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Ab heute geht der Ausstellungszug “Expedition Zukunft” auf Fahrt kreuz und quer durch Deutschland. Das Projekt soll in erster Linie bei Kindern und Jugendlichen Interesse für Naturwissenschaften und Technik wecken. Bis Ende November wird der Zug für jeweils drei Tage in 60 Städten Station machen.

Die rollende Ausstellung umfasst zwölf umgebaute Waggons auf rund 300 Metern Länge. Entwickelt wurde der Zug von einem Projektteam der Max-Planck-Gesellschaft, als Partner sind aber so ziemlich alle deutschen Forschungsgemeinschaften mit an Bord.

Laut Konzept der Initiatoren soll der Zug “allen Besuchern und speziell jungen Menschen einen Überblick darüber vermitteln, welche Wissensgebiete sich heute weltweit besonders dynamisch und viel versprechend entwickeln und wie diese in den kommenden zwei Jahrzehnten unser Leben beeinflussen.” Dazu wurde die Ausstellung in zwölf individuell gestaltete Themenwagen gegliedert.

Um gleich mit dem Fazit zu beginnen: Wenn es darum geht, “Forschung und Entwicklung jungen Menschen als beruflichen Weg schmackhaft zu machen”, so könnte die Rechnung aufgehen. Die einzelnen Wagen sind abwechslungsreich und originell gestaltet, die Themen werden mehrheitlich multimedial präsentiert, und zahlreiche Geräte zum Anfassen und Ausprobieren gibt es inklusive. Hier ein paar Bilder der schönsten Wagen:

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Am Ende jeden Waggons steht ein Terminal, welches anzeigt, an welchen Standorten in Deutschland zu den gerade angerissenen Fragen gearbeitet und gelehrt wird. Wer als Schulabgänger ein Studium in Erwägung zieht, kann hier Anregungen bekommen.

Die Ausstellung hat darüber hinaus weitere hohe Ziele: “Die Expedition Zukunft entführt ihre Besucher in die Welt von morgen, informiert vorausschauend über Themen und Entwicklungen, die gerade erst im Entstehen sind. Es geht also nicht darum, bereits vorhandenes Wissen besser zu erläutern oder bestimmte Technologien zu rechtfertigen. Es geht um Entwicklungstrends und -möglichkeiten, die sich erst andeuten und denen wir uns stellen müssen.”

“Fragen Sie sich manchmal auch, wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird? Wie wir dann wohl leben werden?” Ja, das frage ich mich manchmal auch. Leider beantwortet der Zug mir diese Frage nicht wirklich.

Schon im ersten Themenwaggon werden die Ausstellungsmacher ihrem Konzept untreu, wenn sie in die Grundlagen von Astronomie und Physik einführen wollen. Erklärt wird die Entstehung des Universums, was doch eher wenig mit der Lösung unserer näheren Zukunftsprobleme zu tun hat. Es steht sichtbar die Bedingung im Vordergrund, die Arbeitsfelder aller beteiligten Wissenschaftsgemeinschaften darstellen zu müssen. Auch in den weiteren Themenwaggons bekommen wir deshalb vorwiegend Einblicke in die aktuellen Arbeitsweisen und – techniken von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Das ist interessant, aber eben durchweg Gegenwart. Visionen von der Welt in 20 Jahren sehen wir kaum.

Immer, wenn es um die Zukunft geht, enden die sehr knapp gehaltenen Texttafeln, die nie mehr als zehn Sätze umfassen, mit einer offenen Frage, nie mit einer Antwort. Im Vordergrund stehen durchweg technische Lösungen. Wenn gesellschaftliche oder politische Themen berührt werden, bleiben die Texte auffällig wolkig. Ein Beispiel: Unter der Frage “Wird es eine Welt ohne Krankheiten geben?” feiert der Text erst die moderne Medizin, dann heißt es abschließend: “Neben all diesen Chancen müssen wir auch lernen, mit dem zukünftigen Potenzial der Medizin verantwortungsvoll und gerecht umzugehen.” Inhaltsloser und ängstlicher formuliert habe ich diesen Komplex selten dargestellt gesehen.

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Wie oben beschrieben sind die Waggons sehr ansprechend gestaltet. Mitunter ragen die einzelnen Elemente aber so weit in den Gang hinein, dass es zu Staus kommt, sobald interessierte Besucher vor einem Objekt stehen bleiben. Zudem wird in vollen Waggons schnell der Sauerstoff knapp. Zum Luftholen vor die Tür gehen kann niemand, das Öffnen der Waggontüren bleibt dem Notfall vorbehalten. Wer einmal vorne einsteigt, kommt erst am Ende des Zuges wieder ans Tageslicht.

Die Deutsche Bahn, mal nebenbei bemerkt, leistet in Berlin eher lahme Unterstützung. Sie hat den Zug auf Gleis 2 im Tiefgeschoss abgestellt, wo er denkbar versteckt steht. Kein einziges Werbebanner, kein Schild und kein Pfeil weisen den Besuchern den Weg. Erstaunlich, dass trotzdem so viele Berliner am Freitag vormittag zur Ausstellung fanden. Man kann dem Zug nur wünschen, dass das in anderen Städten besser läuft. In Berlin soll die Ausstellung noch einmal zum Ende der Deutschland-Rundfahrt vom 22. bis 24. November zu sehen sein. Vielleicht schafft es die DB ja, bis dahin ein paar Hinweisschilder zu spendieren…

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Bei aller Kritik: Insgesamt würde ich einen Besuch der Ausstellung empfehlen. Solange man sich bewusst ist, durch eine PR-Maßnahme zu spazieren, lassen sich interessante Entdeckungen machen. Zu den Ausstellungsstücken, die man ausprobieren kann, gehört beispielsweise der OLPC, der Kindercomputer der Initiative “One Laptop Per Child”. Und ich habe gelernt, wie man die automatische Gesichtserkennung austrickst: Zur Identifizierung von Geschlecht und Gemütszustand benötigt die Kamera den freien Blick auf beide Augen. Wer sich mit der Hand ein Auge zuhält, bleibt unerkannt. Wer weiß, ob man dieses Vorgehen innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht noch gut wird gebrauchen können. 😉

Mehr Infos zur Ausstellung und den 60 Ortsterminen unter www.expedition-zukunft.org