Etwas einfrieren ist nun wirklich kein Problem. Tür auf, hinein mit dem Gefriergut, Tür zu. Doch wenn es um Zellen geht, die man wieder zum Leben erwecken will, da ist es nicht ganz so einfach. Man muss den richtigen Schrank erwischen.

Es geht auch mal was schief hier im Labor. Zu Beispiel neulich als jemand einige Zellstämme bei minus 20 Grad statt bei minus 80 Grad eingefroren und gelagert hatte. Fatal.

Doch wo ist da eigentlich das Problem? Gefroren ist doch gefroren.

Das praktische an den Zellen ist ja: Man kann sie einfrieren, lange lagern und wieder auftauen und damit bei Bedarf zum Leben erwecken. Eigentlich eine faszinierende Sache.

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Kälte an sich ist eigentlich nicht unbedingt das Problem. Der Stoffwechsel verlangsamt sich und irgendwann ist alles erstarrt. Tödlich sind die Eiskristalle, die sich in der Zelle bilden. Sie zerstören um so mehr, je größer sie werden.

Es gibt eine Möglichkeit, die zerstörende Kraft der Kristalle einzudämmen. Damit sie wachsen können, brauchen Kristalle Zeit. Wenn man ihnen diese aber nicht gibt, breiten sie sich erst gar nicht aus.

Lösung: Man friert die Zellen möglichst schnell ein. Das erreicht man schon, indem man sie in einem Kühlschrank stellt, der minus 80 Grad kalt ist und nicht minus 20 Grad (das entspricht etwa einem vier Sterne Gefrierfach eines Haushaltskühlschrank).

Nicola zeigt mir den Unterschied. Er füllt zwei Tubes mit Wasser. Einen stellt er in den minus 80 Grad kalten Gefrierschrank, einen in den mit minus 20 Grad. Nach fünf Minuten holt er beide raus. Das Wasser aus dem wärmeren Schrank ist noch flüssig, das aus dem kälteren fest gefroren.

Merke: Je schneller etwas eingefroren wird, desto weniger und desto kleinere Kristalle bilden sich.

Minus 80 Grad ist auch für die Langzeitlagerung besser geeignet. Denn auch wenn wir uns im Minusbereich der Celsius-Skala befinden, minus 20 Grad ist eben deutlich wärmer als minus 80 Grad. Wir sind noch ziemlich weit vom absoluten Nullpunkt weg (minus 273 Grad Celsius), bei dem (theoretisch) jedes Atom zum Stillstand kommt.

Durch unsere Fixierung auf die Celsiusskala und den Gefrierpunkt von Wasser, übersieht man leicht, dass zwischen minus 80 Grad und minus 20 Grad schon noch ein deutlicher Unterschied besteht. Man denkt vielleicht: “Okay, das Wasser ist gefroren, was soll sich da jetzt noch bewegen, ist doch egal, ob etwas minus 80 oder minus 20 Grad hat.

Schaut man aber auf die Kelvinskala (die Temperaturskala, die Wissenschaftler normalerweise verwenden), verschwindet das Minus-Zeichen. Dann sind es entweder 193 oder 253 Grad Kelvin (minus 80 bzw. minus 20 Grad Celsius). Das verdeutlicht schon eher, dass das eine tatsächlich 60 Grad wärmer ist als das andere. Und dass bei 253 Grad Kelvin mehr Energie im System steckt (die auch in einer so kalten Zelle noch mehr Prozesse unterhält) als bei 192 Grad Kelvin (und sie damit altern lässt, wenn auch extrem langsam).

Wie groß hier das Ausmaß der Zerstörung durch die Eiskristalle ist, ist noch nicht raus. Es gab 30 Stämme, etwa zwei bis drei Monate Arbeit. Die ersten Wachstums-Versuche zeigen, dass sie ziemlich gelitten haben. Zum Glück gibt es aber “Backups” dieser Stämme. Die lagern bei vier Grad – Celsius, nicht Kelvin.

Kommentare (13)

  1. #1 edika
    November 24, 2009

    Ich will nicht reklamieren, sondern es interessiert mich wirklich:
    Mir wurde vor einiger Zeit eingebläut, dass es “x Grad Celsius” heisst, aber “x Kelvin” und nicht “x Grad Kelvin”. Ist das offiziell immer noch so oder wird das heute grosszügiger gehandhabt?

  2. #2 Marcus Anhäuser
    November 24, 2009

    @edika
    Da siehst Du mich völlig überfordert. Muss ich mal nachfragen. Kann vielleicht auch einer der Wissenschaftler, die hier mitlesen beantworten. Ich melde mich.

  3. #3 paranoid android
    November 24, 2009

    Das Standard verfahren zum Einfrieren von Zellen läuft eigentlich so (zumindest in allen Laboren, die ich kenne):
    Die Zellen werden in Einfriermedium aufgenommen, das 10% Dimethylsulfoxid (DMSO) enthält. Dies ist zwar auf Dauer für die Zellen toxisch, hemmt aber das Wachstum der Eiskristalle. Die Röhrchen mit den Zellen werden dann zwar in einen -80°C Schrank gestellt – allerdings in einem speziellen Einfrierbehälter, der Isopropanol als Kühlmittel enthält (bleibt auch bei -80°C noch flüssig). In diesen Behälter ist gewährleistet, dass die Zellen gerade langsam einfrieren – die Temperatur sinkt um 1 Kelvin pro Minute. Dies ist nötig, damit das DMSO auch in die Zellen eindringen kann, denn sonst würde es ja nicht wirken.
    Alternativ gibt es Eifriermaschinen, die aber auch mit der Rate 1 K/min kühlen.

  4. #4 Marcus Anhäuser
    November 24, 2009

    @edika
    nach einer kurzen Umfrage per Twitter ist es wohl so, dass man heutzutage “Grad Celsius” sagt, aber nicht “Grad Kelvin”, sondern nur “Kelvin”. Das wurde 1967 geändert. Aber warum das so ist und geändert wurde, das war jetzt auf die Schnelle nicht herauszufinden. Finde ich aber spannend. Mal sehen, was ich noch so finde.

  5. #5 Marcus Anhäuser
    November 24, 2009

    @paranoid android
    ich habe ja nicht alles im Detail erklärt. Hier wird noch Glycerol (Glycerin) dazu gegeben.

  6. #6 Anhaltiner
    November 24, 2009

    @Anhäuser ich glaube das hat was mit dem Nullpunkt zu tun: 0 Kelvin ist absolut Null und 20 Kelvin hat doppelt soviel Engergie wie etwas mit 10 Kelvin. Während bei der Celcius-Skala das ganz doch recht willkürlich ist – alsob es nur Wasser gibt. (ob -20°C viermal so kalt ist wie -80° – wer weis…) So oder so ähnlich hat es mein Physiklehrer erklärt.

  7. #7 Marcus Anhäuser
    November 24, 2009

    die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat mir freundlicherweise einen Artikel geschickt, in dem das ziemlich genau erklärt wird. Allerdings nicht für Temperaturlaien wie mich. D.h. ich brauche etwas Zeit.

  8. #8 Sebastian
    November 24, 2009

    Vielleicht kann man bei der Erklärung des Unterschieds zwischen Grad Celsius und Kelvin am Ende deines Artikels zur Ergänzung noch schreiben, dass 0° Grad Celsius im Prinzip nur als Gefrierpunkt von Wasser bei Normaldruck festgelegt wurde. Macht vielleicht den Unterschied zw. -20 und -80 Grad deutlicher.

  9. #9 Tina
    November 24, 2009

    Das war früher der running gag in unseren Laboratorien: die Zellen starben den Hitzetod bei -2o°C…

  10. #10 Marcus Anhäuser
    November 24, 2009

    Hitzetod, der ist gut …

  11. #11 Marcus Anhäuser
    November 25, 2009

    hier noch ein aktueller Artikel zu einem neu entdeckten “Frostschutzmittel”, das eine bestimmte Käferart nutzt, um Eiskristalle im Körper zu verhindern.
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,663298,00.html

  12. #12 Philipp
    Mai 6, 2011

    @paranoid: Ich kenne das anders, habe das aber auch zugegebenermaßen auch noch nicht so häufig gemacht.
    Man nimmt die Zellen, füllt sie mit Glycerin auf und schmeisst sie in Flüßigstickstoff. (Nur ein paar Minuten, das sieht sehr Hollywood-mäßig aus weil Nebel aus dem Gefäß durch die gegend wabert). Dann werden die Zellen je nach Labor mehr oder weniger organisiert im -80°C-Tiefkǘhlschrank verstaut.

    Klappt zumindest mit E.coli und S.cerevesiae.

  13. #13 Steffen
    November 7, 2011

    Also das ist schon verdammt kalt. 🙂 Im Prinzip ist es ja wie mit Gemüse welches gefroren wird. Das wird ja auch schockgefroren damit in den Zelle nichts passiert. VG