Ein belgischer Gelehrter schlug vor 400 Jahren ein möglicherweise revolutionäres Navigationsverfahren für die Seefahrt vor. Ob es etwas taugte, weiß man nicht, denn die Beschreibung ist verschlüsselt und ungelöst.

Google sei Dank bin ich vor ein paar Tagen auf ein faszinierendes Krypto-Rätsel gestoßen, das in der Krypto-Literatur bisher nirgends erwähnt wird.

Es geht um einen verschlüsselten Text, den der belgische Gelehrte Michael Florent van Langren (1598-1675) verfasst hat. Van Langren (auch als Langrenus bekannt) schlug im Jahr 1644 ein Verfahren vor, mit dem die Besatzung eines Schiffs auf See den Längengrad bestimmen konnte. Wer das Buch Längengrad von Dava Sobel gelesen hat, weiß, was das bedeutet. Während man den jeweiligen Breitengrad am Stand der Sonne recht einfach ermitteln kann, war die Bestimmung des Längengrads auf dem Meer über Jahrhunderte hinweg nur sehr ungenau möglich. Dies führte immer wieder zu katastrophalen Fehlnavigationen.

In den seefahrenden Nationen suchte man daher verzweifelt nach einer geeigneten Längengrad-Methode und lobte teilweise hohe Belohnungen aus. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts gelang es schließlich, ein praktikables Verfahren zu entwickeln. Es erforderte eine sekundengenaue Uhr, wie man sie damals erstmals bauen konnte.

Van Langrens Vorschlag zur Längengrad-Bestimmung aus dem Jahr 1644 basierte auf einer genauen Beobachtung der Mondoberfläche. Hätte die Methode funktioniert, wäre der Belgier damit in die Geschichte eingegangen. Allerdings erwies sich das Verfahren als unpraktikabel, und so bereicherte van Langren lediglich die lange Liste der Längengrad-Fehlschläge. Immerhin: Zusammen mit seiner Methode präsentierte er die früheste bekannte statistische Grafik. Sie zeigt die Entfernungen verschiedener Städte zwischen dem Nullmeridian (dieser verlief damals durch Toledo in Spanien) und Rom.

Langren-01

Laut der Web-Seite, auf die ich vor ein paar Tagen gestoßen bin, hat Langren noch ein weiteres Verfahren zur Längengrad-Bestimmung entwickelt. Dieses teilte er dem spanischen Königshof in einem verschlüsselten Brief mit (ich werde die Bezeichnung “Langrenus-Kryptogramm” dafür verwenden). Dieser Brief ist erhalten geblieben, das Langrenus-Kryptogramm ist jedoch anscheinend ungelöst.

Langrenus-Cryptogram

Hier ist eine Transkription (sie stammt von derselben Web-Seite):

ImIeV9  ap3Apa  Ihrr5e  tlSmeIf9  5lesEortEr  5e  eadnu9c  Rtl9e9T  omgupea  Nſnnd  cAlveMa
dfneagL  p9rIir5  rEant  tdTeo9Im  nc5T9t  noqCtuN  veroQn  nnmEef  alarRl  9kIe  raIman
Me4tn  eqtIu  u4xV  eu  ulriqDa  ſuVne  etſelId  ſe5tſ  couAu  9ſ9Vldu  lir5te  Tce4o  vEe7oſnE
i5uameg  Ebſe  lodRa  9ebtſl  Sa95u  rVcmai  AenprIt  a9dL3do9  9nRt  e3enqQe  cun5ef
Etſot  dEr  5emus  Oeacdſae  5ucſoMe  e9lrrI9  acnuoEd  umr92  L5d9a5  eI9cnai  dnneNt  t4pAIeai
gPrmrO  e5e  VnſzbmF  oaenſeS5  uſlOnt  teoDe  p9noIl  l9lo  Enen  trEge59  cut  To  9uned
V9neq  ItduLau  Deum  NamDe  nEerEmſ9  9LmdVl  eR99mEe  e5nOu  rdTd9  oOedu
I9oVa5  nqnp  ntEaE  eerlVrt  lLrT9  5etoſ  Y9ntl  Sfrnae  eG9a6  rſaiIau  uulAnoTtp  9qVe  ruIcſeT
t9pOu  erE9  leLſln  Ecedo  EſrNn  eMeſu  3Nove  Ar9ſ  VmdtS  qcVeueEd  oVn9nufu  R9fenPe
utrTl  5eAten  Aftca  qTe9u  prSa  a5trOl  rle5ef  hRſ95  eDluſ  Iert5  eoVa  ſ9qc  lS  u  elalet
eſ9Oſd  qtuuef  eſ9pero  tmuaaru  mumeuen  yſtdm  aeeuNr  9tlne  eſnmſt  pTdaſ  9n3t  taMe
qnſutu  euDalnſa  depesE  rſeedtm9  l9tVe5e  ſrſaeu  H9uia  aſnſet  tReſrc  ſe  eomſ9p  ſtAle  v9du
Qdc95  3dLloe  eu5ale  uea4Rrfe  ſ9l5na4  dAme  5nnr  neoeſR  nrtcaro  oe7uſOn  uuoer9r  pſtc
tEn9e  rnresEa  aoplna  afrſa  lSe9  Eecrſoae  nTfſ4l  teoolLt  9atlq  elnr  eeuſlCn  elune  e3frLo  97mneb
9tE9r  teaena  aduNue  ſ4tſ9Ve  ytm  ccpaNe  ſnled9  lCln  ladXedr  ſS9eſ  tſe5u  uepuIſ  p9todNo
re9tnl  etlpLe  eaeſ  rqeEurua  aeE9alau  qCnmu  te5Snſ  lom9t  Ce5em  gRoeenr  dPl9ea
dNq9  9nTſeos  nyMed  4ru9al  ec9uoeE  Inuold  ue  uurdeD.

Da ich dieses Kryptogramm erst seit ein paar Tagen kenne, kann ich leider nicht dafür garantieren, dass die ganze Geschichte stimmt und dass die Lösung tatsächlich bisher unbekannt ist. Hinweise aller Art nehme ich gerne entgegen.

Zum Weiterlesen: Top-25 der ungelösten Verschlüsselungen – Platz 11: Bellasos Aufgaben aus dem 16. Jahrhundert

Kommentare (5)

  1. #1 Norbert
    10. Oktober 2015

    Den ersten Buchstabenblock kann man als Anagramm von “Miguel” lesen, wenn der dritte Buchstabe ein kleines L ist, und “V” für u sowie “9” für g stehen (jeweils große Ähnlichkeit der Symbole).

    Miguel ist Langrens Vorname auf Spanisch. Der auf der angegebenen Website verlinkte Text von Miguels “La Verdadera longitud” beginnt ebenfalls mit “Migvel” (mit v).

    • #2 Klaus Schmeh
      10. Oktober 2015

      Interessant. Auf jeden Fall ist gleich das erste Wort falsch transkribiert. Das zweite I (wie Ida) müsste ein l (wie ludwig) sein.

  2. #3 Tony
    London
    10. Oktober 2015

    Full name is Miguel Florencio Van Langren,
    I think it’s individual word anagrams written backwards –
    with 3=c 7=g 9=i and allowing for printer errors the start of line 15 (going backwards) –
    ben/m79 oLrf3e
    is possilby
    miguel florencio

  3. #4 schorsch
    12. Oktober 2015

    Auch wenn verschiedene Wikipedias anderes behaupten, ist Langrens Graph weder statistischer Natur, noch zeigt er gar den Abstand verschiedener Städte zu Rom und Toledo. Lustig, wie der hier offenbar zitierte Wikipedia-Autor die damals kanonischen Koryphäen der Astronomie und Geographie Mercator, Regiomontanus, Ptolemäus, Tycho Brahe etc. als ‘Städte’ einordnet. “Aber da ist doch Landsberg drauf! Das ist doch eine Stadt!” Nö, in dem Fall ist’s der belgische Astronom Philippe van Lansberge.

    Langren zeigt in seinem kleinen Kartenausschnitt, auf welchem Längengrad nach der Berechnungsmethode bzw. Darstellung dieser Koryphäen die Stadt Rom östlich von Toledo liegt – Was ein Wirrwarr (que es una confusion)!

    Im Gegensatz dazu steht seine Methode, mit der er sich bereits 1632, also im besten Rentenalter, um die 1598 von Philipp II von Spanien ausgesetzte Pension von 6.000 Dukaten jährlich für die korrekte Längengradbestimmung bewirbt.

    Man kann daher davon ausgehen, dass bestimmte Schlüsselbegriffe aus seiner Bewerbung von 1632 sich auch im verschlüsselten Teil seines wiederholten Bewerbungsschreiben von 1644 wiederfinden: longitud(ines), distancia, navegation, equator, meridiano, zenithes… Auch andere astronomische Begriffe wie eclypses, paralaxia, terrestris und natürlich Luna sind zu erwarten – alles Begriffe, die ich beim besten Willen nicht als Anagramme im Chiffrat wiederfinde.

    Auffällig ist auch, dass, unabhängig davon, wie man die Wortgrenzen zieht (die Leerzeichen scheinen mir der Verschleierung zu dienen) oder die Buchstaben verwürfelt, kein einziger Begriff im Chiffrat sich augenscheinlich wiederholt. Ich denke daher, dass eine einfache Buchstabenersetzung, auch kombiniert mit Anagrammen, als Verschlüsselung hier ausscheidet. Auch der von Norbert gelesene ‘Miguel’ am Beginn scheint mir wenig zielführend, denn von wem die Bewerbungsunterlagen stammen, dürfte dem Leser bereits beim Lesen des Einbandes klar werden. Vom verschlüsselten Text würde ich reine Sachinhalte erwarten (allenfalls versehen mit der notorischen Würdigung seiner Magnifizienz Philipp IV).

  4. #5 schorsch
    12. Oktober 2015

    Eine Sache ist mir noch aufgefallen, die durchaus für eine einfache Verwürfelung sprechen könnte: Das gleichzeitige Vorkommen von s und ſ. Da beide Zeichen normalerweise völlig gleichbedeutend sind, würde ich sie eigentlich nicht gemeinsam in einer Buchstabenersetzung erwarten. Wenn man andererseits auf Bleisatz angewiesen ist, wird man mit den Zeichen arbeiten, die man vorfindet, da mögen s und ſ dann für völlig verschiedene Zeichen stehen.