Zwei große Herausforderungen der Energiewende lauten: Wie transportieren, und wie speichern wir erneuerbare Energie. Die Künstliche Fotosynthese könnte beide Probleme lösen und aus CO2 und Wasser leicht transportierbare Treib- und Rohstoffe gewinnen. Noch allerdings sind diese Verfahren in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, praktische Anwendungen sind allenfalls in Ansätzen zu erkennen. Trotzdem muss die öffentliche Debatte über die Künstliche Fotosynthese bereits jetzt beginnen: Noch können Bürgerinnen und Bürger die Technologie und ihren Einsatz mitgestalten. Sind die Technologien bereits bis zur Anwendungsreife entwickelt, lässt sich nur schwer auf Wünsche und Sorgen aus der Bevölkerung reagieren.
Was lief bei der Gentechnik falsch?
Gelingt dies nicht, droht sich das Debakel der Biotechnologie-Kommunikation zu wiederholen. Gerade in den vergangenen Jahren entstanden zu diesem Thema in Deutschland immer neue Formate für mehr Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. An der Skepsis gegenüber der Grünen Gentechnik hat das in Deutschland bis heute nichts verändert, so dass Unternehmen die Entwicklungsarbeit hierzulande als perspektivenlos einschätzen und ihre Aktivitäten in die USA verlagern.
Um die Herausforderungen der Technikkommunikation besser zu verstehen, hatte acatech bereits in einem früheren Projekt zur Biotechnologie-Kommunikation (2010-2012) Erfahrungen zur Grünen Gentechnik und anderen Feldern der Biotechnologie analysiert. Die Projektergebnisse und Empfehlungen sind hier detailliert dargestellt. Die wesentliche Erkenntnis für die Akademie: In der Wissenschafts- und Technikkommunikation gibt es keine Patentrezepte. Kommunikation und Beteiligung müssen spezifisch an Themen und der jeweiligen Situation ausgerichtet werden. Dabei sind Kontroversen wichtig und lassen sich nicht allein durch Kommunikation lösen. Öffentliche Kontroversen als „mangelnde Akzeptanz“ der Wissenschaft oder der Technik zu deuten, greift zu kurz. Vielmehr sind Kontroversen ein wesentliches Element sowohl des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns als auch der Wissenschaftskommunikation.
Technikhorizont 2050 muss heute diskutiert werden
Praktisch angewendet wurden diese Erkenntnisse nun für die Kommunikation zur Künstlichen Fotosynthese. Unter Leitung von Armin Grunwald (Karlsruher Institut für Technologie) und Alfred Pühler (Universität Bielefeld) entwickelte eine acatech Projektgruppe seit 2013 potenzielle Szenarien für den Einsatz der Künstlichen Fotosynthese und diskutierte diese in Workshops und Dialogveranstaltungen mit Bürgerinnen und Bürgern. Mit diesen Technikzukünften wurden Forschungsergebnisse und Szenarien der Künstlichen Fotosynthese in Geschichten übersetzt, die beschreiben wie der zukünftige Einsatz der Künstlichen Fotosynthese aussehen könnte. Dies erwies sich als hilfreiche Basis für den öffentlichen Dialog über Ideen, Wertvorstellungen und Sorgen zur Künstlichen Fotosynthese.
Da sich die Technologien zur Künstlichen Fotosynthese in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befinden, lassen sich weder Chancen noch Probleme genau benennen. Kontroversen könnte etwa der mögliche Einsatz von Gentechnik oder Schwermetall-Katalysatoren hervorrufen. Für Wissenschaft und Wirtschaft ist es wichtig, so früh wie möglich die kritischen Punkte und mögliche Bedingungen der Akzeptanz zu kennen. Eine offene und frühe Kommunikation kann Vertrauen schaffen und dadurch indirekt auch zur Akzeptanz beitragen. Die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit kann freilich auch zeigen, dass wenig oder keine Akzeptanz für bestimmte „Technikzukünfte“ vorhanden ist.
Technikzukünfte: Abstraktes greifbar machen
Dabei wurden sowohl gesellschaftliche als auch technische Aspekte behandelt. Eine Technikzukunft zur Künstlichen Fotosynthese beschrieb etwa „Super-Pflanzen“ wie Mikroalgen und Wasserlinsen, die als grüne Zellfabriken energiereiche Stoffe produzieren. Ein weiteres Szenario basiert auf Nanokügelchen, die in einem elektrokatalytischem Prozess aus Wasser und CO2-haltigen Industrieabgasen energiereiches Methangas herstellen. In einer dritten Geschichte werden transparente organische Solarzellen als Baumaterialien verwendet und machen Gebäudefassaden zu Kraftwerken.
Sehr anschaulich werden diese Technikzukünfte in den Geschichten des Wissenschaftsjournalisten Wolfgang C. Goede, aufgenommen im Deutschen Museum in München.
Auch in Form von selbstgemalten Comics stellte acatech diese Technikzukünfte auf verschiedenen Dialogveranstaltungen vor und diskutierte sie mit interessierten Laien, Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Schülerinnen und Schülern. Mit diesen Techniken gelang es, bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse ansprechend und verständlich zu erklären und zur Debatte zu stellen. Die Ideen und Kritikpunkte unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zur Künstlichen Fotosynthese wurden von der Projektgruppe gesammelt. So befürchten viele Menschen, dass nach Unfällen gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt werden könnten. Kritisch hinterfragt wurden auch der Wirkungsgrad und die Wirtschaftlichkeit der neuen Technologien sowie ihr Verbrauch von Wasser, Energie und Dünger. Als Chance bewerteten die Teilnehmer die Verwendung von Industrieabgasen als Basis für Treib- und Rohstoffe. Die organische Fotovoltaik inspirierte viele zu originellen Anwendungsideen, etwa bunten Hausfassaden oder Spielgeräten, die Energie speichern.
Folgeprojekt zum Stand der Forschung
Im Frühjahr 2016 endete das acatech-Projekt zu den Technikzukünften der Künstlichen Fotosynthese mit einem Debating-Workshop in der Evangelischen Akademie in Tutzing.
Nun werden in einem Folgeprojekt der Wissenschaftsakademien die wissenschaftlich-technischen Herausforderungen analysiert.
Der Dialog geht währenddessen weiter: Am 26. Juli 2016 diskutierten interessierte Bürgerinnen und Bürger im acatech FORUM in München über „Kraft- und Rohstoffe aus Licht und Luft“.
Wer sich für das Thema interessiert, kann eigene Impulse in einem Science Café während der 129. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e. V. in Greifswald am 11. September 2016 (13:15-14:45 Uhr) einbringen.
]]>Bis 2022 will Deutschland aus der Kernkraft aussteigen und das Energiesystem zum Teil auf erneuerbare Energien umstellen. Neben Windkraft und Biomasse wird die Sonnenenergie dafür entscheidend sein. Und die Ausgangslage ist gar nicht so schlecht: „Wissenschaftlich und technologisch nimmt Deutschland derzeit eine Spitzenstellung in der Solartechnologie – Fotovoltaik und Solarthermie – ein. Sowohl in Bezug auf die Energieerzeugung als auch den wirtschaftlichen Erfolg durch Export von Spitzentechnologie erscheint daher die Solartechnologie als ein prioritäres Handlungsfeld“, stellten die deutschen Wissenschaftsakademien bereits 2009 fest (Leopoldina / acatech / BBAW: Konzept für ein integriertes Energieforschungsprogramm für Deutschland, Halle / München / Berlin 2009, S. 27).
Die direkte Nutzung der Sonnenenergie liegt auf der Hand: Die Sonne spendet 15.000-mal mehr Energie als die gesamte Menschheit verbraucht. Dies sollte zur langfristigen Sicherung der Energieversorgung ohne weitere CO2-Emissionen beitragen können. So groß das Potenzial der Sonnenenergie ist, so groß sind bis heute aber die damit verbundenen wissenschaftlich-technischen Schwierigkeiten. Noch gilt Fotovoltaik als besonders teure regenerative Energie.
Helfen könnten neue Ansätze bei der Fotovoltaik und der künstlichen Fotosynthese, etwa biomimetische bzw. Kohlenstoff-basierte Verfahren. Bei der natürlichen Fotosynthese wandeln Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht Kohlendioxid und Wasser in organische Verbindungen um. Die Umwandlung erfolgt in mehreren Schritten. Zuerst werden Lichtquanten absorbiert. Ihre Energie dient zur Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. In einer zweiten Lichtreaktion verwendet die Pflanze den Wasserstoff zur Synthese hochenergetischer organischer Moleküle (ATP). Deren Energie dient dann in einer komplexen enzymatischen Reaktion der Reduktion von CO2 zu Kohlenhydraten.
Ziel der Künstlichen Fotosynthese ist es, den Wirkungsgrad des natürlichen Systems langfristig zu erhöhen, etwa mittels Gentechnik oder Synthetischer Biologie. Ein Workshop der U.S. National Academies untersuchte bereits die molekularen Prozesse in biologischen Systemen, um zu prüfen, ob sie sich für die Energiesysteme der Zukunft anwenden lassen. Derart bio-inspirierte Energieforschung nutzt Bio- und Nanotechnologie, wobei Molekularbiologie und Mikrobiologie wesentliche Beiträge leisten (https://dels.nas.edu/global/bcst/bioinspired-energy).
Im Unterschied zu Gentechnik oder Nukleartechnik handelt es sich bei der Künstlichen Fotosynthese aber um ein noch nicht durch feste Meinungen „vorbelastetes“ Feld. Das kontroverse Potenzial dieser Technologie scheint auf den ersten Blick eher gering. Bestätigt wurde das auch von einem acatech-Projekt zur frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit in diesem Feld. In Zukunft könnten jedoch durch den möglichen Einsatz von Gentechnik oder Schwermetall-Katalysatoren auch durchaus kontroverse umweltrelevante und ethische Fragen aufkommen. Die wissenschaftlichen Ausgangspunkte und technischen Realisierungsmöglichkeiten sind bislang aber nur in Ansätzen erkennbar.
Ziel des Akademienprojekts „Künstliche Fotosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte“ ist daher, unterschiedliche Forschungsansätze frühzeitig sichtbar zu machen und den konkreten Forschungsbedarf in Deutschland aufzuzeigen. Spätestens 2050 sollte die die Künstliche Fotosynthese technisch nutzbar sein. Dieser Blog soll Einblicke in die Arbeitsweise und Ergebnisse dieses Projekts geben und zur Diskussion stellen.
Über den Autor:
Dr. Marc-Denis Weitze leitet den Themenschwerpunkt Technikkommunikation in der Geschäftsstelle von acatech und koordiniert das Akademienprojekt „Künstliche Fotosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte“. Studium der Chemie und Philosophie in Konstanz und München, dort Promotion in Chemie. Tätigkeiten als Wissenschaftsjournalist und für das Deutsche Museum.