Der Schwerkriminelle Petras Dominas gab mit seinen Verschlüsselungen der Polizei Rätsel auf. Am Ende fand ein anonym gebliebener Codeknacker die Lösung.

Anfang der Sechziger-Jahre hielt eine Serie von Raubüberfällen in Nordrheinwestfalen und Umgebung die Öffentlichkeit in Atem. 1964 kam es in Lünern bei Unna sogar zu einem Raubmord an einem Gastwirt-Ehepaar. Kurz darauf konnte die Polizei die Täter nach einem Überfall auf einen Juwelier in Amsterdam festnehmen.

Als Kopf der Verbrecherbande erwies sich der gebürtige Litauer Petras Dominas (damals etwa 35 Jahre alt). Dominas wurde von allen Beteiligten als hochintelligent beschrieben. Er sprach mehrere Sprachen und hatte ein gutes Gedächtnis. Seine Raubzüge funktionierten einige Jahre glänzend und gaben der Polizei Rätsel auf. Der Wert der Gesamtbeute wurde auf etwa 1,25 Millionen Mark geschätzt. Hätte sich Dominas irgendwann mit seiner Beute zur Ruhe gesetzt, wäre er vielleicht davongekommen, doch stattdessen setzte er seine Raubserie so lange fort, bis ihm die Polizei auf die Schliche kam.

Die Verschlüsselungen

Bereits 1959, als Dominas wegen früherer Delikte vor Gericht stand, hatte die Polizei bei ihm verschlüsselte Notizen gefunden. Nach seiner erneuten Verhaftung kamen zahlreiche weitere dazu. Leider ist mir zu diesen Verschlüsselungen bisher nur eine Quelle bekannt: ein Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1966 (danke an den Leser Horst für den Hinweis darauf). Dieser Artikel enthält zudem die einzige Abbildung der Dominas-Verschlüsselung, die mir bekannt ist:

Dominas-Cipher

Das Schriftbild ähnelt einer Kurzschrift. Dies fiel auch der Polizei auf, doch sie konnte die Notizen von Dominas nicht entschlüsseln. Dabei gab es genügend Analysematerial, denn Dominas hatte stapelweise Aufzeichnungen angefertigt. Eine Beschreibung des Verfahrens fand sich dagegen nirgends.

Bei der Suche nach der Lösung zogen die Ermittler erst das Bundeskriminalamt zu Rate, dann fragten sie einen Kurzschrift-Experten – ohne Erfolg. Genausowenig konnten Fachleute für Arabisch, Hebräisch oder Geheimtinten helfen. Auch Recherchen in den Gefängnisbibliotheken, zu denen Dominas Zugang gehabt hatte, brachten keine heiße Spur.

Aus heutiger Sicht ist klar, dass sich die Polizisten an die falschen Leute wendeten. Die mit Abstand kompetenteste deutsche Organisation in Sachen Verschlüsselung war damals die Zentralstelle für das Chiffrierwesen (ZfCh) in Bonn, die später in das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) umgewandelt wurde. Die Existenz dieser geheimdienstlichen Einrichtung war damals jedoch nur wenigen bekannt.

Auf Umwegen landeten die verschlüsselten Notizen von Dominas am Ende dennoch bei der Zentralstelle für das Chiffrierwesen. Im Spiegel-Artikel wird diese fälschlicherweise als “Dienststelle für Chiffrierwesen” bezeichnet – vermutlich hatten die Verantwortlichen aus Verschleierungsgründen einen falschen Behördennamen an die Presse weitergegeben. Immerhin ist dies einer der sehr seltenen Fälle, in denen die im Geheimen arbeitende Chiffrier-Behörde öffentlich erwähnt wurde.

Bei der ZfCh schaffte es ein Mitarbeiter, den Code zu knacken. Dies war sicherlich auch für einen erfahrenen Dechiffrierer eine schwierige Aufgabe, denn die Geheimschrift enthielt etwa 1000 unterschiedliche Zeichen. Über vier Monate dauerte es, bis der namentlich nicht bekannte Codeknacker Erfolg hatte.

Laut Spiegel-Artikel enthielt der ermittelte Klartext tatsächlich interessante Informationen. Neben Beschreibungen von Raubüberfällen fanden sich darin auch Angaben, die eine mitangeklagte Rechtsanwältin belasteten. Dominas selbst, der anscheinend nicht damit gerechnet hatte, dass sein Code je gelöst werden würde, behauptete dagegen, es handle sich nur um Notizen für einen geplanten Kriminalroman.

Wer weiß mehr über diesen Fall?

Viel mehr als ich in den letzten Absätzen geschrieben habe, weiß ich über die Verschlüsselungen Dominas’ leider nicht. Wie viele verschlüsselte Aufzeichnungen Dominas angefertigt hat, was genau drin stand und ob diese Inhalte vor Gericht eine Rolle spielten, ist mir nicht bekannt. Außerdem kenne ich keine Details des Verschlüsselungsverfahrens. Das obige Bild ist der einzige Scan, der mir vorliegt.

Ich habe vor einiger Zeit die Presseabteilung der Staatsanwaltschaft in Dortmund (dort wurde der Fall verhandelt) angemailt, um mehr zu erfahren, doch ich erhielt keine Antwort. Ich  habe außerdem Otto Leiberich, den (inzwischen leider verstorbenen) Ex-Präsidenten der Zantralstelle für das Chiffrierwesen gefragt, doch er konnte sich an keine Details erinnern. Im Internet findet man ein paar weitere Artikel über Dominas, in denen jedoch die Verschlüsselungen nicht erwähnt werden.

Falls jemand mehr über die Verschlüsselungen des Petras Dominas oder über dessen weiteres Schicksal nach dem Prozess weiß, würde mich das sehr interessieren. Falls jemand im obigen Bild etwas erkennen kann, wäre ich ebenfalls über eine Mitteilung dankbar.

Zum Weiterlesen: Codeknacker auf Verbrecherjagd, Folge 1: Wie das FBI den Code eines Kindermörders knackte

Kommentare (3)

  1. #1 Klaus Schmeh
    21. November 2015

    Kommentar von Richard SantaColoma über FaceBook:
    … about 1,000 characters!? It is surprising that the method and answer is not published. Good luck finding out more.

  2. #2 BreitSide
    Beim Deich
    21. November 2015

    Dominas hätte ich eher im Rotweinviertel vermutet: https://shop.castell.de/index.php/weinsuche/rotwein/domina.html

    Sorry, das war ja ein Elfmeter für einen Kalauer 🙂

  3. #3 Neromain
    Frankfurt am Main
    18. November 2018

    Dominas wurde 1967 zu lebenslanger Haft verurteilt und starb einige Jahre später in Haft an Krebs.