Angesichts eines Ölpreises von 100 Dollar pro Barrel mahnen Unternehmer gerne: Ziehen die Energiepreise an, lahmt die Konjunktur. Schön, dass es nicht so einfach ist.

Wäre die Lage so ernst, hätte Deutschland zumindest für den Verkehr einen gewaltigen Puffer: Über 60 Prozent des Benzinpreises entfallen auf Steuern. Das sie so ernst ist, darf bezweifelt werden. Schließlich prophezeiten Ökonomen in früheren Zeiten schon bei einem Ölpreis von 30 Dollar den Untergang unserer Wirtschaft. Nach heutigen Maßstäben wäre Europa inzwischen im Mittelalter angekommen. Viele Analysten versuchen deshalb gar nicht mehr, den Einfluss des Ölpreises auf die Konjunktur vorherzusagen. Denn unter Zwang können Unternehmen sich durchaus selbst helfen. Sie produzieren einfach sparsamer. 1976 verbrauchte etwa die österreichische Industrie knapp 17.000 Terajoule Energie, um eine Milliarde Euro Wirtschaftsleistung zu produzieren. Heute braucht sie für die gleiche Wertschöpfung nur knapp 6000 Terajoule. In Deutschland sieht es ähnlich aus: Die hiesige Wirtschaft benötigt für ein Prozent Wachstum nur noch halb so viel Öl wie zu Beginn der siebziger Jahre.

Noch klarer sind die Zusammenhänge beim Strom. Ein erster Blick auf die innerdeutschen Strompreise zeigt, dass in Berlin 1500 Kilowattstunden pro Jahr 288,09 Euro kosten – in München 339,18 Euro. Wirtschaftlich zu leiden scheinen die Bayern allerdings nicht. Ein zweiter Blick, diesmal nach Japan, entlarvt die einfache Wahrheit endgültig als zu simpel.

Das Land produziert den weltweit teuersten Strom. Unternehmen zahlen dort nach Daten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rund 60 Prozent mehr für Elektrizität als deutschen Firmen. Die Folgen jedoch sind nicht etwa Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt, sondern eine der energieeffizientesten Wirtschaftssysteme weltweit. Zwei Ökonomen der Ohio State University stellten daher in einem Vergleich zwischen den USA und Japan fest: „Hohe Energiepreise führen kurzfristig zu Einbußen im Bruttoinlandsprodukt. Langfristig jedoch löst die Entwicklung Investitionen in energiesparende Technologien aus ¬ und damit ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt.“

Diese Zusammenhänge dürften auch vielen Wirtschaftslenkern bekannt sein. Da sie trotzdem über zu hohe Energiepreise klagen, kann man ihnen getrost Faulheit unterstellen. Jammern ist einfacher als Denken.

Kommentare (2)

  1. #1 Charlie
    Januar 4, 2008

    Der Beitrag gefällt mir. Nur eines hinkt – bayerische Heizsysteme, E-Herde, Radios oder Föne verbrauchen doch nicht weniger Energie als die in Berlin??

  2. #2 Robert Thielicke
    Januar 4, 2008

    Das stimmt natürlich. Der Vergleich soll nur deutlich machen, dass die Behauptung “höhere Energiepreise bedeutet Konjunkturabschwung” ein Kurzschluss ist. Für Privathaushalte ist der Unterschied ohnehin zu klein für eine merkliche Effizienzsteigerung. Es wäre aber druchaus interessant zu wissen, ob Münchner Firmen energiesparender wirtschaften als vergleichbare Berliner Unternehmen. Dazu habe ich leider keine Daten. Wer hier weiterhelfen will, gerne …