Manchmal denk ich: Okay, das verstehst Du jetzt gerade nicht, bist vielleicht nur müde, schlaf mal drüber, morgen wird Dir die Sache schon klar. Aber was ich nun vom “Ohne Gentechnik”-Label unseres Agrarministers halten soll, das wird mir auch nach gründlichem Grübeln nicht klarer.

Fleisch, Eier und Milchprodukte sollen sich künftig “ohne Gentechnik” nennen dürfen, wenn im Tierfutter keine gentechnisch veränderten Pflanzen waren. Gut, soweit hab ich das verstanden. Es dürfen allerdings Zusatzstoffe im Futter enthalten sein, die von gentechnisch veränderten Mikroorganismen stammen, beispielsweise Vitamine. Und das verstehe ich nicht mehr so ohne weiteres. Warum muss Tierfutter eigentlich Vitaminzussätze enthalten? Und wie wurden diese Vitamine gewonnen, damals, als das noch nicht die gentechnisch veränderten Mikroorganismen taten? Und warum produzieren wir die Vitamine nicht weiter so, wenn wir sie tatsächlich brauchen?

Im Berliner “Tagesspiegel” kann man heute lesen, gentechnisch veränderte Organismen dürften bei der Erzeugung von Futtermitteln “jedoch dann noch zum Einsatz kommen, wenn auf dem Weltmarkt keine anderen Stoffe zur Verfügung stehen und die eingesetzten Enzyme oder Aromen in der EU-Ökoverordnung erlaubt sind.”

Enzyme und Aromen im Futter? Ja, warum das denn? Schicken wir doch die Tiere einfach auf die Wiese! Dort sollen sich Rind und Huhn an Aromen gefälligst selber suchen, was ihnen schmeckt. Warum ist das nicht mehr möglich? Und was sind das konkret für Stoffe, die “auf dem Weltmarkt” plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen?

“Lob von Umweltverbänden gab es auch schon vor einem halben Jahr für die Ankündigung des Ministeriums, eine Verordnung über eine Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ vorzulegen. Der Text liegt allerdings immer noch nicht vor.”
Tja, schade irgendwie, oder? Und nicht im geringsten lobenswert.

Kommentare (11)

  1. #1 Peter Artmann
    Januar 17, 2008

    Schön aufgespießt, ich wünsche weiterhin guten Appetit oder in Deiner Diktion: Mahlzeit!

  2. #2 L.Carone
    Januar 17, 2008

    “Ja, warum das denn? Schicken wir doch die Tiere einfach auf die Wiese! Dort sollen sich Rind und Huhn an Aromen gefälligst selber suchen, was ihnen schmeckt.”

    Du forderst flächendeckenden biologischen Anbau und damit die komplette Abkehr von der modernen Landwirtschaft.

    Das Rad der Zeit wird sich nicht so einfach zurückdrehen lassen und einen Wandel muss auf diesem globalisierten Markt auch der Konsument tragen.

    Man kann nicht “Hauptsache billig” rufen und sich gleichzeitig wundern, dass es keine glücklichen Kühe auf freien Weiden gibt oder sich über die modernen Anbaumethoden und Tricks in der Massentierhaltung mokieren. Denn das ist der Preis, den wir für “Hauptsache billig” zahlen.

  3. #3 Christian
    Januar 17, 2008

    Die Unsitte, dass jeder Bürger jeden Tag Fleisch auf dem Teller haben muss (früher gab es Braten nur Sonntags und nicht jeden Tag…) hat natürlich zu einer hochgeradig durchindustrialisierten Landwirtschaft geführt, in der man alle Ideen von “Hühnern auf die Weide schicken” getrost vergessen kann…

    Wer sich mal ansehen will, wie die Produktion von Lebensmitteln heute so läuft, dem kann man nur die erstklassige Dokumentation “We feed the World” empfehlen:

    https://www.we-feed-the-world.at/

    Warum natürlich in den “Ohne Gentechnik”-Lebensmittel jetzt trotzdem genetisch veränderte Bestandteile enthalten sein dürfen (und nichts anderes erreicht man durch die Ernährung der Tiere mit Gen-Food) entzieht sich auch meinem Verständnis. Allgemein halte ich den Gen-Trend für sehr gefährlich – denn wenn es wirklich Auswirkungen auf das Erbgut geben könnte, wird dies erst in so vielen Jahrzehnten offenbar werden, dass der Schaden längst nicht mehr umkehrbar ist…

  4. #4 Laurens
    Januar 17, 2008

    also ich habe da ehrlich gesagt nichts dagegen wenn die Kühe gentechnisch hergestellte Vitamine und ähnliches bekommen. Dass sie bei den modernen Tierhaltungsmethoden ohne Zusatzstoffe im Futter auskommen ist ja eh klar. Und viele Vitamine und Aminosäuren u. Ä. werden halt dank der fortschreitenden Technik momentan sehr effizient mit genetisch modifizierten Mikroorganismen hergestellt. Auf anderen Wegen sind so große Mengen einiger Substanze, wie sie momentan benötigt werden, gar nicht produzierbar. Und wenn man dann da nachher VitaminC oder so aus nem E. coli an die Kuh verfüttert ist doch nichts dabei oder? sind ja nichtmal irgendwelche “Gene” drin. Und wenn dieses gentechnisch hergestellte VitaminC dann irgendwelche Mutationen bei der Kuh bewirkt, wären diese Mutationen auch entstanden wenn das VitaminC aus der Zitrone gekommen wäre.
    Diese ganze Aufregung um gentechnisch hergestellte Stoffe finde ich irgendwie sehr merkwürdig…Man konsumiert doch nur das gereinigte Endprodukt und nicht den modifizierten Organismus. Und auch wenn man diesen Essen sollte: Wir haben ein ganz tolles Verdauungssystem, dass alle DNA und RNA und co die wir mit der Nahrung zu uns nehmen ziemlich klein häkselt…Warum sollte der gentechnisch modifizierte Organismus da ne Ausnahme darstellen? Außer er ist plötzlich pathogen geworden, aber um dies auszuschließen gibt es ja nicht umsonst Jahrelange Testreihen.
    Und jetzt trinke ich mal ne leckere Fanta deren Zitronensäure mit ziemlich hoher Sicherheit gentechnisch hergestellt wurde.

  5. #5 L. Carone
    Januar 17, 2008

    Sehe ich auch so. Die chemische Struktur spiegelt ja nicht die Herstellung wider. Vitamin C ist Vitamin ist Vitamin C. Egal wie es hergestellt wurde, ob es aus Obst, aus anorganischen Bestandteilen künstlich synthetisiert wurde oder eben aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen stammt. Es ist schließlich eine relativ simple chemische Verbindung. Solange das Vitamin nicht mit irgendwelchen anderen Produkten aus dieser Herstellung verunreinigt ist, sollte es kein Problem geben. Eine Kennzeichnungspflicht aus gesundheitlichen Gründen ist daher nicht zu rechtfertigen.

    Man könnte sich eventuell fragen, ob die großangelegte Zucht von gentechnisch veränderten Mikroorganismen an sich langfristig ein Problem darstellt. Aber das ist eine ganz andere Baustelle und ich bin auf dem Gebiet nicht bewandert genug, um es zu beantworten. Und es finden sich genügend Quellen für den interessierten Verbraucher, so dass er all jene Unternehmen boykottieren kann, welche Gentechnik im großen Stil einsetzen. Dafür braucht man keine Kennzeichnungspflicht und dafür ist sie auch gar nicht gedacht.

  6. #6 Stefan Jacobasch
    Januar 17, 2008

    “Solange das Vitamin nicht mit irgendwelchen anderen Produkten aus dieser Herstellung verunreinigt ist, sollte es kein Problem geben. Eine Kennzeichnungspflicht aus gesundheitlichen Gründen ist daher nicht zu rechtfertigen.”

    Das ist sicher richtig. Aber wie Du selbst schreibst, gibt es viele Wege, Vitamin C herzustellen. Dazu muss man keine gentechnisch veränderten Mikroorganismen verwenden. Es sei denn, man will den Verbraucher langsam an derartiges Zeug gewöhnen, will den Einsatz von Gentechnik in der Lebensmittelindustrie zum Alltag machen. Und eh wir uns versehen, gibt es einfach nichts anderes mehr.

  7. #7 L.Carone
    Januar 18, 2008

    Du willst behaupten, es ist nicht zulässig sich die guten Aspekte der Gentechnik zunutze zu machen und die auch zu verwenden? Weil die Leute ihre Angst vor Gentechnik verlieren könnten? Was ist denn das für ein Argument?

    Ich finde: Die Leute, allen voran die Wissenschaftler und Politiker, sollten nicht Angst vor der Gentechnik an sich haben, sondern sie sollten kritisch und ohne überzogene Ängste die Risiken und Nutzen dieser Technik Anwendung für Anwendung abwägen und bewerten und den Einsatz in bestimmten Fällen verwerfen und auch so ehrlich sein, sie in bestimmten Fällen zuzulassen.

    Nichts im Leben ist völlig risikolos und vieles im Leben hat Langzeitfolgen. Man nehme nur das CO2 aus Deinem eigenen Auto, deren reelle Gefahr aber bei weitem nicht so hoch eingeschätzt wird, als die eventuell, möglicherweise vorhandene Gefährdung durch die Gentechnik.

  8. #8 Stefan Jacobasch
    Januar 18, 2008

    Ja, ich möchte auch den “Nutzen dieser Technik Anwendung für Anwendung abwägen und bewerten und den Einsatz in bestimmten Fällen verwerfen und auch so ehrlich sein, sie in bestimmten Fällen zuzulassen.”

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir da, wo es bereits brauchbare, bewährte Produktionsmethoden gibt, auf die Gentechnik verzichten. Wenn es nur darum geht, dem Produzenten eine Gewinnmaximierung zu bescheren, könnten wir ihm Grenzen setzen. So wie wir überhaupt mal unserem allgemeinen Wachstumswahn Einhalt gebieten könnten. Aber damit entferne ich mich jetzt zu stark vom Thema. Das hat jetzt nichts mit Angst vor der Gentechnik zu tun.

    Ich bin nicht grundsätzlich gegen Gentechnik. Um mal ein Positivbeispiel zu nennen: Vor Jahren entdeckten Genetiker ein Gen bei mittelamerikanischen Wildkartoffeln, das sie vor der Fäule schützt. Dieses Gen ist den kommerziell genutzten Sorten offenbar im Laufe der Züchtung abhanden gekommen. Man könnte es mit viel Zeit, viel Geld und Glück auf traditionelle Weise in Kulturpflanzen hinein züchten. Oder per Gentechnik einpflanzen. Letzteres fände ich in Ordnung. Wenn einer Kartoffel ein Kartoffel-Gen eingesetzt wird – okay! Bisher wurde wohl nichts draus, weil die Genetiker einem solchen Produkt keine Chance auf dem Markt geben.

  9. #9 student_b
    Januar 18, 2008

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir da, wo es bereits brauchbare, bewährte Produktionsmethoden gibt, auf die Gentechnik verzichten. Wenn es nur darum geht, dem Produzenten eine Gewinnmaximierung zu bescheren, könnten wir ihm Grenzen setzen. So wie wir überhaupt mal unserem allgemeinen Wachstumswahn Einhalt gebieten könnten. Aber damit entferne ich mich jetzt zu stark vom Thema. Das hat jetzt nichts mit Angst vor der Gentechnik zu tun.

    Letzteres fände ich in Ordnung. Wenn einer Kartoffel ein Kartoffel-Gen eingesetzt wird – okay! Bisher wurde wohl nichts draus, weil die Genetiker einem solchen Produkt keine Chance auf dem Markt geben.

    Diese Argumentation ist imho nicht sehr schlüssig.

    Du lehnst einen Prozess zur Erzeugung eines Vitamins ab, der notabene in geschlossener Umgebung innerhalb eines Reaktors stattfindet und als Endprodukt ein chemisch reines Molekül hat, welches nicht unterscheidbar ist von dem Produkt einer anderen Herstellungsmethode.

    Gleichzeitig befürwortest du das Einfügen eines Genes in eine Pflanze mit anschließender Freisetzung dieser Pflanze.

    Mit einer oberflächlichen Risikofolgenabschätzung kommt man doch sofort auf den Schluss, dass das erste Prozedere ein sehr kleines Risiko hat, während bei dem zweiten viel grössere Unsicherheiten vorhanden sind.

  10. #10 Stefan Jacobasch
    Januar 18, 2008

    “Mit einer oberflächlichen Risikofolgenabschätzung kommt man doch sofort auf den Schluss, dass das erste Prozedere ein sehr kleines Risiko hat, während bei dem zweiten viel grössere Unsicherheiten vorhanden sind.”

    Das erste bringt nichts Neues, das zweite schon. Aber Du hast natürlich Recht, dass im zweiten Fall die Unsicherheiten größer wären. Darüber ist von Fall zu Fall zu diskutieren: Für welche Chance wollen wir ein Risiko eingehen, und für welche nicht?

  11. #11 student_b
    Januar 19, 2008

    Das erste bringt nichts Neues, das zweite schon.

    Dem möchte ich wiedersprechen.

    Der Reichstein Prozess (die klassische Methode zur Produktion von Ascorbinsäure [Vitamin C]) hat in etwa eine Ausbeute von 50% (maximal 87% möglich). (I)

    Desweiteren sind teilweise sehr hohe Temperaturen (bis zu 150°C) und Drücke (80-125 atm) notwendig. (II) Dies führt zu einem beträchtlichen Energieaufwand und damit hohen Herstellungskosten. Desweiteren benötigt der Prozess konz. Schwefelsäure. Die Entsorgung der Abfallprodukte ist sehr kostspielig.

    Bei einer Jahresproduktion von ca. 110’000 Tonnen (geschätzte 600 Millionen US$ Umsatz im Jahre 2001) (III) ist die Herstellung von Ascorbinsäure ein relativ wichtiger Wirtschaftszweig mit einem nicht gerade kleinen ökologischen Fussabdruck.

    Oder anders gesagt, die klassische Herstellung von Vitamin C ist relativ ineffizient, energieintensiv und teuer.

    Die Herstellung mittels biotechnischer Methoden (unter anderem mittels gentechnisch veränderten Organismen) bietet dagegen mehrere Vorteile.

    1. Grössere Ausbeute durch Verwendung von Mikroorganismen bzw. spezifischen Enzymen.

    2. Einfachere Herstellung durch single-step process mithilfe eines Mikroorganismus im Gegensatz zum aufwändigen 7-stufigen Reichstein Verfahren.

    3. Viel geringerer Energieverbrauch, da biotechnische Verfahren üblicherweise bei Normaldruck und Temperaturen zwischen 20° bis 45°C stattfinden.

    All dies führt zu einer deutlichen Kosteneinsparung und Effizienzsteigerung bei der biotechnischen Methode. Und gleichzeitig bedeutet das eine geringere Umweltbelastung sowie eine Reduktion von Gefahren und Störfällen bei der Produktion da keine Schwefelsäure und Acetan mehr benötigt wird.

    Da die Nachfrage nach Ascorbinsäure auch weiterhin steigen wird, ist eine kostengünstige und effizientere Methode durchaus wichtig.

    Ich würde dies durchaus als etwas “Neues” bezeichnen.

    Anhang:
    (I) doi:10.1016/0141-0229(90)90159-N
    Enzyme and Microbial Technology
    Volume 12, Issue 5, May 1990, Pages 322-329
    Microbial processes for ascorbic acid biosynthesis: a review
    J. Boudrant
    Seite 322 unten

    (II) doi:10.1016/S0167-7799(02)01991-1
    Trends in Biotechnology
    Volume 20, Issue 7, 1 July 2002, Pages 299-305
    Biotechnological approaches for Image-ascorbic acid production
    Robert D. Hancock and Roberto ViolaE-mail The Corresponding Author
    Unit of Plant Biochemistry, Scottish Crop Research Institute, Invergowrie, Dundee, UK DD2 5DA

    (III) doi:10.1016/j.jbiotec.2006.01.010
    Journal of Biotechnology
    Volume 124, Issue 1, 25 June 2006, Pages 196-205
    BioPerspectives—From basic research to industrial production
    The use of microorganisms in l-ascorbic acid production
    Christoph Bremus, Ute Herrmann, Stephanie Bringer-Meyera and Hermann Sahma
    Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für Biotechnologie 1, D-52425 Jülich, Germany