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Endlich hat es ein Verlag unternommen, Schriften und Aufsätze von Gottfried Boehm in einem Band zu veröffentlichen, die bislang nur verstreut in Sammelbänden vorlagen oder gar ungedruckt waren. Dabei ist Boehm einer der führenden deutschsprachigen Bild- wissenschaftler, er hat den Begriff des iconic turn geprägt und den Basler Forschungsschwerpunkt für Bildkritik – Eikones – gegründet.
Als Schüler Gadamers kommt Boehm von der Philosophie her. Im Gegensatz zu vielen Philosophen, die am Begriff des Bildes verausgaben, ohne Bilder je zu betrachten, gelingt es ihm, tatsächlich in und mit den Bildern zu denken. Die Macht des Zeigens lauter der Untertitel seines Buches. Boehm vertritt die These,

dass Bilder ihrer eigenen Natur nach auf einem doppelten Zeigen beruhen, nämlich etwas zu zeigen und sich zu zeigen.

Das Zeigen des Bildes tritt ihm an die Stelle des Zeichenverhältnisses der Sprache. Aber er sieht es nicht als Ersatz für die Sprache, sondern als genuin eigenständigen bildhaften Ausdruck, der von jedem Text erst einmal unabhängig zu sehen ist.
Vom Zeigen her entwickelt er seinen Grundbegriff der ikonischen Differenz:

Die ikonische Differenz macht mithin aus dem physischen Faktum einer materiellen Oberfläche das Feld einer artikulierten Aufmerksamkeit.

Sie realisiert sich im Sehen des Bildes, wobei ein Vorgang ausgelöst wird, bei dem

sich ein oder mehrere thematische Brennpuinkte (Fokus), die unsere Aufmerksamkeit bilden, auf ein unthemtaisches Feld beziehen. Wir sehen das eine im anderen.

Boehm hat damit sowohl die traditionellen Ansätze der Kunstgeschichte auf eine allgemein anwendbare Methode hin erweitert, als auch den all zu engen Rahmen der Semiotik hinter sich gelassen. Unter all den verschiedenen Modellen, die in jüngster Zeit in den Bildwissenschaften vorgebracht wurden, darf sein Ansatz als der erfolgversprechendste gelten.

Den Iconic Turn betrachtet Boehm im Übrigen als

eine Verlaufsfigur, deren Prototyp Kant schuf, als er die kritische Rückführung der Metaphysik auf auf die Struktur des menschlichen Bewußtseins mit der Vorgehensweise der kopernikanischen Revolution verglich.

Wobei Boehm wie auch Kant den technischen Aspekten dieser Rückführung eine verlgeichsweise geringe Bedeutung beimisst. Hier ließe sich die Analogie zur kopernikanischen Revolution noch fruchtbar machen.

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Gottfried Boehm: Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin University Press 2008, 29,80€