Nomenklatoren zählten einst zu den beliebtesten Verschlüsselungsverfahren überhaupt. Die meisten Nomenklatoren lassen sich heute lösen. Das Van-Gelder-Kryptogramm aus dem Jahr 1809 ist eine Ausnahme.

Am 9. Februar 1809 verfasste der holländische Botschafter in der Türkei, Dedem van Gelder (oben mit Sultan Abdul Hamid abgebildet), einen verschlüsselten Brief. Das Original liegt mir leider nicht vor, es könnte aber etwa so ausgesehen haben (dies ist nur ein Ausschnitt):

Van-Gelder
Den Brief hat mir freundlicherweise Karl de Leeuw, der führende niederländische Experte für Kryptologie-Geschichte, zur Verfügung gestellt. Bisher ist es niemandem gelungen, dieses Kryptogramm zu lösen.

Das Van-Gelder-Kryptogramm besteht aus etwa 1.500 ein- bis vierstelligen Zahlen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das verwendete Verschlüsselungsverfahren ein Nomenklator. Ein solcher sieht für jeden Buchstaben des Alphabets sowie für häufige Wörter jeweils eine Zahl (oder eine andere Zeichenfolge) vor. Ein einfaches Beispiel:

A=2, B=4, C=6, D=8, …, Z=52, HUND=99, KATZE=123, MAUS=180

Beim Van-Gelder-Kryptogramm liegen die verwendeten Zahlen etwa zwischen 1 und 3.000. Dies ist genug, um die Buchstaben des Alphabets sowie einige Tausend gängige Begriffe abzubilden. Es kann durchaus sein, dass einige Zahlen gar keine Bedeutung besitzen (Blender) oder dass mehrere Zahlen das gleiche bedeuten (Homophone). Homophone werden naturgemäß vor allem für häufige Buchstaben verwendet.

Nomenklatoren waren vor allem in der frühen Neuzeit weit verbreitet. Als Diplomat war Dedem van Gelder ein typischer Nutzer solcher Verfahren. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Nomenklatoren von Codebüchern (diese führten so gut wie jedes Wort einer Sprache auf, Einzelbuchstaben spielten kaum noch eine Rolle) abgelöst.

Van-Gelder

Eine Nomenklator-Nachricht zu dechiffrieren, ist in den meisten Fällen deutlich einfacher, als es scheint. Das liegt daran, dass die meisten Schöpfer von Nomenklatoren anfängerhafte Fehler machten. Oft wählten sie für die Buchstaben ein- und zweistellige Zahlen, während die drei- und vierstelligen Zahlen für ganze Wörter standen. Homophone wurden häufig unsachgemäß eingesetzt. Zahlreiche weitere Fehler sind belegt.

Die Chancen, das Van-Gelder-Kryptogramm zu lösen, stehen also auf den ersten Blick gut. Allerdings lebte van Gelder in einer Zeit, als Nomenklatoren bereits ein hohes Niveau erreicht hatten. Die große Anzahl der verwendeten Zahlen und die relativ flache Häufigkeitsverteilung sprechen dafür, dass das Van-Gelder-Kryptogramm eine harte Nuss ist. Das sieht auch Karl de Leeuw so. Möglicherweise ist diese Nachricht nur lösbar, wenn man die Beschreibung des Nomenklators findet. Vielleicht schlummert eine solche in einem niederländischen Archiv. Bisher hat de Leeuw jedoch nichts dergleichen entdeckt.

Hier ist das vollständige Van-Gelder-Kryptogramm:

[page 1]

1194 239 62 893 2395 1568 226 980 1382 929 800 75 2482 497
1195 211 560 511 475 524 680 228 1007 804 1696 35 331 4 39
356 2538 1049 564 934 416 748 601 577 179 2740 742 710 75
900 539 1341 805 420 561 2891 679 1632 1034 1171 8264
1294 332 508 707 1789 75 2655 632 189 473 1128 624 1194
2913 103 894 1193 850 227 93 657 1567 298 1300 948
255 1700 1576 816 735 609 547 189 2898 467 713 519
1567 2486 792 147 680 805 1843 21 2731 935 831 112 771 791
185 1343 1523 1413 2920 241 799 1097 699 613 795 15 1528
186 607 894 135 510 1388 1710 804 618 949 524 211 1413
624 241 62 733 2484 868? 444 38 503 332 531 369 250
1914 1025 378 145 850 420 834 186 378 1261 1918 1382
1185 145 659 2658 1829 804 357 554 1034 236 2179 676
1413 2653 481 75 24 1097 2172 931 1026 2464 831 166
2030 1111 947 1158 420 877 930 178 [118?] 980 624 1073
830 1576 1132 2734 240 2533 208 734 1918 226 1042
1144 145 949 625 934 1193 1084 2320 61 466 1450
1930 1080 179 61 891 1058 801 517 996 934 1000 679 481
2396 589 240 22 400 255 577 547 2918 1020 643 226 211
1075 240 431 1238 185 140 433 618 1845 403 625 675

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Kommentare (2)

  1. #1 Jayson Matix
    29. Juli 2014

    dazu müsste man wohl holländisch und frz. können, um das zu entschlüsseln 😀 ggf. Fam. Testa fragen

  2. #2 leah16
    bremen
    21. April 2016

    Hey,

    Ich bin jetzt keine große Expertin in solchen sachen wie Kryptologie. Aber ich finde dieses Thema sehr interessant, deswegen habe ich mir viele Artikel durchgelesen. Als ich mir die vollständig aufgeführten Seiten hier angesehen habe ist mir aufgefallen, dass auf der ersten Seite einige Zahlen unterstrichen sind. Ist schon mal jemand auf die einfache Idee gekommen, dass nur diese unterstrichenen Zahlen eine Bedeutung haben? Ist doch möglich… vieleicht dienen alle anderen Zahlen und Seiten nur dazu, Menschen für die die Nachricht nicht bestimmt ist, zu verwirren?

    Ging mir nur grade so durch den Kopf
    LG Leah16