ScienceBlogs.de-Leser Hubert versucht, sich ein Bild von den Distanzen in unserem Universum zu machen:

Ich habe neulich gelesen, dass der weitest entfernte Stern 9 Milliarden Lichtjahre entfernt sein soll (Der Blaue Überriese MACS J1149 Lensed Star 1). Der Urknall soll vor etwa 14 Milliarden Jahren stattgefunden haben.

Kann mir jemand folgendes erklären: Auch wenn sich Erde und dieser Stern in genau entgegengesetzter Richtung vom Ursprung des Urknalls entfernt haben, ist dieser Stern noch mindestens 4,5 Milliarden Lichtjahre vom Urknall entfernt. Die Expansionsgeschwindigkeit liegt etwa bei 74 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec, also bei 9 Milliarden Lichtjahre = 2759 Megaparsec * 74 km = 204166 km pro Sekunde.

Ich kann das schlecht erklären, bin kein Astronom. Aber vor 9 Milliarden Jahren wurde das Licht von Stern ausgesendet und zum jetzigen Zeitpunkt ist der Stern weitere 9 Milliarden Jahre weiter weg. Und zwar beschleunigend ausgehend von 204166 km/s. Das wären mindestens 6 Milliarden Lichtjahre (sogar mehr, da nach der Formel die Expansionsgeschwindigkeit weiter zunimmt).

Dann wäre der Stern jetzt 9 Milliarden Lichtjahre + 6 Milliarden Lichtjahre = 15 Milliarden Lichtjahre oder mehr von uns entfernt. Wie kann das sein, wenn der Urknall schon vor 14 Milliarden Jahren gewesen sein soll. Ich hab bestimmt 10 Denkfehler, aber mit geht das nicht aus dem Kopf.

Gruß
Hubert

Kommentare (14)

  1. #1 rolak
    31. März 2019

    moin Hubert, zu den Bedeutungen der einzelnen Entfernungsangaben kannst Du Dich bei αCephei einlesen, doch Deinem Text nach müßte zuvor ein wenig Grundwissen angesammelt werden. Denn es gibt weder einen irgendwo im Universum ankreuzbaren ‘Ort des Urknalls’ noch ein ‘auf der anderen Seite’ noch eine über alle Zeiten konstante Hubble-Konstante.

  2. #2 bote19
    31. März 2019

    Anzunehmen, dass es nur einen Urknall gegeben hat, zeigt wie bescheiden die Kosmologen sind. Die Annahme eines Urknalls beruht auf der Denkgewohnheit, dass alles einen Anfang haben muss . Die Hintergrundstrahlung passt gut in dieses Weltbild, ein Beweis ist sie nicht.

  3. #3 Ingo
    31. März 2019

    Ich versuche mal eine Leihen-Antwort.
    Das einfachste zuerst

    > dass der weitest entfernte Stern 9
    > Milliarden Lichtjahre entfernt sein soll

    Der am weitesten entferte Stern der sich direkt beobachten lässt,-
    – aber nicht das entfernteste Licht.
    Es gibt beispielsweise Galaxien die man in 13 Milliarden Lichtjahren Entfernung beobachten kann.
    Die Hintergrundstrahlung ist sogar von noch weiter weg.
    Deine Frage ist letztendlich „Warum koennen wir Licht aus einer Entfernung sehen, dessen Anzahl Entfernungslichtjahre grosser ist als das Alter des Universums.“

    Dann sagst du noch folgendes Satzfragment:

    > vom Ursprung des Urknalls

    Das bedeutet, dass du dir vorstellst, dass es irgendwo eine besondere Stelle im Universum gibt, an dem der Urknall einmal stattgefunden hat.
    Das ist nicht so.
    Der Urknall hat ueberall im Universum zugleich stattgefunden.
    Stell dir einfach vor, dass Universum waere am Anfang nur 1cm Durchmesser. (Du kannst dir auch eine andere kleine Zahl vorstellen).
    In diesen 1cm grossen Universum findet der Urknall statt. Anschliessend wird das Universum aufgeblasen, und die Blase vergroessert sich.
    Wenn die Blase auf mehrere Lichtjahre angewachsen ist, kann man immer noch sagen, dass der Urknall „ueberall“ stattgefunden hat,- weil der kleine Bereich vergroessert wurde.

    Wenn man diese „Raumexpansion“ verinnerlicht hat, kann man noch einen Schritt weiter gehen. Das Modell hat naemlich immer noch einen Fehler. In dem 1cm-Urknall-Modell gaebe es naemlich immer noch einen Mittelpunkt und einen Rand des Universums.

    Dies ist vermutlich aber nicht der Fall. Wenn man sich davon ausgeht dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist, muesste man in eine Richtung weniger Sterne sehen koennte (weniger Distanz zum Rand) als in die andere Richtung.

    So ist es aber nicht, – und daher gibt es vermutlich auch keinen Mittelpunkt.
    Wie genau die „Topologie des Universums“ (Form des Universums) nun aussieht ist Gegenstand von Spekulationen. Es scheint aber so zu sein, als ob es in irgendeiner Form grenzenlos ist. Eventuell war es zum Zeitpunkt des Urknalls auch schon Grenzenlos,- aber eben viel dichter komprimiert.

    (Es gibt einen Unterschied zwischen Grenzenlos und Unendlich – aber das gehoert eher in die Diskussion ueber die Topologie des Universums)

    Die Raumexpansion bestimmt, wieviel Raum zwischen Zwei Punkten in einer gewissen Zeit hinzu kommt. Zwei Punkte die so-und-soviel Lichtjahre auseinander liegen, werden ein Jahr spaeter so-und-soviel-Lichtjahre-plus-irgendwas auseinander liegen. Der genaue Faktor wurde „Hubbel-Konstante“ genannt. Irgendwann hat man heraus gefunden, dass sich die Hubbel-Konstante in Wirklichkeit geaendert haben muss, und das Universum mit der Zeit immer schneller expandierte. Seiddem nennt man sie „Hubbel Parameter“

    Wichtig: „Durch die Raumexpansion ist es moeglich, dass sich zwei Punkte ueberlichtschnell voneinander entfernen.“
    Dadurch ist es moeglich, dass Licht von einer fernen Galaxie irgendwann einmal gestartet ist, was so lange unterwegs war, dass zu dem Zeitpunkt zu dem es uns erreicht die Ursprungsgalaxie sich schon mit Ueberlichtgeschwindigkeit von uns entfernt. Eine Licht-Antwort von uns wuerde also nie bei der entfernten Galaxie ankommen.
    Daher ist es moeglich, dass uns Licht erreicht, was von einer Galaxie stammt, die heute weiter weg ist als das alter des Universums.

    Ich glaube du musst dich mit folgenden Stichworten beschaeftigen
    * Groesse des Universums
    * Form des Universums / Beobachtungshorizont
    * Beobachtbares Universum
    * Kosmische Hintergrundstrahlung
    * Hubble-Radius

    Mit diesen Stichworten wirst du viele Artikel finden die die Fragen besser beantworten als ich.

  4. #4 MartinB
    31. März 2019
  5. #5 Uli Schoppe
    31. März 2019

    @MartinB
    DIe ersten 3 Links führen leider nach 404.
    Trotzdem Danke das Du den nochmal aus dem Hut gezogen hast, immer lesenswert, und immer wieder erfrischend wie Du mit Deinen eigenen Denkfehlern umgehst. Die wissenschaftliche Methode lebt 🙂

  6. #6 Uli Schoppe
    31. März 2019

    Hallo Hubert 🙂

    Da schlägt man Dich ja mit Themen tot 😉 Ich denke ein guter erster Schritt ist es sich von dem Gedanken zu lösen der Urknall sei eine Explosion und hat ein Zentrum. Ich halte die Ballonanalogie im Gegensatz zu manchen anderen tatsächlich für gut, sie hat nur den Nachteil das der dem man sie anbietet in der Lage sein muss sich vorzustellen das wir hier wirklich nur über ein Modell mit 2 Dimensionen reden. Das Innere existiert in diesem Sinne nicht…

  7. #7 MartinB
    31. März 2019

    @Uli
    Ja, nach diversen Umzügen des Blogsystems haben die Querverweise zwischen den Kommentaren nicht überlebt…

  8. #8 MartinB
    31. März 2019

    @Hubert
    Eine andere gute Analogie für die Expansion ist eine sich bei Wärme ausdehnende Platte – da entfernt sich auch jeder Punkt von jedem, keiner ist “im Zentrum”. Das beispiel nutze ich übrigens auch in meinem Buch zur Relativitätstheorie, da gibt’s ein ganzes Kapitel zur Expansion:
    https://www.springer.com/de/book/9783662572924

  9. #9 bote19
    31. März 2019

    MartinB
    die innere Expansion hat jeder gutgenährte Mitteleuropäer selbst schon erlebt wenn der Gürtel zu eng wird.
    Das nährt die Hoffnung, dass die Ausdehnung nicht ewig dauern wird, wenn es einen kosmologischen “Gürtel” gibt.

  10. #10 tomtoo
    31. März 2019

    @bote19
    Das sieht wohl zumindest im Moment schlecht aus. Da hat jemand gleich einen LKW voll Chips im Wohnzimmer ausgeladen. Die Marke nennt sich “Dark Energie”. Sehr schmackhaft und Appetitanregend.

  11. #11 Uli Schoppe
    31. März 2019

    @MartinB @Hubert
    Die Platte hat jetzt aber sicher Grenzen. Das Ballonuniversum hat aber sicher nur 2 Dimensionen und keine Grenzen…

  12. #12 DasOlli
    1. April 2019

    Wer sich dafür interessiert, dem sei die Video Reihe von Josef M Gaßner empfohlen:
    Urknall-Weltall-Leben – Insbesondere die Reihe: Von Aristoteles zur Stringtheorie

  13. #13 tomtoo
    2. April 2019

    Ich denke wichtig um den Urknall zu verstehen (so gut ich es kann) ist die Perspektive. Und da gibt es kein Aussen. Das Denken von Aussen den Urknall zu beobachten ist nicht Zielführend. Was immer man als Aussen bezeichnen könnte ist jenseits der Vorstellung. Jenseits unseres Universums. Nur von innen betrachtet ist es imo gar nicht so schwer. Da ist der Rosinenbrötchens beim Backen doch ganz passend oder? Der Teig ist das Vacuum, die Rosinen die Materie. Ein Ausserhalb des Rosinenbrötchen gibt es nicht. Alles was die Rosinen sehen ist innerhalb des Rosinenbrötchens. Das erfordert nur wenig umdenken. Es gibt halt nur ein Innen, alles andere ist uns nicht zugänglich.

  14. #14 Krypto
    2. April 2019

    Ich habe neulich gelesen, dass der weitest entfernte Stern 9 Milliarden Lichtjahre entfernt sein soll

    Hallo Hubert, die Grundlage Deiner Frage ist nicht ganz korrekt: Es handelt sich hierbei um den Stern, der als am weitesten entfernter, einzelner Stern noch zu erkennen ist. Das liegt zum Einen an seiner immensen Größe und Leuchtkraft, zum Anderen(entscheidend) an der Gravitationslinse, welche ziemlich exakt auf einer Sichtlinie von uns aus vor dem Stern liegt und ihn damit überhaupt detektierbar macht.
    Alles Übrige, was wir aus der Entfernung ausmachen können, sind komplette Galaxien, aber keine einzelnen Sterne.