Henry Debosnys (1836-1883) wurde hingerichtet, weil er angeblich seine Frau umgebracht hatte. Er hinterließ mehrere verschlüsselte Texte, die über sein rätselhaftes Leben Auskunft geben könnten, aber nie gelöst wurden. Bisher hat sich erstaunlicherweise kaum jemand mit dieser spannenden Geschichte beschäftigt.

Henry Debosnys (Jahrgang 1836) war ein Franzose, der in den USA lebte. Im Frühling des Jahres 1882 kam er aus Philadelphia per Schiff nach Essex, einem kleinen Dorf am Hudson River im Norden des Staats New York. Debosnys war ein gebildeter Schöngeist, der sechs Sprachen sprach, malte und Gedichte schrieb. Bei Frauen kam er bestens an. In einer Witwe namens Elizabeth Wells fand er innerhalb von Wochen eine Geliebte, die er schon nach kurzer Zeit heiratete. Doch das Glück währte nicht lange. Bereits zwei Monate nach der Hochzeit wurde Mrs. Debosnys tot aufgefunden – erschossen und mit durchgeschnittener Kehle.

Debosnys-Self-Portrait

Die nahezu einzige Quelle zu Henry Debosyns ist das Buch Adirondack Enigma von Cheri L. Farnsworth aus dem Jahr 2011 (aus diesem stammen auch die Bilder, die Originalquelle ist die Brewster Memorial Library). Die Autorin, die im Norden des Staats New York lebt, hat diesen spannenden Kriminalfall recherchiert, nachdem er weitgehend in Vergessenheit geraten war. Hier gibt es einen kurzen Artikel darüber. Vielen Dank an den Zodiac-Killer-Experten Dave Oranchak für den Tipp.

Nach dem Auffinden der Leiche wurde Henry Debosnys festgenommen. Aus dem, was danach kam, ergeben sich zahlreiche Rätsel. Debosnys bestritt die Tat – ob zurecht, ist bis heute nicht klar. Dafür gestand er, dass “Henry Debosnys” nicht sein richtiger Name war. Ob das stimmt, ist ebenfalls ungeklärt. Über seine wahre Identität machte er keine Angaben, angeblich um seine Familie zu schützen. Fest steht, dass Debosnys bereits an seinem vorherigen Wohnort Philadelphia diesen Namen verwendet hatte. Schon vor seiner Ankunft in Essex hatte er mindestens zweimal geheiratet. Seine beiden ersten Exfrauen starben jung und unter merkwürdigen Umständen.

Während seiner Haft fertigte Debosnys zahlreiche Bilder, Gedichte und Texte an. Außerdem bekam er einige Unterlagen aus seinem Besitz ins Gefängnis geliefert. Dadurch ist heute teilweise unklar, welche Werke Debosnys im Gefängnis erstellt hat und welche bereits zuvor. Zu den Unterlagen zählten vier verschlüsselte Texte. Sie sind bis heute ungelöst. Hier ist einer davon (inklusive Selbstporträt, ich werde ihn von nun an als erstes Debosnys-Kryptogramm bezeichnen):

Debosnys-Cryptogram-1

Und hier ist das zweite Debosnys-Kryptogramm:

Debosnys-Cryptogram-2a

Debosnys-Cryptogram-2b

Trotz der keineswegs erdrückenden Beweislast wurde Debosnys für schuldig befunden. 1883 wurde er gehängt.

Nun ergeben sich natürlich spannende Fragen: Lassen sich die verschlüsselten Texte dechiffrieren? Geben sie Auskunft zur Täterschaft Debosnys und zu seinem rätselhaften Vorleben? Bisher hat sich meines Wissens außer Cheri L. Farnsworth, die nach eigenen Angaben nichts von Kryptologie versteht, noch niemand mit den Debosnys-Kryptogrammen beschäftigt. Es gibt daher keine Transkription und keine Textstatistiken. Vielleicht schafft es ja ein Leser, mehr herauszufinden. Im zweiten Teil werde ich das dritte und das vierte Debosnys-Kryptogramm vorstellen. Ich bin schon sehr gespannt auf die Reaktionen meiner Leser.

Zum Weiterlesen: Die ungelösten Codes des mutmaßlichen Frauenmörders Henry Debosnys (Teil 2)

Kommentare (6)

  1. #1 HF(de)
    23. Februar 2015

    Eins muss man ihm lassen: zeichnen konnte er.

    Was auffällt: Nummer eins ist die Rückseite von zwei b. Aber dann fehlt der Anfang von eins, denn es scheinen acht Zeilen durch, nicht nur sechs + Unterschrift H.D.D(ebosnys).

    Damit komme ich zum zweiten, das mir auffällt: In zwei a steht im Klartext H.D.D.L.M.F. — H.D.D. sind seine Initialen, 2b ist “unterschrieben” mit L.M.F. Wer ist L.M.F? reicht er ihr die Hand? Das scheint ja eine Frauen- und eine Männerhand zu sein.

    Recht ausführliche Leseprobe:
    https://books.google.de/books?id=buh1JE-ELjMC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=false

  2. #2 jan
    25. Februar 2015

    Hmm.. Dann versuch ich mich mal bei Transkription des ersten.

    A B C D E F G H I K L M N O A P D L Q
    G R S T U V W X Y Z a b c d U G H S e f U T f g
    h D S i F j k 0′ m n L o p q r s t U F u v w x y H S O
    z 1 i 2 3 h 4 5 6 k 7 8 U F 9 D d A’ B’ C’ D’ Z E’
    H F’ G’ H’ Z I’ D i H S J’ K’ j L’ M’ N’ O’ S S P’ Q’ R’ S D i
    B L d S’ m Z G T’ U’ V’ W’ H S X’ Y’ Z’ Y’

    Für Änderungsvorschläge und Korrekturen/Vereinfachungen bin ich dankbar…

    Anmerkungen:
    Q: (Ende der 1. Zeile) Da die Tilde auch über das ‘x’ geht, habe ich hier nur einen Buchstaben verwendet.
    g: (Ende der 2. Zeile): im Gegensatz zum G am Anfang der 2. Zeile sin die senkrechten Striche gerade, deswegen ein extra Zeichen
    0′: Zur Unterscheidung von kleinem ” L ” und großem ” i ”
    hab ich hier die Ziffer Null eingeführt, zur Unterscheidung vom großen ” O ” mit ” ‘ “

    • #3 Klaus Schmeh
      26. Februar 2015

      Vielen Dank. Das Alphabet ist ziemlich umfangreich. Das sieht mir nach einer schwierigen Sache aus. Durchaus möglich, dass es gar keinen Klartext gibt.

  3. […] Klaus Schmeh ruft nach kryptologischer Hilfe, um vielleicht noch einen Fall aufzuklären, bei dem der mutmaßliche Täter zwar schon tot ist, er aver vielleicht wertvolle Informationen hinterlassen hat, die ihn eventuell entlasten könnten. […]

  4. #5 Chrysan
    10. November 2015

    Meine Gedanken hierzu:

    Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um Verse/Gedichte. Ich neige zu Bibeltexten oder religiösen Schriften. In der Leseprobe von Cheri L. Farnsworth gibt sie ein Gedicht an, bei dem sich Debosnys als Herausgeber? ausgibt. Fakt ist jedoch, dass es sich etwas abgewandelt um eine Textpassage aus
    “The Poetical Works of Thomas Moore von 1842” handelt.
    Hier:

    https://books.google.de/books?id=pEhMAAAAcAAJ&pg=PA31&dq=why+do+we+vainly+weep+at+fate+and+sigh+for+life%27s+uncertain+date&hl=de&sa=X&ved=0CB8Q6AEwAGoVChMIlPW-u4WGyQIVgioPCh2g4QP0#v=onepage&q=why%20do%20we%20vainly%20weep%20at%20fate%20and%20sigh%20for%20life%27s%20uncertain%20date&f=false

    Das Gleiche ist bei dem Satz: “Remember the Maker – a poor friendless in a great distress” – “Gedenke dem Schöpfer…….”. Eine fast wörtliche Passage befindet sich auf Seite 505 der Zeitschrift aus dem Jahre 1826 – “Religious Intelligencer”, wenn man etwas nach unten scrollt:

    https://books.google.de/books?id=CqxVAAAAYAAJ&pg=PA505&dq=remember+the+maker+a+poor+friendless+in+a+great+distressed&hl=de&sa=X&ved=0CB8Q6AEwAGoVChMI6LTC_IKGyQIVBmAPCh3ejgUK#v=onepage&q=remember%20the%20maker%20a%20poor%20friendless%20in%20a%20great%20distressed&f=false

    Das es sich um Verse/Gedichte handeln könnte, zeigen die Bilder des vierten Debosnys-Kryptgramm auf der 2. Seite.

    Das Wort monographe verse = Monographie? Wiki sagt hierzu etwas interessantes: “Die häufigste Form der Monografie ist in der Literatur die Biografie, die auch das Gesamtwerk bzw. die Bedeutung und allgemeine Bewertung eines Künstlers, Schriftstellers oder einer sonstigen für die Öffentlichkeit meist wichtigen Person behandelt.” Ist dieser Text evtl. tatsächlich ein Hinweis darauf, wer er ist?

    Auffällig an diesem Text ist die Versform. Die jeweils ersten beiden Zeilen enden mit dem gleichen Symbol. Es könnte sich dabei um Paarreime handeln.

    Des Weiteren glaube ich, dass H.D.D.L.M.F Debosnys vollständiger Name ist. Es könnte jedoch auch sein, dass die letzten 3 Buchstaben die Initialen seines richtigen Namens sind, mit dem er einer seiner Briefe “unterschrieben” hat.

    Eventuell hilft es bei weiteren Überlegungen!

  5. #6 Nick
    Südharz
    10. November 2015

    Für mich sehen die Aufzeichungen ehr nach bildhaften Darstellungen der Gemütszustände, getroffenen Personen, Aktivitäten und des “Ergebnisses” aus… vorallem mit Hinblick auf seinen Hintergrund.

    Interessante Geschichte.