ScienceBlogs.de-Leser Ingo hat eine sehr komplexe Frage (deren Sonderzeichen hoffentlich beim Übertragen von Email zu HTML korrekt wiedergegeben werden):

“In der Quantenmechanik wird die Wellenfunktion oft mit komplexen Zahlen dargestellt.

Wenn ich nur eine Ortskoordinate „x“ annehme, dann hat die Wellenfunktion ψ(x) an jeden x als Ergebnis eine komplexe Zahl (a + bi).
Das Quadrat der Länge dieser Zahl (√(a²+b²))²=(a²+b²) ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an diesen Ort zu finden.

Frage:
Warum werden hier komplexe Zahlen verwendet, und nicht einfache 2D-Vektoren?
Falls ich das Ergebnis der Wellenfunktion als 2D-Vektor auffasse, kann ich dort ebenso die Länge und dessen Quadrat bilden.
Falls ich Interferenzen berechne, addiere ich letztendlich die Wellenfunktionen – das kann ich auch mit 2D-Vektoren machen.

Bei Vektoren sind die Komponenten grundsätzlich vertauschbar,- bei komplexen Zahlen sind sie es nicht.
Die Komplexe Zahl „1 + 0i“ stellt das neutrale Element der Multiplikation dar – vertausche ich die Komponenten zu „0 + 1i“, erhalte ich eine komplexe Zahl mit völlig anderen Eigenschaften (kein neutrales Element bei Multiplikation).
Bei Vektoren hingegen sollte es egal sein wo ich das Koordinatensystem ansetze,- die Achsen sind gleichberechtigt. Deswegen ist die Multiplikation in 2D-Vektoren nicht möglich, wenn das Ergebnis wiederum ein 2D-Vektor sein soll.
Anders gesagt: Alles was ich mit 2D-Vektoren mache, sollte rotationssymmetrisch sein.

Der qualitative Unterschied zwischen 2D-Vektoren und komplexen Zahlen ist daher normalerweise, dass ich komplexe Zahlen miteinander multiplizieren/dividieren kann, während ich das bei 2D-Vektoren nicht so ohne weiteres machen kann.
Gibt es irgendwelche Formeln in der Quantenphysik wo zwei Wellenfunktionen miteinander multipliziert werden?

Die Verwendung der komplexen Zahlen suggeriert, dass die eine (reelle) Achse eine andere Bedeutung hätte als die andere (imaginäre) Achse. Hat sie aber in Falle der Wellenfunktion nicht!
In der Regel kenne ich bei einer einzelnen Welle auch nicht den Winkel in der sie sich zu einer der beiden Achsen befindet. Ich kenne höchstens den Winkelunterschied (Phasendifferenz) zweier kohärenter Wellen zueinander.

Daher habe ich es gefühlt mit 2D-Vektoren zu tun – und nicht mit komplexen Zahlen.

Wo ist hier mein Denkfehler?”

Kommentare (31)

  1. #1 rolak
    25. November 2019

    Zur ersten Zeile nach ‘Frage:’: Wellenfunktionen sind Funktionen, die eine Bewegungsgleichung der QM lösen, zB die Schrödinger-Gleichung. Und wenn man sich die mal anschaut, dürfte es niemanden verwundern, daß Wellenfunktionen in der Regel komplexe Funktionen sind.

    Die Zusatzfrage ~’irgendwelche Formeln mit Multiplikation?’ sollte damit ebenfalls beantwortet sein.

  2. #2 Ingo
    25. November 2019

    @rolak
    Die Schrödingergleichung multipliziert auch nicht zwei wellenfunktionen miteinander. (Es sei denn ich habe einen denkfehler)

  3. #3 Karl-Heinz
    25. November 2019

    @Ingo

    Wo ist hier mein Denkfehler?

    Ich weiß schon worin die Ursache deines Denkfehlers liegt. Du hast dir noch nicht die Mühe gemacht die Eigenschaften der komplexen Zahlen etwas genauer anzusehen.

    Die Verwendung der komplexen Zahlen suggeriert, dass die eine (reelle) Achse eine andere Bedeutung hätte als die andere (imaginäre) Achse.

    Echt? Bist dir ganz sicher?
    Ein Beispiel zum Nachdenken:
    In meiner komplexen Ebene hat die Zahl Z den Wert Z = 2 + 5i. Die komplexen Ebene meiner Freundin ist um 90 Grad gegen Uhrzeigersinn gegenüber meiner Ebene gedreht. Für sie hat die komplexe Zahl den Wert Z= 5 – 2i.
    Ich will jetzt nicht alles Verraten und warte mal die Antworten der anderen ab. Ingo ich finde deine Frage so was von Lustig. 😉

  4. #4 Jan
    25. November 2019

    Zunächst ein paar Anmerkungen:

    Bei Vektoren sind die Komponenten grundsätzlich vertauschbar,- bei komplexen Zahlen sind sie es nicht.

    Das stimmt in dieser Allgemeinheit nicht. Es hängt immer davon ab, was man mit den Objekten anstellen will, bzw. welche ihrer Eigenschaften relevant sind. Es gibt sehr wohl Situationen, in denen man die Komponenten eines Vektors nicht vertauschen kann, und es gibt auch Situationen, in denen man die Komponenten einer komplexen Zahl vertauschen kann.

    Alles was ich mit 2D-Vektoren mache, sollte rotationssymmetrisch sein.

    Warum? Und diese Forderung beschränkt die Möglichkeiten dessen was du mit den Vektoren machen kannst sehr stark. (Und nur als kleiner Hinweis: Das Vertauschen der Komponenten eines 2D-Vektors ist keine (eigentliche) Rotation.)

    Gibt es irgendwelche Formeln in der Quantenphysik wo zwei Wellenfunktionen miteinander multipliziert werden?

    Da die Quantenmechanik eine lineare Theorie ist, hat man es nur sehr selten mit Ausdrücken zu tun, die nichtlinear in den Wellenfunktionen sind. Aus der normalen Quantenmechanik würde mir nur die Bornsche Regel (und damit zusammenhängende Formeln) einfallen. In der Quantenfeldtheorie gibt es Formeln in denen Produkte von Feldoperatoren vorkommen (es gibt zwar gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Wellenfunktionen der Quantenmechanik und Feldoperatoren der Quantenfeldtheorie, aber mathematisch sind sie sehr unterschiedlich). Und dann gibt es noch Näherungen für Vielteilchensysteme, in denen nichtlineare Terme vorkommen, z.B. die Gross-Pitaevskii-Gleichung.

    Nun zur eigentlichen Frage:

    Warum werden hier komplexe Zahlen verwendet, und nicht einfache 2D-Vektoren?

    Für die Ergebnisse spielt es keine Rolle was man nimmt. Man kann jeden Term, jede Formel, jede Gleichung mit komplexen Zahlen umschreiben zu einem äquivalenten Ausdruck mit reellen 2D-Vektoren. Und da C und R^2 als R-Vektorräume isomorph sind, ist diese Transformation nicht besonders kompliziert.

    Spontan würden mir drei Gründe einfallen, weshalb man C verwendet und nicht R^2:

    Der vermutlich wichtigste Grund (jedenfalls heutzutage) ist Konvention. Jeder Physiker ist mit komplexwertigen Wellenfunktionen vertraut, aber nicht mit R^2-wertigen Wellenfunktionen. D.h. wenn du ein Paper schreibst, von dem du willst dass möglichst viele es verstehen, wirst du auch C-wertige Wellenfunktionen verwenden. Aber das erklärt natürlich nicht, woher diese Konvention kommt.

    Ein zweiter Grund könnte sein, dass die komplexe Schreibweise ein bisschen einfacher ist. e^(i omega t) braucht weniger Platz als eine Drehmatrix.

    Zuletzt ein physikalischer Grund: Mit C-Vektorräumen hat man genau eine Dimension pro Zustand, mit R-Vektorräumen sind es zwei.

  5. #5 Karl-Heinz
    25. November 2019

    @Ingo

    Ein ähnliches Beispiel wäre die Serienschaltung von Spule und eines ohmschen Widerstandes bei Wechselstrom. Um die Gesamtspannung zu erhalten darf man jetzt nicht einfach die Teilspannungen addieren sondern man muss sie geometrisch addieren. Das zu könnte ich jetzt deine 2D-Vektoren (exakter wäre jetzt die Bezeichnung Zeiger) verwenden oder ich nehme den einfacheren, sprich komplexen Ansatz.

  6. #6 Karl-Heinz
    25. November 2019

    @Ingo

    Eine interessante Frage an dich. Was passiert geometrisch, wenn ich zwei komplexe Zahlen miteinander multipliziere? 😉

  7. #7 Karl-Heinz
    25. November 2019

    @Ingo

    Eine interessante Frage an dich. Was passiert geometrisch, wenn ich zwei komplexe Zahlen miteinander addiere?

  8. #8 Jan
    25. November 2019

    Eine etwas mathematischere Formulierung des dritten Grunds aus meinem anderen Kommentar:

    Die Quantenmechanik ist komplex-linear, d.h. eine beliebige komplexe Linearkombination zweier Lösungen ist wieder eine Lösung. Das ist eine stärkere Forderung als reelle Linearität. In einem C-Vektorraum ist es ziemlich einfach, komplexe Linearität zu formulieren und damit zu arbeiten. In einem R-Vektorraum ist die äquivalente Eigenschaft ein bisschen komplizierter.

    Betrachten wir als Beispiel ein Zweizustandssystem:

    Seien ψ = (ψ1, ψ2) und φ = (φ1, φ2) zwei Lösungen der Schrödingergleichung in komplexer Schreibweise (die Zeitabhängigkeit wird der Einfachheit halber nicht explizit dargestellt). Wegen der komplexen Linearität ist dann x ψ + y φ für alle komplexen x und y auch eine Lösung.

    In reeller Schreibweise haben die Zustandsvektoren je vier Komponenten ψ = (ψ1, ψ2, ψ3, ψ4) und φ = (φ1, φ2, φ3, φ4). Hierbei seien die ersten beiden Komponenten Real- und Imaginärteil der ersten Komponente des komplexen Zustands, und die dritte und vierte Komponente Real- und Imaginärteil der zweiten Komponente des komplexen Zustands.

    Dann ist auch x ψ + y φ für alle reellen x und y eine Lösung (komplexe Linearität impliziert reelle Linearität). Aber es gibt noch mehr Lösungen. Z.B. ist auch (-ψ2, ψ1, -ψ4, ψ3) eine Lösung. Aber (ψ2, ψ1, ψ4, ψ3) oder (-ψ2, ψ1, ψ3, ψ4) sind üblicherweise keine Lösungen.

    Allgemein gilt: Für alle reellen x, y und alle reellen 2×2 Drehmatrizen A, B ist x diag(A, A) ψ + y diag(B, B) φ auch eine Lösung. (Mit diag(A, A) meine ich die 4×4-Matrix, in der links oben und rechts unten A steht und sonst 0.)

    D.h. in reeller Schreibweise muss man nicht nur überprüfen, ob alle Operatoren linear sind (und ggf. hermitesch). Sondern man muss auch noch sicherstellen, dass sie mit allen solchen “Diagonal-Drehmatrizen” vertauschen.

  9. #9 Ingo
    26. November 2019

    @Karl heinz
    Selbstverständlich ist mir auch klar dass 2D-vektoren genauso aufaddiert werden wie komplexe zahlen, und das das ergebiss das gleiche ist. Ich sag ja auch nicht dass falsch gerechnet wird. Dazu sind die verfahren einfach viel zu oft als richtig erwiesen.

    Ich frage nur: ist es konvention oder notwendigkeit?

    Notwendig waere es, wenn ich multiplikationen haette, was beinhaltet dass eine achse gegenueber der anderen achse ausgezeichnet waere.

    In der elektrotechnik ist der ohmsche wiederstand was anderes als der blindwiederstand. Das eine macht warm, dass andere nicht. Das eine kann man durch anpassung ausgleichen, das andere nicht. Es wuerde quatsch sein mittels einer drehung blindwiderstand mit ohmschen widerstand zu vertauschen.

    (Trotzdem bloedes beispiel, denn ich koennte auch den scheinwiederstand natuerlich auch per vektorenrechnung aufaddieren, – trotzem fuehlt es sich hier bauchgefuehlt falscher an)

  10. #10 Ingo
    26. November 2019

    @jan
    Hab ich leider nicht verstanden.
    ich bin weder mathematiker noch physiker und ich schreibe vom handy ohne möglichkeit symbole zu tippen (sorry)

    Wenn die wellenfunktion A = x*zustandA + y*zustandB ist, so sind x und y normalerweise komplexe zahlen deren längenquadrate addiert die wahrscheinlichkeit 100% ergeben.

    Die selbe betrachtung funktioniert aber auch wenn ich x und y jeweils als 2D-vektoren auffasse. Ich kann das system sogar beliebig drehen (x und y) und/oder die achsen vertauschen. Das längenquadrat der addierten x und y bleibt 100%.

    Klar sind die komplexen zahlen und die 2dvektoren aufeinander abbildbar. Aber bei komplexen zahlen sind die achsen weniger gleich als bei vektoren

  11. #11 Jan
    26. November 2019

    @Ingo:
    Wenn man den Zustandsraum als einen Vektorraum über C betrachtet, dann kann man jeden Zustandsvektor mit jeder beliebigen komplexen Zahl multiplizieren, und bekommt dann wieder einen Vektor, der im wesentlichen den selben Zustand beschreibt. (Im Allgemeinen ist dieser Vektor dann nicht normiert, aber das spielt zunächst keine Rolle.)

    Wenn man den Zustandsraum als einen Vektorraum über R betrachtet, dann kann man genauso jeden Zustandsvektor mit jeder rellen Zahl multiplizieren, und bekommt dann auch einen Vektor, der im wesentlichen den selben Zustand beschreibt. Aber es gilt noch mehr: Die Dimension des Raums ist gerade, und die Komponenten treten paarweise auf (wenn man eine geeignete Basis wählt). Und wenn man in jedem dieser Paare die selbe 2d-Drehung anwendet, dann bekommt man auch den selben Zustand. Aber andere Operationen (z.B. beliebige höherdimensionale Drehungen) ändern den Zustand.

    Mit R-Vektorräumen ist die Beschreibung dieses Phänomens deutlich komplizierter. Und es bietet sich geradezu an, diese 2d-Unterräume jeweils zu einem Objekt zusammenzufassen. Und das gibt dann gerade die Komponenten des komplexen Vektors.

    Aber bei komplexen zahlen sind die achsen weniger gleich als bei vektoren

    Und das verstehe ich jetzt nicht. Was genau meinst du damit?

  12. #12 Ingo
    26. November 2019

    @jan:
    PS.:
    In deinen beiden richtigerweise als nich-loesung beschriebenen loesungen hast du jeweils nur bei einer komponente die achsen vertauscht.
    Das faellt mir erst jetzt auf.
    Das geht natuerlich nicht weil hier der winkel zwischen den komponenten durcheinandergewirbelt wird, und so die gesammtwahrscheinlichkeit nicht mehr 1 ist.
    Dann sind die komponenten nicht mehr koherent.
    Weder in der komplexen darstellung, noch in der vektoren darstellung.

  13. #13 Jan
    26. November 2019

    @Ingo:
    Sorry, aber deinen Kommentar #12 verstehe ich überhaupt nicht.

  14. #14 Ingo
    26. November 2019

    @Jan:

    Hallo Jan,
    – danke fuer die Geduld mit mir

    >Sorry, aber deinen Kommentar #12 verstehe
    > ich überhaupt nicht.

    so – jetzt habe ich wieder eine richtige Tastatur,- da kann man ausfuehrlicher schreiben.

    Zunaechsteinmal ist die Diskussion natuerlich insofern eine Bauchgefuehsdiskussion,- da der 2D-Vektorraum komplett abbildbar ist auf den Raum der komplexen Zahlen. Jede Berechnung die ich mit komplexen Zahlen machen kann, kann ich auch mit 2D-Vektoren (R^2) durchfuehren, und umgekehrt.

    In gewisser Weise gilt das sogar fuer Multiplikationen zweier Vektoren/komplexen Zahlen,- schliesslich kann man sich irgendwelche Matrixen formulieren, mit denen auch 2D-Vekoren entsprechend verkuepft werden, sodass das gleiche Ergebnis wie bei einer komplexen Multiplikation rauskommt. Die Schreibweise waere etwas umstaendlich, weil ich jedesmal die Matrixe mitschreiben muesste,- aber es waere trotzdem das gleiche Ergebnis.

    Vielleicht sollte ich zunaechsteinmal ausfuehren was denn nun genau der Unterschied ist (so wie ich ihn als nicht-Mathematiker verstanden habe).
    Vektoren sind nicht an ein Koordinatensystem gebunden. Sie haben eine Richtung und eine Laenge,- aber zunaechsteinmal keine Koodinaten.
    Man kann sich fuer Vekoren ein paar Basisvektoren suchen die ein Koordinatensstem definieren,- sodass man nun also Vektoren in Zahlen hinschreiben kann.
    Der springende Punkt hierbei ist dass man sich verschiedene Basisvektoren suchen kann um ein und den gleichen Vektor darzustellen. Um die Darstellung der Vektoren in Koordinaten von einen Basisvektorensystem ins andere zu ueberfuehren muss man natuerlich die Zahlen mit denen man den Vektor beschreibt irgendwie umrechen (z.b. mit einer Art Drehung), es bleibt aber trotzdem der gleiche Vektor.
    Die Wahl der Baisvektoren, und damit die Wahl des Koordinatensystems ist also eine willkuerliche Entscheidung desjenigen der die Vektoren aufschreibt.
    Der Vektor (5,2) auf den Basisvektorensystem A ist gleich dem Vektor (2,-5) auf dem Basisvektorsystem B (wenn ich A und B passend wähle).
    Ich kann natuerlich auch (5,2) mit irgendeine Matrixe C bearbeiten, sodass das Ergebnis (2,-5) ist,- aber das ist etwas anderes,- hier veraendere ich den Vektor, und bleibe im gleichen Basisvektorensystem.
    Wenn ich (5,2) zunaechst in vom Basisvektorensystem B ueberfuehre, und es damit ohne den Vektor zu veraendern (2,-5). Danach kann ich immer noch Matrixe C anwenden. Wenn ich die Matrixe ebenfalls von A nach B konvertiert habe wird auch das gleiche Ergebnis rauskommen (-5,-2), welches (2,-5) im Koordinatensystem A entspricht. Wenn ich die Matrixe hingegen nicht von A nach B konvertiere mache ich einen Rechenfehler.

    Bei komplexen Zahlen ist das etwas anders.
    Dort sind die „Basisvektoren“ vorgegeben. Die eine Achse ist die Achse der reelen Zahlen, die andere Achse die Achse der imaginaeren Zahlen.
    Damit kann ich eine komplexe Zahl nur in genau einer Art und weise hinschreiben. Die komplexe Zahl „5+2i“ ist ungleich „2-5i“. Man kann hier nicht willkuerlich drehen ohne den Wert zu veraendern.
    Ich kann natuerlich „5+2i“ mit „0-1i“ multiplizieren, und komme dann zu „2-5i“,- aber das ist eben jetzt ein anderer Wert. (Entsprechend der manipulation mit einer Matrixe bei den Vektroren.)

    Warum hat das relevanz (und hier beginnt die Bauchgefuehl-Diskussion).
    Wenn ich mit Wellenfunktionen handtiere,- so werden diese oft in irgendeiner Weise gedreht (ueblicherweise ueber „e^(i*winkel)“ dargestellt). Man rechnet hin und her wie dieser Winkel an welcher Stelle ist, um dann anschliessend auszurechen wie sich Wahrscheinlichkeiten aufaddieren oder weginterferieren.
    Wichtig ist hierbei aber immer nur die Phasendifferenz (Unterschied zwischen den Winkeln).
    Hingegen ist der Anfangswinkel einer solchen Funktion niemals bekannt. Ueblicherweise wird einfach angenommen die Funktion beginnt bei einen Winkel 0 (bei „1+0i), und rotiert von dort irgendwie los.
    Das Ergebnis ist auch richtig,- da letztendlci hder Phasenwinkel davon unabhaenig ist wo ich meine Rotation starten lasse.
    ABER -> Es ist eine wIllkuerliche Entscheidung wo ich die Rotation starten lasse.

    Ich finde das kommt einfach besser rueber wenn man mit Vektoren rechne,- wo die Basisvektoren im Prinzip garnicht vorgegeben sind.
    Ansonsten wird ein Anfangswinkel (relativ zur Achse der reelen Zahlen) suggeriert, der aber nicht bekannt und auch nicht wichtig ist.

  15. #15 Jan
    26. November 2019

    @Ingo:
    Naja, wie ich in meinem ersten Kommentar bereits schrieb, hängt das immer davon ab, was man mit den Objekten anstellen will, bzw. welche ihrer Eigenschaften relevant sind. Man kann sehr wohl andere Basen für die komplexen Zahlen verwenden (wenn man sie denn als einen R-Vektorraum auffassen will), und es gibt auch Situationen, in denen eine bestimmte Basis des R^2 ausgezeichnet ist.

    Aber ich verstehe leider nicht, was das mit deinem Kommentar #12 zu tun hat.

    Vielleicht etwas ausführlicher: Von (ψ1, ψ2, ψ3, ψ4) kommt man mit einer bestimmten linearen Abbildung zu (-ψ2, ψ1, -ψ4, ψ3). MIt ganz ähnlichen Abbildungen kommt man zu (ψ2, ψ1, ψ4, ψ3) oder (-ψ2, ψ1, ψ3, ψ4). (Und dabei bleibt stets die Norm des Vektors erhalten; es stimmt also nicht, dass sich die Gesamtwahrscheinlichkeit ändert.) Warum ist die erste Abbildung erlaubt, nicht aber die zweite oder die dritte? Warum sind in diesem vierdimensionalen reellen Vektorraum nur ganz bestimmte Drehungen erlaubt, die meisten anderen Drehungen aber nicht? Oder anders (weil “warum?”-Fragen in der Mathematik und Naturwissenschaft immer ein bisschen problematisch sind), welche Abbildungen sind erlaubt, woran erkenne ich für eine gegebene Abbildung, ob sie erlaubt ist? Wenn man den Raum als einen zweidimensionalen komplexen Vektorraum auffasst, ist die Antwort einfach. Wenn man ihn als einen vierdimensionalen reellen Vektorraum auffasst, ist die Antwort komplizierter.

    Könntest du vielleicht genauer darauf eingehen, was an meinen Kommentaren #8 und #11 Probleme bereitet? (Es ist für mich ziemlich schwer einzuschätzen, welche Kenntnisse ich voraussetzen kann.)

    Wie wäre es mit dieser alternativen Beschreibung: Für die Zustandsvektoren spielt es keine große Rolle, ob man sie als Vektoren über C oder über R betrachtet. Aber die Algebra der Operatoren hat Eigenschaften, die über C einfacher zu charakterisieren sind.

  16. #16 Ingo
    26. November 2019

    Ich verstehe nicht ganz woher die “Verktoren über Complexe Zahlen”

    Das klingt so als ob folgendes gemeint ist
    (a + bi, c + di), also ein 2D-Vektor, dessen jeweiligen Komponenten Komplexe Zahlen sind. Ist das gemeint?

    Falls ja: Dann waere das vermutlich etwas anderes als ein 4D-Vektor ueber die reelen Zahlen (a, b, c, d), und vermutlich nicht gegenseitig abbildbar.

    Gibt es Vektorenraeume ueber Vektoren? ((a,b),(c,d))
    Ist ((a,b),(c,d)) kongruent zu (a,b,c,d)? Auweia!

    Ich war bisher davon ausgegangen, dass man einfach
    x* |A> + y* |B>
    hat. A und B sind hier die Zustaende,- x und y waeren dann komplexe Zahlen, bzw jeweils 2D-Vektoren:
    (a+bi) * |A> + (c+di) * |A>
    versus
    (a,b) * |A> + (c,d) * |A>
    wobei gild:
    ( sqrt(a²+b²) + sqrt(c²+d²) )² = 1 (Gesamtwahrscheinlichkeit=1)

    Wo sind da Vektoren mit 4 Komponenten?

    > (Es ist für mich ziemlich schwer einzuschätzen,
    > welche Kenntnisse ich voraussetzen kann.)
    Nicht viele 🙂

  17. #17 Jan
    26. November 2019

    Für Mathematiker (und theoretische Physiker) bedeutet “Vektor” ein Objekt das man zu anderen gleichartigen Objekten addieren kann, und das man mit einer “Zahl” multiplizieren kann (und bei beiden Operationen bekommt man als Ergebnis wieder einen solchen Vektor).

    Dabei können im Prinzip Elemente beliebiger Körper (im Sinne der Algebra) als “Zahl” zugelassen werden. Also z.B. die reellen Zahlen, oder die komplexen Zahlen. Aber auch die rationalen Zahlen sind möglich, oder auch rationale Funktionen mit ganzzahligen Koeffizienten, oder endliche Körper, etc.

    Gibt es Vektorenraeume ueber Vektoren?

    Vektorräume über Vektoren gibt es im Allgemeinen nicht. Oder genauer, ein Vektorraum über einem anderen Vektorraum ist genau dann möglich, wenn der zweite Vektorraum auch ein Körper ist. Aus dem R^2 kann man einen Körper machen (ohne die Vektorraumstrukur zu zerstören), aus dem R^3 nicht.

    ((a,b),(c,d))

    Naja, das wäre eine 2×2-Matrix. Der Raum der reellen 2×2-Matrizen ist auch ein Vektorraum über R, und er ist als Vektorraum isomorph zum R^4.

    Ist ((a,b),(c,d)) kongruent zu (a,b,c,d)?

    Wenn du mit “kongruent” meinst, dass die Vektorräume isomorph sind, dann ja.

    Für jede natürliche Zahl N ist R^N ein Vektorraum über R. Und C^N ist sowohl ein Vektorraum über C als auch über R. Man kann sogar zeigen, dass jeder endlichdimensionale Vektorraum über einen Körper K isomorph ist zu einem K^N. Zumindest im endlichdimensionalen Fall kann man also alles zurückführen auf N-Tupel von Körperelementen.

    Tupel (a,b) als Koeffizienten von Ket-Vektoren ist problematisch. Vektoren kann man multiplizieren mit Elementen des Grundkörpers. D.h. du müsstest die Tupel zu einem Körper machen. Und für Paare reeller Zahlen ergibt das genau die komplexen Zahlen, und dann hast du wieder einen komplexen Vektorraum.

    ( sqrt(a²+b²) + sqrt(c²+d²) )² = 1 (Gesamtwahrscheinlichkeit=1)

    Das stimmt so nicht. Wenn die beiden Kets orthogonal und jeweils normiert sind, muss a²+b²+c²+d² = 1 gelten, damit die Linearkombination normiert ist.

    Wo sind da Vektoren mit 4 Komponenten?

    Naja, wenn du wirklich in einem Vektorraum über R arbeiten willst, brauchst du nicht nur zwei Basis-Kets, sondern vier. Nennen wir sie |A1>, |A2>, |B1>, |B2>. Dabei könnte z.B. |A1> dem |A> aus dem komplexen Vektorraum entsprechen, und |A2> dem Vektor i |A> (und analog für die B). Und dann lautet eine Linearkombination

    a |A1> + b |A2> + c |B1> + d |B2>

    Und wenn die Basis-Kets orthonormal sind, muss a²+b²+c²+d² = 1 gelten, damit dieser Vektor normiert ist. Und der von diesen Kets aufgespannte reelle Vektorraum ist isomorph (als Vektorraum und sogar als Hilbertraum) zu R^4.

  18. #18 Ino
    26. November 2019

    > ( sqrt(a²+b²) + sqrt(c²+d²) )² = 1
    > (Gesamtwahrscheinlichkeit=1)

    > Stimmt so nicht

    Stimmt – Das ist ein Fehler.
    So koennen sich die Zustaende ja auch nicht weginterferieren

    (a,b) * |A> + (c,d) * |A>
    wobei gilt
    | (a,b)+(c,d) |² = |(a+c , b+d)|² = (a+c)²+(b+d)² = 1

    In komplex:
    x* |A> + y* |B>
    (a+bi) * |A> + (c+di) * |A>
    wobei gilt:
    | x+y |² = 1

    > Naja, wenn du wirklich in einem Vektorraum
    > über R arbeiten willst, brauchst du
    > nicht nur zwei Basis-Kets, sondern vier

    Den Punkt habe ich nicht verstanden.
    Warum brauche ich jetzt 4 Zustande,- warum nicht 2,- jeweils mit einen 2R-Vektor multipliziert.

    Warum
    a |A1> + b |A2> + c |B1> + d |B2>
    und nicht einfach
    (a,b) |A> + (b,c) |B>
    (a,b) und (c,d) sind jeweils aus der Menge R^2-Vektor

    schliesslich sage ich ja auch einfach

    x |A> + y |B>
    x,y sind aus der Menge C
    (a+bi) |A> + (c+di) |B>
    i = imaginaere Zahl
    a,b,c,d sind aus der Menge R
    (a+bi) und (c+di) sind aus der Menge C

  19. #19 Jan
    26. November 2019

    Es kommt darauf an, welchen Grundkörper du verwenden willst. Und es muss sich beim Grundkörper um einen Körper handeln. Die meisten Vektorräume sind keine Körper.

    Wenn du R als Grundkörper verwenden willst, dann brauchst du für ein Zweizustandssystem vier Basisvektoren. Wenn du C verwenden willst, dann brauchst du zwei Basisvektoren.

    Paare reeller Zahlen kannst du nur dann als Grundkörper verwenden, wenn du sie zu einem Körper machst. Das geht (bis auf Isomorphie) nur auf genau eine Art, nämlich als komplexe Zahlen.

  20. #20 Ingo
    26. November 2019

    > Und es muss sich beim Grundkörper
    > um einen Körper handeln

    Wieder was gelernt.
    Ich hab bei Wikipedia nachgeschaut.
    “Koerper koennen Addition […] und Multiplikation […]”
    Damit ist klar das Vektorraeume idR keine Koerper in diesen Sinne sind,- weil -> keine Multiplikation -> einvertanden

    Aber letztendlich genau das, was ich ganz am Anfang gesagt hatte -> wird denn irgendwo in den Formeln multipliziert?

    x * y
    wobei x und y jeweils aus den gleichen”Koerper” sein muessen.

    Ist dies hier…
    x |A>
    …denn eine multiplikation zweier Koerper?
    wir streiten ja darum ob “x” umbedingt aus C sein muss,- oder ob es ausreicht R^2-Vektor zu sein.
    |A> ist aber ein Zustand,- und damit auf keinen Fall aus C oder R^2
    Ich kann ja schliesslich auch auf einen einfachen Vektor
    (a,b) * 5 = (5a,b5)
    machen (einfache skalarmutiplikation)
    Ich kann aber nicht (a,b)*(c,d) machen.

    Also –
    – wenn irgendwo zwei Wellenfunktionen direkt aufeinander aufmultipliziert werden, dann muessen diese Funktionen jeweils einen Koerper zurueck geben,- damit die multiplikation ueberhaupt definiert ist -> und in dem Fall muesste ich zwingend die komplexen Zahlen (als Funktionsrueckgabe) erwarten und verwenden.
    2D-Vektoren auf R reichen dann nicht aus.

    x * |A> zehlt aber nicht als eine solche Mutiplikation,- weil |A> keine Wellenfunktion ist,- sondern nur ein Zustand.

    x * W(x) [x Element aus C, W=Wellenfunkion]
    waere eine solche Multiplikation, die klar machen wuerde, dass man zwingend komplexe Zaehlen verwenden muss.

  21. #21 Jan
    26. November 2019

    Ist dies hier…
    x |A>
    …denn eine multiplikation zweier Koerper?

    Nein, denn |A> ist “nur” ein Vektor, und i.A. nicht Element eines Körpers. (Und wenn überhaupt wäre es die Multiplikation zweier Körperelemente, nicht zweier Körper.)

    Aber x muss Element des Grundkörpers sein. Denn das ist eine der wenigen Operationen, die auf einem Vektorraum definiert sind.

    wir streiten ja darum ob “x” umbedingt aus C sein muss,- oder ob es ausreicht R^2-Vektor zu sein.

    Ist das so? Ich sage, dass es Element des Grundkörpers sein muss. Deinen Standpunkt verstehe ich ehrlich gesagt nicht wirklich. Wenn man R^2 zu einem Körper macht kommt notwendigerweise C heraus.

    |A> ist aber ein Zustand,- und damit auf keinen Fall aus C oder R^2

    Naja, im Prinzip kann der Zustand sehr wohl aus C sein (oder aus R^2, wenn man R^2 geeignet zu einem C-Vektorraum macht). Dann hat man halt ein System mit nur einem Zustand, und das ist physikalisch ziemlich langweilig.

    Ich kann ja schliesslich auch auf einen einfachen Vektor
    (a,b) * 5 = (5a,b5)
    machen (einfache skalarmutiplikation)

    Naja, die Multiplikation mit einem Skalar “von rechts” ist üblichweise einfach eine andere Schreibweise für die normale Multiplikation mit einem Skalar “von links”.

    Ich kann aber nicht (a,b)*(c,d) machen.

    Das geht schon. Man muss es halt passend definieren. Und wenn man die Bedingung hat, dass das die Multiplikation in einem Körper sein soll, dann muss man nachweisen, dass die Körperaxiome erfüllt sind. Für Paare reeller Zahlen geht das, aber (bis auf Isomorphie) nur auf genau eine Weise. Und dann bekommt man genau die komplexen Zahlen.

    x * |A> zehlt aber nicht als eine solche Mutiplikation,- weil |A> keine Wellenfunktion ist,- sondern nur ein Zustand.

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Aussage nicht verstehe, oder ob du vielleicht Wellenfunktion/Zustand/Zustandsvektor nicht komplett verstehst.

  22. #22 kai
    26. November 2019

    Hi,
    ich finde das an sich keine dumme Frage. Ich hatte mich auch oft gefragt warum man komplexe Zahlen eingeführt hat, wenn diese nix weiter als zweidimensionale reele Vektoren sind.
    Von daher finde ich deine Bemerkung (ich weiß leider nicht wie man zitiert):
    “Aus dem R^2 kann man einen Körper machen (ohne die Vektorraumstrukur zu zerstören), aus dem R^3 nicht.”
    sehr erhellend. Das R^3 kein Körper ist hatte ich, wenn ich mich recht entsinne, schonmal in einem Numberophil Video gesehen. Es erklärt zumindestens die Daseinsberechtigung komplexer Zahlen und warum sie eben nicht “nur” ein Vektor sind.

  23. #23 Ingo
    27. November 2019

    > Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Aussage nicht
    > verstehe, oder ob du vielleicht
    > Wellenfunktion/Zustand/Zustandsvektor nicht komplett verstehst.

    Im Zweifelsfall habe ich da tatsaechlich Begriffe durcheinander gebracht.

    Ich bin bisher davon ausgegangen dass

    ψ(x) = Wellenfunktion. Input: Ein Ort (x),- output eine Komplexe Zahl (oder ein 2D-Vektor).
    ψ(x,t) = Wellenfunktion. Input: Ein Ort (x) ein Zeitpunkt(t),- output eine Komplexe Zahl (oder ein 2D-Vektor).
    ψ ist eine komplexe/2dVektor-Funktion
    ψ(x) ist eine komplexe Zahl/2dVektor

    |ψ> = Quantenmechanischer Zustand des Systems
    |ψ> = a * |KatzeTot> + b * |KatzeLebendig>
    |KatzeTot> = (ein moeglicher) Zustand
    |a|² = Wahrscheinlichkeit diesen Zustand (KatzeTot) vorzufinden
    a ist eine komplexe Zahl bzw ein 2D-Vektor
    |a| = Laenge des Vektors / Laenge der Komplexen Zahl
    |a|² ist ein Skalar (normale Zahl)

    Zu welchen jeweiligen Mengen gehoeren denn
    |KatzeTot>
    und
    a*|KatzeTot>
    ?
    Von welchen “Datentyp” ist denn [komplexe_Zahl oder 2D-Vektor] * [Zustand]
    Jedenfalls ist diese Multiplikation nicht eine Multiplikation zweier Elemente des Koerpers “komplexe Zahlen”,- da der einer der beiden kein Element der komplexe Zahlen ist, sondern Zustand ist.

    Soweit hatte ich das jeweils verstanden,- aber irgendwo muss da ein Wurm in meinen Verstaendnis drin sein.

  24. #24 Jan
    27. November 2019

    @kai:
    Naja, es ist gar nicht mal so selten, dass man mehrere “einfachere” Objekte zu “komplexeren” Objekten zusammensetzt, und dann die “komplexeren” Objekte als eigenständige Objekte ansieht. Z.B. sind die rationalen Zahlen Paare von ganzen Zahlen, oder genauer Äquivalenzklassen solcher Paare. Die reellen Zahlen kann man als Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen rationaler Zahlen definieren, oder als Dedekindsche Schnitte von rationalen Zahlen.

    Sowohl die rationalen Zahlen als auch die reellen Zahlen haben eine Reihe von nützlichen Eigenschaften, die die Zahlen, aus denen sie “zusammengesetzt” sind nicht haben. Deshalb beschäftigt man sich mit ihnen als eigenständige Objekte. Mit den komplexen Zahlen ist es genauso.

    @Ingo:
    ψ ist eine Wellenfunktion. ψ(x) ist der Wert dieser Wellenfunktion an der Stelle x. Das ist nicht das selbe.

    In der Quantenmechanik werden Zustände dargestellt durch Elemente eines Vektorraums, genauer eines Hilbertraums. Dabei stellen skalare Vielfache eines Vektores den selben physikalischen Zustand dar (bis auf den Nullvektor). Oft beschränkt man sich deshalb auf normierte Vektoren.

    Welchen Hilbertraum man nimmt, hängt nun vom System ab. Wenn man ein System mit endlich vielen unabhängigen Zuständen hat, ist der Hilbertraum isomorph zu C^N, wobei N die Anzahl der Zustände ist, und das Skalarprodukt ist das kanonische in diesem Raum.

    Oft schreibt man die Zustandsvektoren als Kets |ψ>. Ein Ausdruck wie |ψ> = a * |KatzeTot> + b * |KatzeLebendig> ist dann einfach eine Linearkombination zweier Vektoren zu einem neuen Vektor. Man könnte das genauso als ψ = a (1,0) + b (0,1) schreiben. Aber |KatzeTot> ist halt etwas deskriptiver als (1,0).

    In der Bra-Ket-Schreibweise sind Bras <ψ| dann die Elemente des Dualraums und Brakets <φ|ψ> sind Skalarprodukte (was äquivalent dazu ist, das Bra auf das Ket anzuwenden).

    Wenn man die Bewegung eines Teilchens betrachtet, ist der Hilbertraum ein Funktionenraum. Wie genau der definiert ist, ist ein bisschen kompliziert. Jedenfalls sind die Zustandsvektoren dann Wellenfunktionen. Der Zustandsvektor |ψ> ist also das selbe wie die Wellenfunktion ψ. Und für den Wert von ψ an der Stelle x gilt dann ψ(x) = <x|ψ>. (Mathematisch ist das ein bisschen problematisch; es gibt da eine Reihe von Subtilitäten wenn man es mit unendlichdimensionalen Hilberträumen zu tun hat. Aber für die Physik spielt das eigentlich keine Rolle. Da kann man immer so tun als wäre |x> tatsächlich ein Element des Hilbertraums. Man bekommt dann halt manchmal Delta-Funktionen als Ergebnis.)

    D.h. |ψ>, |KatzeTot>, und a*|KatzeTot> sind alles Zustandsvektoren. |KatzeTot> ist vermutlich normiert, und dann ist a*|KatzeTot> für fast alle Werte von a nicht normiert. Aber trotzdem sind beides Vektoren der selben Art. Zu welchem Vektorraum sie konkret gehören, hängt vom System ab.

  25. #25 Ingo
    28. November 2019

    @Jan

    Wunderschoen.

    Das man irgendwie unrecht hatte ahnte man ja schon lange,-
    – aber es ist ein wunderschoener Moment zu verstehen WARUM man unrecht hatte 🙂
    Dann geht naemlich die Tuer zu einen komplett neuen Feld auf, wo man noch kein Wort versteht.
    Motivation fuer nachtelanges Lesen.

    Der Hilbertraum als Vektorraum,- auf den komplexe Zahlen drauf multipliziert werden um eine Art “2-Dimensionale Wahrscheinlichkeitsphase” auf fuer Dimension des Hilbertvektorraums in die Wellenfunktion hineinzubringen.

    Vielen Dank !

  26. #26 MartinB
    28. November 2019

    Komme etwas spät zu der Party (und habe auch nicht alle Kommentare gelesen), weise aber mal ganz pragmatsch darauf hin, dass das Rechnen mit komplexen Zahlen die Sache wesentlich erleichtert. Bei der Schrödingergleichung steht z.B. auf der linken seite die erste Ableitung nach der Zeit, auf der rechten die zweite Ableitung nach dem Ort. (Für Details verweise ich mal auf meine Artikelserie https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/artikelserien/)
    So eine Gleichung ist erstmal eine Wärmeleitungsgleichung, bei der Anfängliche Spitzen im Laufe der zeit gedämpft werden und auseinanderdiffundieren. Wenn man aber eine Komplexe Funktion einsetzt und auf der linken seite ein i einfügt, dann wird aus der Wärmeleitungsgleichung mathematisch eine Wellengleichung. Es dürfte schwierig werden, diesen netten Trick ohne viel Aufwand mit reellwertigen Vektoren hinzuzaubern.

    Ansonsten verweise ich zum Thema “Schönheit der komplexen Zahlen” auf Penroses Buch “Road to reality”.

  27. #27 Jan
    28. November 2019

    @MartinB:
    Meinst du mit diesem “netten Trick”, dass man eine Gleichung bekommt, die sich wie eine Wellengleichung verhält, die aber nur eine erste Ableitung in der Zeit enthält? Denn das ist doch ziemlich einfach: Man startet mit einer gewöhnlichen Wellengleichung, also einer die eine zweite zeitliche Ableitung enthält. Und dann wendet man darauf das Standardverfahren an um Differentialgleichungen höherer Ordnung auf Differentialgleichungssysteme erster Ordnung zu transformieren. D.h. man führt eine vektorwertige Funktion ein, die die ursprüngliche Funktion als erste Komponente und ihre zeitliche Ableitung als zweite Komponente enthält.

    Und auch für die Schrödingergleichung ist das an sich nicht schwierig. Wenn man die komplexwertige Wellenfunktion durch eine 2d-reell-vektor-wertige Funktion ersetzt (mit Real- und Imaginärteil als Komponenten), bekommt man ein rein reelles Differentialgleichungssystem. Aber im Prinzip ersetzt man da nur i durch eine 2×2-Matrix mit den gleichen algebraischen Eigenschaften. Und dann muss man die ganze Zeit aufpassen, dass man nur Operatoren verwendet, die mit dieser Matrix vertauschen.

  28. #28 Ingo
    29. November 2019

    Ich kann ja nocheinmal versuchen mein Hauptmissverständniss aufzurollen:

    Stellt man sich ein Elektron vor, was von A nach B auf einer graden Linie fliegt,- so kann man dem Elektron eine Wellenfunktion zuordnen, welches aussieht wie ein “sich nach vorne schraubender Vektor”.

    Dieser Vektor dreht sich natürlich nicht im normalen Raum (das Elektron fliegt nicht auf einer Schraubenbahn),- sondern dieser dreh-Vektor ist einfach ein mathematisches Zahlenpaar/Komplexe Zahl, mit derer Hilfe man die Wahrscheinlichkeit ausrechen kann das Elektron irgendwo zu finden.
    Dazu rechnet man einfach die Länge dieses Vektors aus,- und quadriert ihn.
    Zunächst einmal ändert sich die Länge des Vektors nicht,- sondern er dreht sich einfach nur um den Nullpunkt.

    Im Doppelspalt-Experiment nimmt diese Welle beide Wege. Hinter dem Doppelspalt treffen nun beide Teilwellen aufeinander. Wenn die Wellen an der Projektonswand ankommen haben die jeweiligen Teilwellen unterschiedlich lange Wege hinter sich gehabt, und somit hatte der “schraube Winkel” jeweils unterschiedlich viel Zeit gehabt sich weiter zu schrauben,- sodass sich zwischen den Teilwellen ein Winkelunterschied ergibt. Dies sogt dafuer dass in der Gesamtbetrachtung an jeden Ort der Projektionsfläche ein anderer Phasenwinkel auftritt,- und damit die Summe der beiden Vektoren an jeden Ort der Projektionsfläche eine andere Länge ergibt und damit eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit.
    -> Ein Interferenzmuster entsteht.

    In der Feymann-Infinit-Path-Theorie wird dies auf die Spitze getrieben, indem man sich vorstellt, dass die Welle alle Theoretisch moeglichen Wege nimmt,- sich jedoch genau die Wege weg-interferieren die man im normalen Leben auch nicht beobachtet.

    Ist dieser Schraubvektor nun zwingend eine komplexe Zahl, oder recht es sich diesen Schraubenvektor als mathematischen 2D-Vektor auf den Reelen Zahlen vorzustellen?
    -> Das war meine Frage, die ich urspruenglich meinte

    Komplett durcheinander gebracht habe ich das aber mit der Herumrechnerrei der komplexen Vektoren im Hilbertraum,- wo ich (kein Mathematiker,- kein Physiker) erst ganz zum Schluss in der Diskussion begriffen habe, dass das nicht das gleiche ist.
    Mir war garnicht klar das |KatzeTot> ein Einheitsvektor im Hilbertraum darstellt, und das “a*|KatzeTot>” die aufmultiplizierung einer komplexen Zahl (a) auf diesen Einheitsvektor im Hilbertraum (KatzeTot) darstellt.
    Mir war schon klar, dass “a” etwas ist was irgendwie zweidimensional sein muss,- ansonsten funktioniert das weginterferieren von Quantenzuständen nicht.

    Ich war immer davon ausgegangen dass es sich um soetwas wie “5 Apfel” handelt. “5 * Einheitsapfel”.
    5 ist eine Reele Zahl,- “Apfel” ist ein Objekt das ich mit “5” multipliziere, damit ich 5 Äpfel bekomme.
    So hatte ich angenommen funktioniert “a*|KatzeTot>”

    So ist es aber eben nicht.

    Die Geschichte mit dem Hilbertraum hatte ich erst im Verlaufe der Diskussion herausgefunden, und dann einen Abend darueber im Internet herumgelesen.

  29. #29 MartinB
    29. November 2019

    @Jan
    Der Standard-Trick, um aus einer DGL 2. Ordnung eine 2. Ordnung zu machen, ist aber was anderes, weil da ja eine neue Variable eingeführt wird. Bei der SGL ist es aber ja so, dass die erste Zeitableitung von psi proportional zur 2. Ortsableitung ist, und ohne das i wäre so eine Gleichung eine Wärmeleitungsgleichung und hätte keine Wellenartige Lösung.

    Dass man prinzipiell die Gleichung umschreiben kann, ist sicher richtig, aber sie wird dadurch bestimmt nicht übersichtlicher…

    @Ingo
    “Ist dieser Schraubvektor nun zwingend eine komplexe Zahl, oder recht es sich diesen Schraubenvektor als mathematischen 2D-Vektor auf den Reelen Zahlen vorzustellen?”
    Vorstellen (im Sinne von anschaulich vorstellen)kann man sich das auf jeden Fall so.
    im Prinzip kann man ja alle Gleichungen in den komplexen Zahlen auf reelle Gleichungen umschreiben, insofern ließe sich das auch mathematisch machen, wäre aber vermutlich relativ unübersichtlich, weil man z.B. zwei solche Vektoren einfach addieren kann, zum Multiplizieren müsste man aber ja eine Vorschrift basteln, die das entsprechend umsetzt, z.B. als Matrizen:
    https://www.sosmath.com/matrix/complex/complex.html
    Und natürlich ist es auch so, dass für komplexe Funktionen (wie es Wellenfunktionen sind) bestimmte Regeln gelten, die man dann auf diese Matrizen übertragen müsste, was so wie ich es sehe nicht so einfach sein dürfte.
    Insofern legt die Theorie schon sehr nahe, dass man tatsächlich komplexe Zahlen nehmen sollte. (Wenn du aber natürlich eine Formulierung findest, die in jeder Hinsicht isomorph zu den komplexen Zahlen ist, dann funktioniert die auch.)

    ZU den Quantenzuständen und wie man mit denen rechnet, empfehle ich mal ganz bescheiden meine Serie “Quantenmechanik verstehen” :
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/artikelserien/

  30. #30 Ingo
    29. November 2019

    Speziell was den “Schraubvektor” (in wirklichkeit “Schraub-komplexeZahl”) angeht hatte ich folgenden Gedankengang gehabt:

    In jeder Wellenbetrachtung eines Elementarteilchens muesste der absolute Winkel seines “Schraubvektors” unbekannt sein.
    Der Einfachheit halber wird einfach angenommen, dass er auf der Achse der reelen Zahlen liegend beginnt,- und dann anfaengt zu schrauben.
    Vorher (1+0i) – nach 1/4 Drehung: (0+1i).
    Das ist in der Regel ausreichend,- da letztendlich nur Phasendifferenzen oder Vektorlängen von Interesse sind,- und dort ist es unerheblich wo der Vektor anfaengt sich zu drehen.

    Trotzdem ist die Wahl des Startpunktes der Drehung eine willkuerliche Festlegung.
    Er kann bei (0+1i) anfangen,- oder auch bei (1+0i).

    Es koennte aber einen Unterschied machen wenn ich eine Multiplikation durchfuehre:

    (1+0i) * (0+1i) = (0+1i) -> (90 Grad Phasendifferenz vom ersten Operanten zum Ergebnis)
    aber, wenn ich die beiden Operanten um 90Grad drehe kommt eine andere Drehung heraus:
    (0+1i) * (-1+0i) = (0-1i) -> (180 Grad Phasendiffernz vom ersten Operanten zum Ergebnis)

    Folgerichtig ist es in diesen speziellen Fall der multiplikation NICHT egal wo mein Vektor zu Anfang liegt.

    ———

    Folgerichtig muessten Multiplikationen zweier komplexer Rückgabewerte der Wellenfunktion in der folgenden Form …
    ψ1(x) * ψ2(x)
    oder
    ψ(x1) * ψ(x2)
    …verboten sein,- da sie ein unterschiedliches Ergebnis liefern, je nachdem wo mein “schraubenvektor” startet,- was aber in der Formel eine willkuerliche Festlegung war.

    ———

    Erlaubt sind hingegen Drehungen:
    ψ(x)e^(i*Winkel)
    da diese unabhaenig von der Lage der Basisvektoren funktionieren. (Allerdings kann man Drehungen in Vektoren nur mit Matrixen beschreiben, die etwas umstaendlicher zu schreiben sind).

    Meine Erwartungshaltung war nun, dass das “Multiplikationsverbot” sich irgendwie in der Wahl des Mathematischen Raumes/Körper wiederspiegelt,- was es in dem Vektorraum R^2 täte, aber nicht im Koerper der komplexen Zahlen.

    (Wenn das weiter so geht, werde ich irgendwann mit der mathematischen Terminologie vertraut sein 😉 )

  31. #31 Jan
    30. November 2019

    Ja, wenn man zwei komplexe Zahlen um einen bestimmten Winkel dreht, dann dreht sich ihr Produkt um den doppelten Winkel. Das ist aber an sich nichts ungewöhnliches. In der Physik hat man es öfters mit Objekten zu tun, die sich bei Symmetrietransformationen des Systems unterschiedlich verhalten. Bei einer Drehung des Raums verhält sich z.B. ein Vektor anders als eine Matrix oder ein Skalar. Man muss nur immer wissen, mit was für einem Objekt man es zu tun hat. Und die experimentell messbaren Vorhersagen, die die Theorie macht, müssen natürlich bei Symmetrietransformationen unverändert bleiben.
    (Vor allem in der Relativitätstheorie ist es sehr hilfreich, wenn man von allen Objekten das Transformationsverhalten kennt. Denn daran kann man sehr leicht sehen, ob eine Gleichung überhaupt sinnvoll sein kann. Das ist auch der Grund, weshalb man heutzutage das Konzept der relativistischen Masse nur noch selten verwendet; ihr Transformationsverhalten passt in keine der üblichen Kategorien.)

    Generell kommen in der Quantenmechanik Produkte von Wellenfunktionen nur selten vor. Und wenn dann meist so, dass einer der beiden Faktoren das komplex konjugierte einer Wellenfunktion ist (z.B. in Wahrscheinlichkeiten, Erwartungswerten, oder der Dichtematrix). Ein solches Produkt bleibt unverändert, wenn man global alle Wellenfunktionen um den selben Winkel dreht.

    Übrigens: Wenn man aus dieser globalen Symmetrie (man kann eine Wellenfunktion um einen festen Winkel im Komplexen drehen, ohne dass das einen Einfluss auf die Ergebnisse hätte) eine lokale Symmetrie macht (man fordert, dass es auch keinen Einfluss haben darf, wenn man die Wellenfunktion an jedem Punkt in Raum und Zeit um einen anderen Winkel dreht), bekommt man relativ natürlich den Elektromagnetismus. Das ist was gemeint ist wenn man sagt, der Elektromagnetismus sei eine U(1)-Eichtheorie. (Die Drehungen im Komplexen bilden die Gruppe U(1).)