beispiel sein. Auch hier gilt es, Grenzen der bisherigen historischen Quellenarbeit neu zu definieren.

(Redaktion: KP/MS)