Damit wäre das Rätsel an sich gelöst, denn gefragt hatte ich ja nur, ob (bzw. wie) man Annas Chance auf die Million über 50% heben kann, und das leistet die Z-Strategie auf jeden Fall. Einige Kommentatoren haben sich aber zu Recht gefragt, ob die Z-Strategie für Anna eigentlich optimal ist, und was Bernds optimale Reaktion darauf ist, und wie hoch Annas maximale Gewinnchance demnach gegen den klugen Bernd ist.

Dazu kann man folgendes überlegen: Wenn Anna die Z-Strategie spielt und Bernd das wie üblich antizipiert, dann wird Bernd, der seine eigene Gewinnchance maximieren, also Annas Gewinnchance minimieren will, danach trachten, die Wahrscheinlichkeit, dass Z in Annas “Gewinnbereich” fällt, möglichst klein zu machen. Das erreicht er dadurch, dass er jedenfalls ein Zahlenpaar (X,X+1) wählt. Bernd möchte aber auch keine reine Strategie (also kein fixes Zahlenpaar) spielen, denn das könnte von Anna antizipiert werden. Er könnte also z.B. das X in seinem (X,X+1)-Paar zufällig (gleichverteilt) zwischen 1 und 999 wählen, genau wie Anna ihr Z. Nennen wir das die X-Strategie. Einfach ausgedrückt wählen also Anna und Bernd ein Z bzw. ein X gleichverteilt zwischen 1 und 999, und wenn X = Z, dann gewinnt Anna die Million, ansonsten bleibt es bei der 50% Chance für jeden. Annas Vorteil bleibt also bestehen, ist aber ziemlich klein. Ihre Gewinnchance beträgt hier 500/999, was etwa 50,05% entspricht.

Kann Anna noch besser abschneiden, gegeben Bernd spielt die X-Strategie? Offenbar nicht, denn jedes X ist gleich wahrscheinlich. Kann Bernd noch besser abschneiden, gegeben Anna spielt die Z-Strategie? Offenbar ebenfalls nicht, aus demselben Grund. Wir haben also ein Paar von Strategien gefunden, die aufeinander jeweils optimal reagieren – in der Spieltheorie nennt sich sowas ein Nash-Gleichgewicht.

Könnte es aber nicht noch andere Nash-Gleichgewichte geben? Tatsächlich gibt es zwar im allgemeinen Konstantsummenspiele mit mehreren Gleichgewichten. Aber das ändert nichts an der Lösung, denn in Konstantsummenspielen ergeben alle Gleichgewichte dieselben erwarteten Auszahlungen, in unserem Fall dieselben Gewinnchancen. Annas Gewinnchance gegen den klugen Bernd beträgt also tatsächlich maximal 500/999.

 

PS: Dieses Spiel ist eine Variante des sogenannten Zwei-Zettel-Spiels, in dem die Zahlen, die Bernd wählen kann, eigentlich unbeschränkt sind. Auch dort funktioniert eine Art Z-Strategie für Anna, wenngleich es natürlich keine Gleichverteilung mehr sein kann. Aber dort gibt es dafür keine “optimale” Strategie wie in unserem Fall. Details dazu in der Wikipedia.

PPS: Meine in Annas Gedankengang versteckte Behauptung “Aber ich kenne Bernd, er ist klug und wird sicher nicht die 1 auf einen Zettel schreiben” war ein Versuch der Irreführung. Doch meine Kommentatoren, die ebenfalls klug sind, haben sich davon nicht beirren lassen…

PPPS: Zum Gewinner erkläre ich hiermit Lercherl, der/die sich auch nicht durch meine gezielte und wiederholte Irreführung beeindrucken ließ. Lercherl kam, sah und siegte, und zwar schon im dritten Kommentar, ließ sich allerdings später nie wieder blicken und verriet auch nicht wirklich, wie er auf seine Lösung kam. Außerdem hat er/sie Annas optimale Strategie nicht wirklich erklärt. (Obwohl aus dem Kontext dann doch erschlossen werden kann, welche wohl gemeint ist.) Deshalb erkläre ich den harten und später ebenso erfolgreichen Rätsler-Kern, bestehend aus Karl-Heinz, Joker und Dr. Webbaer hiermit zu Ko-Siegern. Gratulation und herzlichen Dank!

 

 

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Kommentare (16)

  1. #1 Lercherl
    13. Januar 2016

    Jauchzet, frohlocket! Der Gewinn freut mich wirklich sehr!

    Ich habe mich nach meinen beiden Kommentaren ganz am Anfang nicht mehr blicken lassen, das ist richtig. Ich hatte relativ bald den Eindruck, dass kaum mehr signifikant neue Erkenntnisse dazukamen, und habe dann aus Zeitgründen die Diskussion nicht mehr im Detail verfolgt. Ich hatte zu meiner Lösung auch nicht mehr viel dazuzusagen.

    Wie bin ich zu meiner Lösung gekommen? Mir war relativ bald klar, dass die Randfälle Bernd einen Nachteil bescheren. Für ein analoges Problem mit kleineren Intervallen statt 1 bis 1000 kann man das durch Abzählen relativ leicht ausrechnen:

    Intervall (1,2): Anna gewinnt immer.
    Intervall (1,2,3): Anna gewinnt in 75% der Fälle
    usw.

    und am anderen Ende:

    Intervall (-unendlich, unendlich): hier ist leicht zu sehen, dass Anna und Bernd exakt gleiche Chancen haben, egal wie sie spielen.

    Daraus ergibt sich, dass Bernd danach trachten muss, den Anteil der Randfälle möglichst gering zu halten, was sich durch die zufällige Wahl von Paaren mit Differenz 1 und das leicht konterintuitive Beharren auf Akzeptieren von Zufallspaaren (1,2) und (999,1000) realisieren lässt.

  2. #2 Karl-Heinz
    13. Januar 2016

    @Ulrich Berger
    Danke für die Auflösung und ausführliche Erläuterung
    Lg Karl-Heinz

  3. #3 Lercherl
    13. Januar 2016

    Nachtrag:

    Statt dem beidseitig unendlichen Intervall ist ein Problem mit zyklischen Randbedingungen (also z.B über den Restklassen modulo 1000: per definitionem 999 < 1000 und 1000 < 1) vielleicht zur Illustration besser geeignet (gleichverteilte Zufallszahlen auf einem unendlichen Intervall sind nicht wirklich definiert). Hier fallen die Randpaare weg und damit Bernds Nachteil.

    • #4 Ulrich Berger
      14. Januar 2016

      Das wäre aber schwierig zu spielen, weil dann 1 < 1000 < 1 wäre... Außerdem stimmt dieser "Grenzübergang" nicht. Auch bei unendlich vielen Zahlen zur Auswahl gilt: Solange Anna eine Verteilung spielt, die nirgendwo verschwindet, ist ihre Gewinnchance größer als 50%.

  4. #5 Dr. Webbaer
    14. Januar 2016

    Liest sich gut, schön zusammengefasst, danke.
    Ein sehr nettes Problem!

    @ Lercherl :
    Das hier war sehr “orthogonal” vorgetragen und der sofort gekommene Einwand konnte nicht durch den Hinweis entkräftet werden, dass dann ‘neue Randpaare’ sozusagen zwingend entstehen würden.
    Zudem mangelt es an Erklärung, warum Bernd gleichverteilt alle Konnektoren spielen sollte, und an Überlegung zu Annas Strategie.

    Ansonsten ist Ihr Kommentatorenfreund ebenfalls Intervalle der Größe 2 betrachtend und iterierend auf die Lösung gekommen, N kann nicht geschlagen werden, korrekt,
    MFG
    Dr. W (der natürlich nichts gegen die offizielle Lösung hat, abär immer noch ein wenig daran nagt, ob Bernd nicht (aus praktischen Gründen) die Konnektoren (501,502) bis (998,999) spielen sollte, auch um anderen Gewinnstrategien Annas (“bei 501 und größer stehen bleiben, ansonsten wechseln”) vorzubeugen)

  5. #6 Karl-Heinz
    14. Januar 2016

    @Lercherl

    Danke für deine Erklärung.
    Habe schon ein bisschen gerätselt, wie Du die richtige Lösung so einfach aus den Ärmel geschüttelt hast 😉

    Lg Karl-Heinz

  6. #7 Dr. Webbaer
    14. Januar 2016

    Sr, Karl-Heinz, was Kommentatorenfreund ‘Lercherl’ zu ergänzen wusste, war unzureichend.
    Vielleicht meldet sich der Laureat ja noch,
    MFG
    Dr. W

  7. #8 Dr. Webbaer
    14. Januar 2016

    @ Herr Berger :

    Auch bei unendlich vielen Zahlen zur Auswahl gilt: Solange Anna eine Verteilung spielt, die nirgendwo verschwindet, ist ihre Gewinnchance größer als 50%.

    Die Erwartung Annas ginge dann gegen 0,5 – wäre nicht anders als per Grenzwert mit 0,5 festzustellen.

    BTW, was bedeutet ‘verschwindet’?`

    MFG
    Dr. W

    • #9 Ulrich Berger
      14. Januar 2016

      “Ginge dann gegen 0,5” deutet den Grenzwert einer unendlichen Folge an. Aber was sollte diese sein? Bernd kann schließlich im gestellten Problem nur eine Verteilung wählen, nicht eine unendliche Folge von Verteilungen.

      “Verschwindet” bedeutet in diesem Kontext “ist null”.

  8. #10 Lercherl
    14. Januar 2016

    @Ulrich Berger

    OK, das mit den zyklischen Randbedingungen muss ich mir noch durch einmal den Kopf gehen lassen. Den angesprochenen “Grenzwert” können wir exakt folgendermaßen definieren:

    Sei b(n) die maximale Gewinnwahrscheinlichkeit von Bernd bei einem Spiel mit Auswahl von 1 bis n. Dann ist lim b(n) = 0,5 für n -> unendlich.

    @Webbaer

    Was ich noch nicht explizit dazugesagt habe: Jede deterministische Strategie Bernds kann von Anna geschlagen werden, deshalb auch die möglichst “zufällige” Strategie von Bernd.

    • #11 Ulrich Berger
      15. Januar 2016

      “lim b(n) = 0,5 für n -> unendlich” ist zwar richtig, aber nicht wirklich hilfreich, wenn man sich konkret für b(unendlich) interessiert, wie es im originalen Zwei-Zettel-Spiel der Fall ist. (Dort sind außerdem beliebige reelle statt nur ganze Zahlen zugelassen.)

  9. #12 Dr. Webbaer
    15. Januar 2016

    @ Lercherl :

    Das ist unzureichend, dieser Einwand valid und diese Ergänzung wiederum unzureichend.

    Diese Ergänzung – ‘Jede deterministische Strategie Bernds kann von Anna geschlagen werden, deshalb auch die möglichst “zufällige” Strategie von Bernd.’ – blieb hier unverstanden, also, was sie genau ergänzen soll. – Warum gilt es deterministische Strategien Bernds zu betrachten?

    Sans ehrlich, mir ham da ma was geschrieben, was dem (korrekten) EV der Beteiligten entspricht, aber i.p. Erklärung und Lösungsweg spekulativ blieb.

    MFG
    Dr. W

  10. #13 Ulrich Berger
    15. Januar 2016

    @ Lercherl, @ Webbaer:

    Das Problem an Lercherls ursprünglicher Erklärung ist, dass Annas Strategie nicht explizit angegeben wurde. Die Formulierung “wenn weder das erste noch das letzte Paar dabei sind, kann Anna durch Wechseln ihre Chancen nicht erhöhen” ist zwar mit der Z-Strategie kompatibel, aber z.B. auch mit “Bei 1 wechseln, bei 1000 behalten und bei allen anderen Zahlen zufällig entscheiden”.

    Auf diese letztere Strategie könnte Bernd aber tatsächlich erfolgreich kontern, indem er die Paare (1,2) und (999,1000) einfach weglässt. (Deshalb mein Einwand.)

    Die Entgegnung, dass dann (2,3) und (998,999) als neue Randpaare entstehen würden, ist wiederum recht unpräzise. Ich habe sie aber wohlwollend so interpretiert, dass die eigentlich gemeinte Strategie Annas tatsächlich die Z-Strategie war. Man könnte das aber auch weniger wohlwollend interpretieren, wie es der Webbaer offenbar tut…

  11. #14 Dr. Webbaer
    18. Januar 2016

    Webbaer sowieso nicht der wohlwollende Typ sein, jedenfalls nicht kommentarisch.
    Vielen Dank für Ihre Reaktion, Herr Berger, war wirklich ein sehr hübsches Rätsel,
    MFG + weiterhin viel Erfolg!
    Dr. W

  12. #15 Joker
    19. Januar 2016

    Danke.

    Frei nach Whitehead: All unser abendliches Rätseln ist als ‘Fußnote zu Lercherl’ zu verstehen.

  13. #16 Karl-Heinz
    20. Januar 2016

    Kommentar von Joker gefällt Karl-Heinz 🙂 🙂

    Frei nach Whitehead: All unser abendliches Rätseln ist als ‘Fußnote zu Lercherl’ zu verstehen.