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Es ist nicht immer die beste Lösung, den Zustand eines Lebensmittels so “natürlich” wie möglich zu belassen. So spricht beispielsweise einiges dagegen, Rohmilch direkt beim Bauern zu kaufen.

Letzte Woche habe ich mich an dieser Stelle schon mit dem Thema Milch beschäftigt. Und heute lese ich im Fischblog einen Beitrag, der den Anstieg von Campylobacter-Infektionen thematisiert. Dieses Thema ist, wie Lars Fischer in seinem Blog schon anmerkt, auch für den Milchkonsumenten von Bedeutung.

Manche Arten von Campylobacter-Bakterien sind für den Menschen gefährlich. Dazu gehören solche, die in Geflügel, Rindern, Schweinen oder Schafen vorkommen. Die Bakterien können Durchfall, Krämpfe und Fieber auslösen. Besonders groß ist die Gefahr der Übertragung durch Geflügelfleisch, weil über ein Viertel der im Handel befindlichen rohen Ware als belastet gilt. Deshalb muss rohes Geflügel in der Küche auch mit besonderer Sorgfalt verarbeitet werden, um die Bakterien nicht auf andere Lebensmittel zu übertragen.

Aber zurück zu unserem Thema: Campylobacter kann vom Rind auch über die Milch auf den Menschen übertragen werden. Die im Lebensmittelhandel erhältliche Frischmilch ist in der Regel mindestens pasteurisiert. Bei der Pasteurisierung wird die Milch für maximal 40 Sekunden auf 75 Grad Celsius erhitzt. Dadurch werden die meisten schädlichen Bakterien abgetötet. Erhitzt man die Milch auf bis zu 127 Grad Celsius, darf sich die so erzeugte ESL-Milch immer noch “Frischmilch” nennen, sie ist dann aber mehrere Wochen länger haltbar (siehe Text von letzter Woche).

Über die ESL-Milch kann man sicher streiten, meiner Meinung nach aber eher unter geschmacklichen Gesichtspunkten. Ich finde, sie hat einen leichten Beigeschmack, der an Kondensmilch erinnert. Deswegen bevorzuge ich die “klassische” Frischmilch, die innerhalb einer Woche verbraucht werden muss.

Ein Irrtum wäre es allerdings, das Thema Frische auf die Spitze treiben zu wollen und Rohmilch direkt beim Bauern zu kaufen. Das Risiko, sich auf diesem Wege eine große Portion Keime in den Kühlschrank zu holen, ist recht groß. Laut der entsprechenden Verordnung zum Lebensmittelhygienerecht (hier als PDF, siehe Artikel 2 § 17 auf S. 1831, im PDF die Seite 16) darf Rohmilch nur ausnahmsweise direkt vom Erzeuger abgegeben werden, wenn sie maximal 24 Stunden alt ist. Unbedenklichkeit garantiert das nicht. So manche Schulklasse hat den Genuss von Rohmilch beim Bauernhof-Besuch schon mit kollektivem Durchfall bezahlt.

Die Bundesanstalt für Milchforschung (BAfM) in Kiel hält den Direktverkauf von Milch für “nicht unproblematisch“. Sie entdeckte im Jahr 2002 bei Kontrollen von 149 Proben von “Milch-ab-Hof” in 20 Prozent der Fälle (= 30 Proben) Krankheitserreger.

Das Friedrich-Loeffler-Institut veranstaltete im letzten Juni eine Experten-Tagung zum Thema Campylobacter und bezeichnet das Bakterium als “vielfach unterschätzt”: “Während von kontaminiertem Geflügelfleisch zumeist Einzelerkrankungen ausgehen, können nicht pasteurisierte Milch und kontaminiertes Trinkwasser zu Gruppenerkrankungen führen. Zum Auslösen einer Infektion reicht schon eine vergleichsweise geringe Anzahl von rund 500 Keimen aus.”

Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt seit Jahren: “Rohmilch sollte vor dem Verzehr unbedingt durcherhitzt werden!” Aber worin besteht dann noch der Vorteil dieses Produktes?

Eine Milch-Variante, die auch im Lebensmittelhandel verkauft werden darf, ist die so genannte Vorzugsmilch, für die Rohmilch immerhin gefiltert wird und die dadurch deutlich weniger Keime enthält. Sie ist allerdings innerhalb von 96 Stunden zu verbrauchen. Ich schätze, selbst bei guter Logistik dürften dem Konsumenten maximal drei Tage bleiben, bevor er durch die Verwendung derartiger Produkte ein gesundheitliches Risiko eingeht.

Da bleibe ich doch lieber meiner pasteurisierten Bio-Vollmilch treu und verzichte auf das Maximum an “Natürlichkeit”…

Foto: Cathleen Abers-Kimball /Fotolia

Kommentare (8)

  1. #1 Marcus
    Januar 21, 2009

    weißt Du zufällig, wie das mit dem Vitamingehalt und solchen Dingen ist. Bei H-Milch geht das glaube ich ziemlich in den Keller.

  2. #2 Stefan Jacobasch
    Januar 21, 2009

    @Marcus: Die Vitamine waren schon in den Kommentaren des letzten Milch-Beitrages ein Thema. Ich darf mich mal selbst zitieren 😉 :
    Beim Pasteurisieren gehen etwa 10 Prozent der Vitamine verloren, beim Ultrahocherhitzen (H-Milch) sind es rund 20 Prozent. Bei der H-Milch spielt aber auch die Lagerung eine wichtige Rolle. Wird sie erst zum Ende des Haltbarkeitsdatums konsumiert, sind in der Zwischenzeit weitere 30 Prozent der Vitamine verloren gegangen. Bei der ESL-Milch sind die Werte vermutlich etwas besser, weil sie eben schneller verbraucht wird. Genaue Werte habe ich dazu aber nicht.

  3. #3 fs
    Januar 23, 2009

    noch deutlicher kann man sich als stadtkind und natur/bewegungs-muffel kaum outen ^^

  4. #4 Popeye
    Januar 30, 2009

    Hallo, könntet Ihr mal bitte diese Seite für mich unter die Lupe nehmen?

    https://www.milch-den-kuehen.de/index2.html

    Vor allem der Punkt Gesundheit auf dieser Seite scheint mir größtenteils Propaganda zu sein, ich hätte aber gerne stichhaltige Argumente dafür.
    Vielen Dank im voraus.

  5. #5 Stefan Jacobasch
    Januar 31, 2009

    @Popeye: Ehrlich gesagt habe ich keine große Lust, mich mit dieser Webseite auseinanderzusetzen. Dabei handelt es sich nämlich um eine Seite der Tierrechtsorganisation “Peta”. Diese arbeitet meinem Eindruck nach vor allem daran, für sich selbst Propaganda zu machen, um Spenden zu sammeln. Dafür werden bevorzugt gruselige Szenarien entwickelt, auf der verlinkten Seite beispielsweise mit der Aussage “Milchprodukte sind mit Blut, Eiter und häufig auch mit Pestiziden, Hormonen und Antibiotika verseucht” – eine unhaltbare Behauptung, für die weder Beweise noch Quellen genannt werden. Fragen Sie mich nicht nach stichhaltigen Argumenten gegen diese Seite, fragen Sie die Betreiber doch mal einfach nach Belegen für derartige Behauptungen.

  6. #6 vorzeitiger
    Januar 31, 2009

    Durch Erhitzung verliert die Milch wirklich viele Mineralstoffe, Vitamine, etc.
    Die Erhitzung aber ist die einzige Methode, möglichst viele Keime zu vernichten und das Produkt in schönster Qualität zum Abnehmer zu bringen.
    Nicht viele Kunden haben die Möglichkeit, frische Milch zu kaufen.

  7. #7 Fischer
    Januar 31, 2009

    Mhm, klar, beim Kochen von Milch gehen Mineralstoffe verloren. Ich glaub’s auch.
    Würd mich echt manchmal wünschen, dass die Leute vorm Tippen wenigstens minimal das Gehirn einschalteten…

    @Stefan:
    Volle Zustimmung. Behauptungen von Peta sind generell mit großer Vorsicht zu genießen, wie ich gelegentlich bei Recherchen feststellen durfte. Das G.-W.-Bush-Syndrom findet man bei Tierschützern häufig: Für ne gute Sache darf man auch mal lügen, dass sich die Balken biegen.

  8. #8 Karl Mistelberger
    Februar 1, 2009

    .

    Über die ESL-Milch kann man sicher streiten, meiner Meinung nach aber eher unter geschmacklichen Gesichtspunkten. Ich finde, sie hat einen leichten Beigeschmack, der an Kondensmilch erinnert. Deswegen bevorzuge ich die “klassische” Frischmilch, die innerhalb einer Woche verbraucht werden muss.

    Das längere Haltbarkeitsdatum fiel mir zum ersten Mal auf, als die Frischmilch einen deutlichen Kochgeschmack hatte. Es gibt aber auch Frischmilch mit längerer Haltbarkeit ohne diesen Geschmack.

    Das hat einen einfachen Grund: Keimarme Milch wird auf verschiedene Weise hergestellt. Trennt man den Rahm vom Rest, so kann man diesen Rest mechanisch filtern und braucht nur den Rahm durch Erhitzung zu sterilisieren. Da er keine Proteine enthält denaturieren diese auch nicht wie beim Kochen auf dem eigenen Herd.

    Infolge aktiver Freizeitgestaltung liegt mein Energiebedarf statt bei durchschnittlich 2000 eher bei 4000 Kcal pro Tag. Da haben Milchprodukte viele Vorteile. So liegt mein Konsum von teilentrahmter Frischmilch und Yoghurt fünfach höher als im Durchschnitt der Bevölkerung.

    Die Diskussion um die verlängerte Lagerzeit erscheint mir als ziemlicher Unfug. In der Schweiz werden pro Kopf und Jahr 400kg Milch verbraucht. Davon wurde früher praktisch alles und heute immer noch 80% zu sehr lange gelagertem Käse, Butter und anderen Produkten wie Kondensmilch verarbeitet.