1934 druckte eine US-Zeitschrift einen verschlüsselten Text ab, den ein Leser in alten Unterlagen gefunden hatte. Die Lösung ist nicht bekannt. Findet sie ein Leser?

Die US-Zeitschrift Adventure galt als “Pulp Magazine” (“Schund-Magazin”). Sie druckte vor allem Geschichten ab, wie man sie aus Groschenromanen kennt, daneben gab es auch nichtfiktive Inhalte. In den Hochzeiten von Adventure gingen pro Ausgabe über eine Million Exemplare über die Ladentheken. Viele lasen das als seicht geltende Blatt, gaben es jedoch nicht zu – wie heute bei der Bild-Zeitung. Über 60 Jahre gehörte Adventure zu den bekanntesten US-Zeitschriften, bevor das Magazin 1971 schließlich eingestellt wurde. Noch heute gibt es Adventure-Fans, die einen gewissen Kult um die einst geliebte und gehasste Zeitschrift treiben.

Adventure

Eine beliebte Kolumne in Adventure nannte sich “Ask Adventure”. Darin konnten Leser Fragen stellen, die von Experten beantwortet wurden. In der Ausgabe vom Juli 1934 (Seite 124) fragt ein Leser namens T. F. Ridell aus Champaign (Illinois), wie er einen verschlüsselten Text entschlüsseln kann, den ein Freund von ihm in alten Unterlagen gefunden hat. Es handelt sich dabei um eine Folge von Zahlen, die mit Tinte auf Briefpapier geschrieben sind. Diese Zahlenfolge sieht wie folgt aus:

942293906259174689397998395946
345881905863899824252317537919
637962463489466213872262807539

Die Antwort kommt von einem Adventure-Experten namens Francis H. Bent. Er schreibt: “Leider kann ich Ihnen bei diesem Code nicht weiterhelfen.” Anschließend empfiehlt Bent, das Kriegsministerium, das FBI oder das Polizei-Labor in Chicago anzuschreiben – vielleicht wisse dort jemand mehr.

Zweifellos wirkt die Antwort des angeblichen Experten etwas unbefriedigend. Allerdings dürfte es nicht ganz einfach sein, diese Zahlenfolge zu entschlüsseln – wenn es sich überhaupt um eine Verschlüsselung handelt. Vielleicht findet ja ein Leser einen Ansatz. Übrigens wurde dieses Adventure-Kryptogramm auch in der Fachzeitschrift Cryptologia (Ausgabe 1988/4) abgedruckt, ohne dass jemand eine Lösung eingesandt hätte. Da mir nur der Cryptologia-Artikel vorliegt, wäre ich außerdem am Original aus Adventure interessiert, falls jemand dieses auftreiben kann.

Immerhin ist es meinen Lesern schon einmal gelungen, ein kryptografisches Rätsel zu lösen, das zuvor erfolglos in der Cryptologia veröffentlicht wurde. Die Rede ist vom Action-Line-Kryptogramm. Ich fände es toll, wenn sich dieser Erfolg wiederholen ließe.

Zum Weiterlesen: Eine ungelöste Verschlüsselung aus den zwanziger Jahren

Kommentare (4)

  1. #1 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/01/25/kryptoverbote/
    11. April 2015

    Vorbemerkung: Ich habe nahezu Null Ahnung von Verschlüsselung, kenne gerade mal XOR, Cäsarchiffre/rot13 und die Idee Ersetzungstabellen mit statistischen Analysen auf die Schliche zu kommen und so 2, 3 Sachen, die jeder Laie kennt.

    Das sind 90 Zeichen und ich nehme an, dass die Handschrift auch in 3 Zeilen zu 30 Zeichen aufgeteilt ist. Das könnte ein Zufall sein, aber es könnten auch immer 3 Ziffern übereinander zusammengehören. Um abzuschätzen, ob es eine durchgehende Ziffernkette von 90 Zeichen ist, wäre das Originaldokument nicht uninteressant, ob es etwa nicht mehr Platz böte als für 30 Zeichen und gerastert ist.

    90 ist durch die Primfaktoren 2,3,3,5 darstellbar, so dass sich viele Gruppen bilden ließen. Die 9 taucht am häufigsten auf, 18x, und die 0 am seltensten, 3x.

    Diese Unterschiede deuten eine Redundanz der Codierung an, die nicht zufällig wirkt.

    Wenn man Zahlenpärchen bildet aus nebeneinander stehenden Ziffern erhält man viele Pärchen mehrfach:

    (List(7, 5),1)
    (List(2, 5),1)
    (List(1, 9),1)
    (List(9, 3),1)
    (List(2, 4),1)
    (List(1, 3),1)
    (List(8, 7),1)
    (List(9, 4),1)
    (List(5, 3),1)
    (List(8, 1),1)
    (List(8, 0),1)
    (List(2, 3),1)
    (List(9, 0),2)
    (List(5, 9),2)
    (List(6, 3),2)
    (List(5, 8),2)
    (List(9, 8),2)
    (List(2, 2),2)
    (List(3, 4),2)
    (List(1, 7),2)
    (List(3, 9),3)
    (List(7, 9),3)
    (List(8, 9),3)
    (List(6, 2),4)
    (List(4, 6),4)

    wobei ich eine strikte Interpunktion vorgenommen habe, also 9422 erzeugt die 2 Pärchen 94 und 22, nicht 94, 42, 22.

    Ich weiß nicht, ob das jmd. weiterbringt – mich nicht. 🙂

    Ich habe nach obiger Methode auch Tripel gebildet, aber da gibt es keine Wiederholungen mehr.

    Da 10 Ziffern etwas wenig sind um 23 Zeichen abzubilden, 100 Zahlen, falls Pärchen verwendet wurden, aber zu viele, stehe ich schnell auf dem Schlauch.

    • #2 Klaus Schmeh
      11. April 2015

      Danke, das ist ja schon einmal ein Anfang.

  2. #3 Norbert
    22. April 2015

    Keine Lösung, nur ein paar Anmerkungen (und für die Profis hier vermutlich kalter Kaffee):

    Es wäre bestimmt sehr interessant, die entsprechende Originalausgabe von Adventure zu lesen, nicht nur aus den von Stefan Wagner beschriebenen Gründen. Vielleicht ist da mehr über die Rahmengeschichte zu erfahren. Hat der ominöse Bekannte den Zettel unter alten Liebesbriefen in Papas Nachlass gefunden oder in der Ablage “Börsen-Insidertipps”? Infos dieser Art könnten wichtige Anhaltspunkte für eine Entschlüsselung liefern. Wie glaubwürdig ist eigentlich die ganze Geschichte? Dass der Nachname des Einsenders, Ridell, eine auffallende Ähnlichkeit mit “Riddle” (Rätsel) hat, macht mich persönlich etwas misstrauisch …

    Ich habe, als Ergänzung zu der Untersuchung von Stefan Wagner, die 90 Ziffern auf mehrmaliges Vorkommen von Pärchen untersucht, ohne von vorneherein immer zwei und zwei zu nehmen. Der Computer meldete 40 Fundstellen an geraden Indizes und 23 an ungeraden (die erste Ziffer hat wie bei Computerprogrammen üblich den Index Null). Letztere Anzahl (23) liegt absolut im Rahmen dessen, was man auch bei 90 Ziffern aus dem Zufallsgenerator erwarten kann (ich hab’s ausprobiert), aber das erste Ergebnis (40) ist signifikant höher. Das spricht m.E. tatsächlich für die Annahme, dass hier jeweils zwei Ziffern zusammen eine Chiffre bilden könnten.

    Wenn wir also dies einmal zur Arbeitshypothese machen, kommen wir auf einen im Geheimtext benutzten “Zeichenvorrat” von 25 verschiedenen Ziffernkombinationen (nämlich alle diejenigen, die Stefan Wagner in seinem Post aufgelistet hat). Spontan könnte man annehmen, dass diese für 25 verschiedene Buchstaben stehen, aber das wäre äußerst unwahrscheinlich: bei einer angenommenen Klartextlänge von 45 Buchstaben liegt bei englischen Normaltexten der zu erwartende Zeichenvorrat offenbar bei durchschnittlich etwa 16-17 Zeichen. Es sind mal mehr, mal weniger, aber bei meinen Untersuchungen von englischen Texten bin ich nie über 21 hinausgekommen.

    Auch wenn die Art des Klartextes völlig unbekannt ist, ist die Annahme wesentlich plausibler, dass zumindest in einigen Fällen mehrere verschiedene Ziffernkombinationen für ein und dasselbe Klartext-Zeichen existieren. Daher tippe ich auf eine “homophone Verschlüsselung”, so ähnlich wie das Beispiel auf https://de.wikipedia.org/wiki/Homophone_Verschl%C3%BCsselung

    Wenn diese Annahme aber stimmt und der Schlüssel etwas taugt, stehen die Chancen, bei nur 45 “Zeichen” Geheimtextlänge den Sinn herauszufinden, m.E. so ziemlich bei Null. Es sei denn, es wurde einfach eine Beispielverschlüsselung aus einem damaligen Chiffrier-“Lehrbuch” unverändert übernommen und jemand findet das heraus 😉

    Eine Sache, die mir noch erwähnenswert scheint, betrifft die einzige doppelt vorkommende Vier-Ziffern-Kombination “4634”. Wenn wir annehmen, dass 46 und 34 für jeweils einen Buchstaben stehen, hätten wir also die Kombination von zwei Buchstaben, die in der gleichen Reihenfolge doppelt im Klartext vorkämen. Das häufigste Bigramm in der englischen Sprache ist “th”. Wenn – und unter den gegebenen Umständen ist das eine sehr vage Annahme – wenn also “46 34” für “TH” stünde, gäbe es eine Besonderheit. T ist der 20. Buchstabe im Alphabet und H der achte. Differenz: 20-8 = 12. Die Differenz von 46 und 34: ebenfalls 12. Das könnte dafür sprechen, dass einige aufeinanderfolgende Buchstaben auch mit aufeinanderfolgenden Zahlen kodiert wären (also 34 = H, 35 = I, 36 = J usw.). Im einfachsten Falle wäre dann von 27 = A bis 52 = Z alles schön aufgereiht. Dummerweise kommen aus dem Bereich 27-52 aber nur drei verschiedene Zahlen im Geheimtext vor, das sind außer 34 und 46 nur noch die 39 (die nach dieser Annahme für M stehen müsste). Das reicht nicht für eine Überprüfung der Annahme, und um ehrlich zu sein: eine derartige Regelmäßigkeit im Rahmen einer homophonen und damit recht aufwendigen Verschlüsselung wäre eine ziemliche Dummheit des Chiffrierers.

    Mehr habe ich herausfinden können. Ein Wörterbuchangriff wäre denkbar, aber angesichts der Kürze des Textes und bei einer angenommenen homophonen Verschlüsselung mühselig und wenig erfolgversprechend. Mein Gefühl (auch angesichts dessen, dass niemand eine Lösung gepostet hat) ist: Es ist entweder professionell chiffriert, und dann kaum oder gar nicht zu knacken, oder es ist ein Hoax 😉

    • #4 Klaus Schmeh
      22. April 2015

      Danke für diese ausführliche Analyse. Es sieht also eher schlecht aus, was das Dechiffrieren dieses Kryptogramms anbelangt. Ich befürchte, dass in der Adventure-Ausgabe auch nicht mehr steht, aber es wäre zumindest ein Versuch wert.