Die Aussicht, dass Fleisch von Klon-Nachkommen in den Lebensmittelhandel gelangen könnte, hat dieser Tage hohe Wellen geschlagen. Gesundheitliche Gefahren bestehen für Konsumenten nicht. Trotzdem scheint bei vielen Menschen ein Gefühl von Ekel aufzukommen. Ein gutes Zeichen!

Wir Menschen des Industriezeitalters haben ein unnatürliches Verhältnis zu Fleisch als Nahrungsmittel. Ob wir im Supermarkt oder in der Fleischerei einkaufen – nie werden wir mit der Herkunft und Verarbeitung der Produkte konfrontiert, die wir erstehen. Ob Fleisch oder Wurst – alles ist schön in Portionen vorgeschnitten, die kaum noch einem Tier zuzuordnen sind.

Auf Werbeplakaten sehen wir Kühe auf saftigen Wiesen stehen, die Verpackungen erzählen von Bauernhöfen und traditionellen Landschaften. Wir ahnen, dass die Realität der industriellen Produktion uns den Appetit verderben könnte. Deshalb wollen wir es gar nicht so genau wissen. Da kommt die Debatte um das “Klonfleisch” gerade richtig, um uns zwangsweise doch mal wieder mit den Voraussetzungen unseres Fleischkonsums und den Zuständen in der Nahrungsproduktion zu konfrontieren.

Zwar wäre der Verzehr von Klontieren gänzlich ungefährlich. Kein Experte, ja auch kein sachkundiger Klon-Gegner sagen ernsthaft etwas Gegenteiliges. Zudem sollen nicht die Klone selbst, sondern deren Nachfahren verzehrt werden. Denkbar wäre etwa, einen Zuchtbullen zu klonen und mit ihm Nachkommen zu produzieren (Mal ganz nebenbei: Der Klon selbst hätte nichts davon, denn schon lange dürfen sich Schwein und Rind nicht mehr beim fröhlichen Sex auf der Wiese vermehren; der Zeugungsakt in einer Agrarfabrik erfolgt ausschließlich in Form einer künstlichen Besamung durch den Tierarzt. Unromantische Vorstellung, oder?)

Der Ekel vor “Klonfleisch” hat einerseits etwas Irrationales, genauso wie die Angst vor Produkten aus der “Grünen Gentechnik”. Andererseits geht es in beiden Debatten nicht um gesundheitliche Fragen allein. Die Klon-Debatte hat die Ethik wieder in die Argumentation zurück gebracht. Wie soll unsere Nahrung produziert werden? Was wollen wir jenen Tieren zumuten, die uns als Fleischlieferanten dienen? Sind wir bereit, für unseren Fleischkonsum mehr zu bezahlen, wenn es den Tieren zugute kommt? Oder wollen wir sie den Bedingungen der Industrie unterwerfen, die Effizienz und Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellt? Das sind Fragen, die wir weder Gentechnikern noch Betriebswirtschaftlern überlassen dürfen.

Ergänzend sei noch erwähnt, dass Schlagzeilen wie “Agrarminister lassen Klonfleisch zum Verzehr zu” schlicht falsch sind. Die Agrarminister der EU-Länder können in dieser Frage nicht allein entscheiden, sie benötigen die Zustimmung des EU-Parlaments. Und das Parlament hat bereits am 3.9.2008 eine Entschließung gegen das Klonen von Tieren für die Lebensmittelversorgung verabschiedet. In einer weiteren Debatte zum Thema hat das Parlament am 25.3.2009 diese Haltung noch einmal bekräftigt. Demnach dürfte der Handel mit “Klonfleisch” auch künftig kaum die Zustimmung von Europas Abgeordneten finden. Wobei wir ihnen schon noch ein bißchen auf die Finger schauen sollten. Sicher ist sicher.

Kommentare (6)

  1. #1 sil
    Juni 23, 2009

    Niedrige Preise für Nahrungsmittel sind SEHR sozial.

    Weihnachten im Supermarkt:

    Klon-Fruchtfleisch!

  2. #2 Thearcadier
    Juni 23, 2009

    Natürlich ist der Fleisch-Konsum – also die Menge – nicht ganz unwichtig, wenn man die Qualität verbessern möchte. Allerdings muss man auch die Informationen über Neu-Entwicklungen verbessern. Viele Leute haben einfach keine Ahnung, was es bedeutet, wenn etwas geklont wird. Ergo haben sie erstmal Angst oder glauben sich einer industriellen Übermacht gegenüber, die uns etwas vorsetzt, was wir nicht möchten.

    Abgesehen davon finde ich die Idee des Klonens gar nicht übel, wenn sich dadurch ein bestimmtes Level bei der menschlichen Selektion nach den jeweiligen Zuchtziel beibehalten ließe.

  3. #3 Alexander
    Juni 23, 2009

    Ich geh jetzt in Gedanken noch eine Nummer weiter, denn dann kommen wir in eine schöne Zwickmühle mit der Ethik.
    Alle paar Wochen sind aus der medizinischen Forschung Fortschritte im Züchten von Organen zu vermelden, um beispielsweise einmal das perfekte, weil aus körpereigenen Zellen hergestellte, Spenderherz herstellen zu können.

    Von da aus ist es aber kein weiter Weg mehr, um etwa in großen Fermentern Fleisch zu produzieren – wohl dann auch zu unschlagbaren Preisen. Wie wird das aufgenommen werden? Dominiert da auch der, wie du sagst, eigentlich irrationale Ekel, oder bejubeln wir, dass keine Tiere mehr leiden müssen?

  4. #4 Stefan Jacobasch
    Juni 24, 2009

    @Alexander: Kunstfleisch aus dem Labor könnte es längst geben. Das Thema ging 2005 schon durch die Medien, z.B. in der FTD und im Spiegel. Eine entsprechende Produktion wäre tatsächlich eine sinnvolle Alternative zur Tierzucht.

  5. #5 Alexander
    Juni 25, 2009

    Eben, ich hätte auch keine Probleme mit Fleisch aus dem Fermenter. Letztlich sogar deutlich weniger als von Fleisch von Klon-Nachfahren.
    Ich kann mir aber irgendwie nicht vorstellen, wie sowas von den Verbrauchern aufgenommen werden wird.

  6. #6 Sky
    Juni 29, 2009

    Man reibt sich letztlich an der Tatsache, dass Leben Leben verzehrt. Das Sich-Reiben am Klonen bzw. am Verzehr von geklonten Tieren ist hier eine Projektion.
    Da der Verzehr von von Pflanzen oder von Kleinstorganismen (unter Zufuhr externer Energiequellen) produziertem Material in diesem Sinne besser vermittelbar scheint, wird sich langfristig wohl dbzgl. etwas entwickeln.
    In der Zwischenzeit muss wohl noch gelegentlich ins Tier gebissen werden.
    Unangenehm wird es, wenn Menschen hungern müssen, damit Werte verteidigt werden können.