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Es geht nicht darum, die eigene Fruchtbarkeit zu bewerben, es geht auch nicht darum die Primatenbullen in den Wettkampf um die besseren Gene zu treiben. Die geräuschvolle Extase ist pure Überlebensstrategie.

Grunzen im Stakkato, schrille Schreie oder ein postkoitales Trompetensolo, zahlreiche Tiere geben ihrer Lust am Sex recht lautstark Ausdruck. Und so wie bei Löwen oder Elephanten sind es auch bei den Schimpansen vorwiegend die Weibchen, die den Ton angeben.
Doch was steckt dahinter? Handelt es sich dabei um pure weltverlorene Lustschreie, oder haben die Tiere Kontrolle über ihr Verhalten? Und falls es stimmt, dass weniger die Extase als die Strategie bestimmt, wie laut sie Stöhnen, was konkret bezwecken sie damit?

Diese existenziell wichtigen Fragen wollten Simon Townsend von der schottischen St. Andrews University und Klaus Zuberbühler vom Leipziger Max Planck Insitut für Evolutionäre Anthropologie ein für alle mal lösen. Also machten sie sich auf nach Uganda in ein Reservat für wilde Schimpansen und werteten exakt 287 zwischenaffliche Sexaffären penibel auf ihre akustischen und sozialen Begleitumstände aus.
Die Ergebnisse ihrer zehn Monate langen Feldforschung wurde heute im Journal PloS ONE
veröffentlicht.

Bisher galt als anerkannte These, dass die Schimpansen-Weibchen mit ihren Schreien den Primatenbullen rundum lautstark signalisieren, dass sie fruchtbar sind. Die schrillen Lustlaute sind im Wald in einem Umkreis von 60 Meter nicht zu überhören. Damit, so die These, treiben die Weibchen die Männchen in einen Sex-Wettbewerb, verkürzen die Zeit bis zur nächsten Kopulation, wobei dann die gesündesten Spermien mit dem besten Erbgut das Rennen machen.
Gleichzeitig entstünde aus dieser Paarungsstrategie genügend Konfusion, um zu verschleiern, welches der Männchen nun tatsächlich die Vaterschaft für sich verbuchen kann. Dies ist durchaus von evolutionärer Bedeutung, weil Kindsmord bei Schimpansen ein häufiges Phänomen ist, die Männchen jedoch weniger gefährlich sind, wenn sie den Nachwuchs für eigene Brut halten.

Soweit die Theorie. In der Praxis ergab sich ein ganz anderes Bild. Denn hier zeigte sich, dass es in Wahrheit die Beziehung zwischen den Weibchen war, die den Ausschlag gab. „Der Wettkampf zwischen den Weibchen ist hart und enorm gefährlich”, erklärt Simon Townsend. Immer wieder beobachteten die Wissenschaftler, dass es zu Störungen bei den Schäferstündchen kam und das kopulierende Paar getrennt wurde. Während die Männchen dabei halbwegs moderat eingriffen, attackierten Weibchen ihre Rivalinnen gezielt mit wüsten Tritten und gefährlichen Bissen. „Speziell wenn die Ressourcen knapp sind, ist der weibliche Konkurrenzkampf enorm”, schreiben die Autoren, „und auf einem Paarungsmarkt mit so hoher Promiskuität werden auch Männchen und ihr Sperma zu einer begrenzten Ressource.”

Deshalb verhielten sich Weibchen beim Sex eher leise, wenn Geschlechtsgenossinnen in der Nähe waren. Fühlten sie sich hingegen unbeobachtet oder waren nur Männchen im Publikum, so wurde es rasch recht laut, speziell wenn es mit einem hochrangigen Schimpansen-Bullen zur Sache ging.
Geräuschintensiver Sex bleibt den Männchen scheinbar in guter Erinnerung, und damit auch die Sympathie zu ihren Partnerinnen, was auch Schutz bei späteren Krisen inkludiert. Mehrfach wurden Bullen dabei beobachtet, wie sie kämpfende Schimpansen-Weibchen trennten oder Jungtiere vor Angriffen schützten.

Anders als bei bestimmten Affen oder auch bei Ratten hatten die Schreie bei den Schimpansen jedoch gar nichts mit der Anzeige von Fruchtbarkeit zu tun. Möglicherweise, so die Wissenschaftler, wäre eine derartige Botschaft auch kontraproduktiv, weil sie dadurch von bestimmten Männchen während ihrer fruchtbaren Phase mit Beschlag belegt würden und so die Vaterschaft nicht mehr verschleiern könnten. Das wäre jedoch gefährlich, weil die Liebe meist nicht lange währt und die allzu intensive Zuneigung eines einzelnen Lovers zu viele andere im Rudel eifersüchtig macht, was den Nachwuchs in Lebensgefahr bringt.

Wenn es den Weibchen jedoch gelänge, sich über intensiven Sex die bleibende soziale Unterstützung möglichst vieler hochrangiger Männchen zu sichern – ohne sich gleichzeitig mit den anderen Weibchen anzulegen, wäre das, so das Resultat der Primatenforscher, die erfolgreichste Strategie.