Im Jahr 1918  veröffentlichte der Schweizer Kryptologen André Langie einen verschlüsselten Text. Dieser ist bis heute nicht gelöst.

Das Buch Cryptographie des Schweizer Kryptologen André Langie (1871-????) ist eine echte Perle. Was zunächst aussieht wie ein 100 Jahre altes, trockenes Fachbuch, entpuppt sich als spannende Anekdotensammlung aus dem Alltag eines versierten Codeknackers. Viele Kapitel erinnern an eine Sherlock-Homes-Geschichte: Langie wird mit einem Fall (sprich einem verschlüsselten Text) konfrontiert. Er versucht, ihn zu lösen, und hat am Ende stets Erfolg. Cryptographie ist 1918 auf Französisch und 1922 in englischer Übersetzung erschienen.

Leider konnte ich bisher nicht herausfinden, wer genau André Langie war. Noch nicht mal sein Todesdatum ist mir bekannt. Offensichtlich spielte er eine Rolle in der “Affaire des Colonels”, aber genauere Informationen konnte ich bisher nirgends finden. Vielleicht weiß ja ein Leser mehr.

Am Ende seines Buchs stellt Langie einen zweiseitige verschlüsselten Text (bestehend aus 1424 Buchstaben) vor. Er gibt an, dieses Kryptogramm mit einem von ihm selbst entwickelten Verschlüsselungsverfahren erstellt zu haben. Dieses Verfahren ist Langies Angaben zufolge neu (aus damaliger Sicht), nicht allzu aufwendig und schwer zu knacken. Mehr ist darüber nicht bekannt. Auch zum Klartext schweigt sich Langie aus.

Hier sind die ersten beiden Zeilen des Kryptogramms (die vollständige Version gibt es hier):

BNHGYKZJ ELKOCWVD ARBGEXDZ
KLVEDEST ABLNYVSG VIWCOCRP

Zweifellos war Langie ein hervorragender Kryptologe. Doch inzwischen ist fast ein Jahrhundert vergangen, und die Verschlüsselungstechnik (einschließlich dem Codeknacken) hat sich weiterentwickelt. Vielleicht ist es heute möglich, dieses Kryptogramm zu knacken.

Eine Häufigkeitsanalyse mit CrypTool zeigt, dass kein Buchstabe eine größere Häufigkeit hat als 8 Prozent. Um eine einfache Buchstabenverteilung kann es sich also nicht handel (das wäre auch schon damals einfach zu lösen gewesen).

Langie-Haeufigkeit

Auch die Buchstabenpaare (Bigramme) sind erwartungsgemäß recht flach verteilt. Die Entropie ist mit 4,64 ziemlich nah am Maximalwert von 4,7 – das entspicht fast einer Zufallsfolge. Hat jemand eine Idee, was hinter diesem Kryptogramm stecken könnte? Vorschäge nehme ich im Diskussionsforum gerne entgegen.

Kommentare (15)

  1. #1 Dave
    11. Dezember 2013

    Es ist durchaus möglich das André Langie da ein eigendes System verwendet hat.

    8er Gruppen und einen 2 Teiler:
    Ich habe mal einen Satz mit ca 500 Zeichen, erst mit Playfair und danach nochmal mit einer Transpositionschiffre hinterher verschlüsselt.

    Jenachdem wie man es verwürfelt kommt man der Entropie von 4,64 sehr nahe.

    Vieleicht hat André Langie sich ja was ähnliches in modifizierter Form ausgedacht.

  2. #2 Peter
    11. Dezember 2013

    Habe mich mal umgesehen.
    Dr. Andre Langie, Lausanne, hat mal in der schweizerischen Landesbibliothek gearbeitet.
    Februar 1902, unter dank aus dem Amt entlassen.
    Anhang Bundesarchiv
    (Vom 18. Februar 1902.)
    Der Bundesrat erteilt dem Assistenten der schweizerischen
    Landesbibliothek, Herrn André L a n g i e , die nachgesuchte Entlassung unter Verdankung der geleisteten Dienste.
    Seite 716
    https://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.do?id=10019955

    • #3 Klaus Schmeh
      12. Dezember 2013

      Danke für den Hinweis.

  3. #4 werner
    11. Dezember 2013

    Und das vollständige (ins Englische übersetzte und mit einigen Druckfehlern versehene) Buch findet sich unter
    https://archive.org/stream/cryptography00lang/cryptography00lang_djvu.txt

    • #5 Klaus Schmeh
      11. Dezember 2013

      Interessant. In dieser Version steht ein Hinweis zum Kryptogramm, der in meiner Ausgabe fehlt: The solution may be obtained from the Marconi International Code Co., Marconi House, London, W.C. 2, or the Marconi International Code Corporation, 2236, Park Eow Building, New York, on receipt of a stamped and addressed envelope.

  4. #6 werner
    11. Dezember 2013

    Update: Als Faksimile erhältlich unter
    https://archive.org/details/cryptographylang00lang

  5. #7 Armin
    11. Dezember 2013

    Laut diesem Zeitungsartikel starb Langie um die Jahreswende 1961/62 in Lausanne, war Kind polnischer Einwanderer, arbeitete u.a. als Kryptograph bei der schweizer Armee und sprach 32 Sprachen!

    https://doc.rero.ch/record/131978/files/1962-01-05.pdf

    • #8 Klaus Schmeh
      12. Dezember 2013

      Danke für den Hinweis. Endlich weiß ich etwas mehr über den Autor dieses wirklich sehr interessanten Buchs.

  6. #9 werner
    11. Dezember 2013

    Marconi macht Sinn, denn die englische Übersetzung ist von J. C. H. MACBETH AUTHOR OF “THE MARCONI CODE,” “MARCONI DICTIONARY,”
    Hat jemand ein Exemplar davon rumstehen ? 😉

  7. #10 werner
    11. Dezember 2013

    Anscheinend gibt es einen Hinweis auf die Lösung in CRYPTOLOGIA aus dem Jahr 1979:
    https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/0161-117991853891?journalCode=ucry20#.Uqi2H-LAHro

    Jemand mit Zugriff auf den Artikel ?

    • #11 Klaus Schmeh
      12. Dezember 2013

      >Jemand mit Zugriff auf den Artikel?
      Ja, ich habe gerade nachgeschaut. Da steht tatsächlich die Lösung. Vielen Dank für den Tipp! Ich werde die Lösung im nächsten Artikel veröffentlichen.

  8. #12 Dave
    12. Dezember 2013

    >Ich werde die Lösung im nächsten Artikel veröffentlichen.<
    Kann die Lösung kaum erwarten.

    Habe gestern den ganzen Tag mit einem Polybios-Chiffre rumprobiert.

    Zum Glück ist das Rätsel schon gelöst, Codeknacken ist sehr interresant, aber auch alles andere als einfach.

    Hoffe irgendwann gelingt es mir mal was zu knacken 🙂

  9. #13 teilzeitastronaut
    13:22
    13. Dezember 2013

    Wenn das nicht SupergenialeKryptologie ist dann fress ich einen Knochen !

    (Vorsicht Spoiler, im letzen Panel steht die Lösung 🙂 )

    https://garfield.com/comic/2013-12-12

  10. #14 Adrian Blaser
    Bern
    17. Oktober 2015

    Das Schweizer Fernsehen hat am 15.10.15 einen Doku-Film mit dem Titel “Der Landesverrat” gezeigt, der die Rolle von André Langie in der Oberstenaffäre darstellt. https://m.srf.ch/sendungen/dok/landesverrat

    Ist auch als dvd im SRF Shop erhältlich.

    • #15 Klaus Schmeh
      17. Oktober 2015

      Danke für den Hinweis. Ein Artikel darüber ist schon in Vorbereitung.