Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn will Werbung für Süßwaren aus dem TV-Programm verbannen – zumindest in Sendezeiten, in denen Kinder die Zielgruppe der Werbung sind.

Anlass der Grünen-Forderung – hier das heutige Inforadio-Interview mit Höhn als MP3 – ist der so genannte “Nationalen Aktionsplan Ernährung” der Bundesregierung. Er soll den Trend zum Übergewicht stoppen und die bundesdeutsche Bevölkerung bis zum Jahr 2020 sichtbar verschlanken. Unter dem Titel “Deutschland IN FORM” hat sich unsere Regierung etwas <ironie>ganz Originelles</ironie> ausgedacht: Aufklärungskampagnen für bessere Ernährung und mehr Sport!

Die “Deutsche Kinderhilfe” hatte anlässlich der Verkündigung der guten Absichten Ende Juni kritisiert: Es gibt diverse gute Einzelprojekte an Schulen, bei Krankenkassen oder in Vereinen, aber kein umfassendes verbindliches und nachhaltiges Konzept. Dies wäre die Aufgabe des Nationalen Aktionsplanes, der diesen Anspruch jedoch nicht erfüllt. Der Nationale Aktionsplan ist an vielen Stellen unverbindlich und wird nur dort konkret, wo andere “in die Verantwortung” genommen werden, z. B. die Zivilgesellschaft, Krankenkassen, Länder und Kommunen. Es fehlen konkrete flächendeckende und verbindliche Ziele, deren Erreichen in Teilschritten überprüfbar wäre.

Tja, mit “verbindlichen Zielen, deren Erreichen in Teilschritten überprüfbar wäre”, tut sich unsere Regierung tatsächlich schwer. Sie bevorzugt vage Absichtserklärungen, wobei Minister Seehofer wichtig ist, dass es bei IN FORM nicht um Reglementierungen oder Verbote gehe. Der Mann scheut bekanntlich eindeutige Positionen, wenn sich diese gegen die Interessen der Industrie richten könnten.

Aber weder Werbe- noch Süßwarenindustrie müssen sich ernsthaft Sorgen machen. Bis einschließlich 2010 sollen in das IN FORM-Projekt insgesamt gerade mal 30 Millionen Euro investiert werden. Zum Vergleich: Die Süßwarenhersteller steckten allein in 2007 über 592 Millionen Euro in die Werbung; gegenüber 2006 war das ein sattes Wachstum von 5,6 Prozent (Media Perspektiven, PDF). Das Geld ging zu über 90 Prozent in die TV-Werbung. Damit sind Süßwaren nach den Autos die am stärksten beworbene Produktgruppe im Fernsehen.

Preisfrage: Mit wie viel Wohlwollen darf Frau Höhn wohl seitens der Medienindustrie rechnen?

Kommentare (3)

  1. #1 rainer
    Juli 21, 2008

    Das Problem bei solchen Aktionen ist ja das Menschenbild solcher Politiker: Der Bürger als dummer, unmündiger Idiot, den man von Kindesbeinen an durch das Leben weisen muss, weil er es alleine nicht schafft.

  2. #2 Marcus
    Januar 5, 2010

    Mal ernsthaft….
    Unsere Politiker sind von “ihren” Bürgern soweit entfernt, dass man ihre Ansichten ohne rot zu werden als weltfremd und an der Realität vorbei bezeichnen kann.(bzw. muss !)
    Man sollte mal für unsere Oberen eine Fernsehsendung wie z.B. Frauentausch ins Leben rufen und per Gesetz dazu zwingen dort mitzumachen.
    Einen Monat als Oberhaupt einer vierköpfigen Durchschnittsfamilie mit einem Nettoeinkommen, dass nur einem Bruchteil ihrer sog. Diäten (allein das Wort Diäten ist ein Witz) entspricht.
    Dann würden die Volksvertreter mal merken was sie da für eine gequirlte Sch….. erzählen (oder auch nicht……?!) und die Fernsehsender hätten nebenbei auch mal was sinnvolles gemacht als nur hirnleere Gerichts- und sog. Realityshows zu senden.

  3. #3 Stefan W.
    Mai 14, 2010

    Müßte es dann auch ein Werbeverbot für Äpfel, Bananen, Erdbeeren und Möhren geben – ist ja auch ganz schön süß dieses Obst und Gemüse.

    100%iger Apfelsaft enthält fast so viele Kalorien wie die gleiche Menge der ach so verpönten Cola.