Als EU-Umweltkommissar Stavros Dimas die Vorlage lieferte, sprangen nationale Politiker eifrig dem Ball hinterher. Die Sicherheit der Genmais-Sorte MON 810 sei nicht ausreichend bewiesen, sagte der oberste EU-Verbraucherschützer Ende vergangenen Jahres. Folgerichtig verbot Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy kürzlich den Anbau. Der EU drohen nun Strafzölle, weil dieses Verbot ebenso wie viele ähnliche gegen Welthandelsverträge verstößt. Das wäre völlig OK, sprächen tatsächlich wissenschaftliche Gründe gegen das gentechnisch veränderte Saatgut. Leider ist genau das nicht der Fall.

Das in MON 810 eingebaute Gen produziert ein Gift, um ein weit verbreitetes Schadinsekt abzutöten. Unzählige Studien zeigen, dass dadurch der Pestizideinsatz sinkt und teilweise auch der Ertrag steigt. Gesundheitsgefahren konnte auch die Weltgesundheitsorganisation WHO bisher nicht entdecken.

Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat aus diesen Gründen MON 810 grünes Licht gegeben. Dimas jedoch glaubte seinen Fachberatern nicht. Es mag sein, dass der Kommissar über tieferes Wissen als seine Wissenschaftlerriege verfügt. Es mag sogar sein, dass die EFSA schlechte Arbeit ablieferte. Dann aber sollte er mehr tun als nur ihre Empfehlungen zu ignorieren – er sollte die Behörde abschaffen. Für die 40 Millionen Euro, die sie im Jahr verschlingt, gäbe es sicherlich bessere Verwendungen. Doch solange Dimas diesen Schritt nicht tut, sollte er zu den Ratschlägen stehen, die sie gibt. Auch wenn ein Bekenntnis zu genveränderten Pflanzen derzeit nicht gerade populär ist.

Kommentare (3)

  1. #1 Argent23
    Januar 16, 2008

    Ganz zu schweigen davon, dass unbehandelter Mais heutzutage aufgrund von über den Grenzwerten liegender, von Pilzen produzierter Toxine eh nicht mehr verkauft werden darf (oder eher dürfte…). Die Pflanzen werden nämlich von Pilzen befallen, die sich mit Vorliebe in den Bohrlöchern des Maiszünslers und anderen Schadinsekten niederlassen.
    Und die Gefahren von Pilztoxinen samt ihren gesundheitlichen Folgen sind ausnahmsweise mal sogar sehr deutlich wissenschaftlich belegt.

  2. #2 Marc | Wissenswerkstatt
    Januar 16, 2008

    So einfach, wie dargestellt, ist die Sache übrigens nicht. Denn es ist zwar richtig, daß in Frankreich das Anbauverbot nun im Zshg. mit Dimas öffentlich verlautbarter Skepsis steht. Und sicher darf man auch die Frage stellen, ob ein Umweltkommissar gut beraten ist, wenn er das Urteil seiner eigenen Fachbehörde ignoriert.

    Allerdings ist es keineswegs so, daß die Unbedenklichkeit von BT-Mais (Mon 810 zählt zu dieser Gruppe) tatsächlich wissenschaftlich belegt wäre. Nach wie vor gibt es widersprüchliche Studien und unzählige seriöse, die aufzeigen, daß auch sog. Nicht-Ziel-Organismen geschädigt werden. Der Vorteil von Mon810 liegt ja darin, daß die Pflanze selbst das Bt-Toxin produziert, das auf Freßfeinde und eben den problematischen Maiszünsler giftig wirkt.

    Allerdings werden eben unweigerlich auch andere biologische Arten (u.a. Schmetterlinge) davon betroffen (inwiefern man diese “kollateralschäden” hinnehmen mag, wie groß diese ausfallen, wäre die Frage einer Güterabwägung). Da aber eine Vielzahl der verfügbaren Studien unter der Regie der Saatguthersteller ablief und man in der Vergangenheit lernen mußte, daß unliebsame Studien im Zweifel eher zurückgehalten wurden und bspw. der US-Konzern Monsanto in manchen Ländern auch vor massiven Bestechungen nicht zurückschreckt, ist hier doch eine gewisse Vorsicht angebracht.

    Außerdem ist es keinesfalls so, daß nun Stavros Dimas einen Alleingang unternähme und Sarkozy ihm “blind” hinterherhechelte. Die Natur- und Umweltschutzbehörden in einigen EU-Ländern (u.a. Griechenland, Ungarn, Bulgarien, Österreich) haben ein Anbauverbot wg. ungeklärter Risiken erlassen oder erwägen diesen Schritt. Und auch in Deutschland hat etwa das BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) vergangenen April den Verkauf von Mon810 untersagt. Das sind alles ebenfalls Fachleute, die für ihre jeweiligen Fachbehörden die Sicherheitseinschätzungen vornehmen. Ich halte deswegen die oben stehende Aussage (daß eben keine wissenschaftlichen Gründe gegen transgene Maissorten sprächen) für falsch und irreführend.

    [Disclaimer: Ich habe als Autor an einer wissenschaftlichen Studie für die EU-Kommission mitgearbeitet, die u.a. die Risiken der “grünen” Gentechnologie zum Gegenstand hatte.]

  3. #3 Robert Thielicke
    Januar 17, 2008

    Das BVL hat im April zwar die Anbauzulassung von MON 810 zurückgezogen. Im persönlichen Gespäch aber gaben Fachleute der Behörde zu, dass dies auf Geheiß des Landwirtschaftsminsiteriums geschah – und “keine wissenschaftlichen Gründe hatte”. Die Sorte ist seit diesem Jahr übrigens wieder zugelassen. Der gleiche Experte hielt auch das Verbot Österreichs für “nicht wissenschaftlich begründet”.

    Die Wirkungen auf Nichtzielorganismen sind in der Tat eine Güterabwägung. Dabei vergisst man seltsamerweise jedoch, dass auch Pestizide Nichtzielorganismen treffen – und meist in sehr viel größeren Ausmaß als das Bt-Toxin es tut. Nun gibt es eine Studie aus den USA, die Wachstumsstörungen bei Kleinkrebsen in Fließgewässern festgestellt hat. Aber erstens fanden die relevanten Experimente im Labor statt, und bisher ließen sich deraertige Erkenntnisse nicht auf natürliche Bedingungen übertragen. Zweitens fehlt ein Vergleich mit der Wirkung herkömmlicher Pestizide.

    Zumindest zum Nachdenken bringen sollte einen in diesem Zusammenhang die persönliche Meinung von Jeffrey McNeely, Chefwissenschaftler des IUCN – immerhin das weltgrößte Netzwerk von Naturschutzorganisationen: Er glaubt, “dass einige transgene Pflanzen wirklich besser sind als ihre konventionellen Gegenstücke“.