Deutsche Bauern können auch noch positive Schlagzeilen machen: Einem Lüneburger Bioland-Bauern gelingt es mit einem Umweg über Großbritannien und das EU-Recht, die von ihren Züchtern aus dem Handel genommene Kartoffel “Linda” wieder zu offiziellen Ehren zu führen. Die Sorte war Anfang der 1970er Jahre vom Saatguthersteller Europlant entwickelt worden. Pünktlich zum Auslaufen des Sortenschutzes hatte er die Knolle 2005 aus seinem Angebot gestrichen.
Die zahlreichen lautstarken Linda-Fans erreichten noch eine Gnadenfrist bis 2007, doch weil Europlant mit der Nachfolgerin Belana inzwischen gute Geschäfte macht, braucht das Unternehmen Linda nicht mehr. Die Pflege einer Sorte, an der die Exklusivrechte ausgelaufen sind, bringt zudem weniger Gewinn.
Der Biobauer Karsten Ellenberg kämpft seit Jahren für Linda. Alle Details zum Streit um die Knolle hat sehr schön die FAZ zusammengefaßt, sodass ich mir die Details an dieser Stelle sparen kann.
Kennen Sie den Geschmack von Linda? Ich kann mich ehrlich gesagt nicht erinnern, Linda bewusst verzehrt zu haben. In meinem Küchenschrank findet sich gerade ein Kilo Christa. Diese Sorte wurde 1975 erstmals zugelassen; es dürfte sich dabei also auch mittlerweile um eine “freie” Kartoffel handeln. Christa ist eine von zur Zeit 205 Kartoffelarten, die in Deutschland vom Bundessortenamt zur Züchtung zugelassen sind (2009er Liste als PDF). Linda fehlt auf der Liste, dürfte aber wohl ab 2010 wieder aufgenommen werden.
Bei der Recherche zum Thema Saatgut hat mich die offizielle Vielfalt der Sorten verblüfft. Die wenigsten davon werden aber wohl in größeren Mengen angebaut und kommen über die regionale Verbreitung hinaus in den Handel. Aber auch wenn ich gar nicht alle Sorten probieren will, so finde ich doch die große Vielfalt beruhigend. Die ist nicht mehr bei allen Kulturpflanzen gegeben (Ich sammle gerade Material zum Thema Saatgut, um demnächst diese Gentech-Diskussion fortzusetzen).
Auf jeden Fall sollten wir uns so viele Sorten wie möglich erhalten. Es wäre ein sträflicher Fehler, wenn sich europäische Vielfalt zu Monokulturen wandelt und wir den Rest zu Museumsstücken erklären – wie es ansatzweise mit der Arten-Auslagerung nach Südamerika schon geschieht.
Bundesministerin Aigner hat ein Logo vorgestellt, das künftig Lebensmittel “ohne Gentechnik” kennzeichnen soll. Das könnte der Einstieg in einen neuen bunten Strauß von Logos sein.
Es gibt einige gute Gründe gegen die “grüne Gentechnik”. Sie beschleunigt die Industrialisierung und Normierung der Landwirtschaft. Sie steigert das Risiko für Bauern, von einer kleinen Gruppe multinationaler Saatgutkonzerne abhängig zu werden. Sie verspricht fälschlich technische Lösungen für politische Probleme, etwa den Welthunger.
Begründete gesundheitliche Bedenken gegen gentechnisch veränderte Pflanzen, die gibt es aber nach heutigem Wissensstand kaum. Und trotzdem wird mit dieser weit verbreiteten Furcht gespielt. Seit gestern offenbar auch vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Denn wenn nicht zur Entwarnung vor einer Art “Schadstoff” – wozu soll dann ein Logo gut sein, das eine Produktion “ohne Gentechnik” verspricht?
“Ohne Gentechnik” – das erinnert stark an Formulierungen wie “ohne Farbstoffe” oder “ohne Konservierungsstoffe”. Geradezu absurd wird es aber erst dadurch, dass ein deutsches Ministerium offiziell Bedenken gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel schürt, während ein anderes deutsches Ministerium die grüne Gentechnik als Zukunftstechnologie mit staatlichen Mitteln fördert.
Wer bisher der grünen Gentechnik aus dem Weg gehen will, der greift zu Bio-Produkten. Auf ein einheitliches Bio-Siegel und europaweite Anbau-Kriterien haben sich die Produzenten nach langem Streit vor Jahren endlich einigen können. Mit dem neuen Logo wird dieser Standard aufgeweicht. Es wird eine Art “kleines Bio-Siegel” geschaffen, mit dem sich konventionelle Hersteller ein grünes Mäntelchen umhängen können.
In Schweden ist man auf vergleichbarem Weg schon einen Schritt weiter. Dort wird über die Kennzeichnung von “klimafreundlichen” Nahrungsmitteln nachgedacht. Produzenten, die ihren Ausstoß an Treibhausgasen senken – irgendwo zwischen 5 und 80 Prozent – dürften sich demnach mit einem gesonderten Klima-Logo schmücken.
Das wäre doch bestimmt auch was für Frau Aigner, oder?
Ob Spiegel, Focus, Süddeutsche Zeitung,Berliner Zeitung, FAZ oder Tagesschau, keiner mochte auf das Thema verzichten.
Für die Medien war das Hamburger PDF eine schöne Vorlage, um endlich mal wieder die Rolle der Aufklärer zu spielen. Dabei hatte die Verbraucherzentrale Hamburg nicht viel mehr gemacht, als die Inhaltsangaben der Produkte zu lesen und das Kleingedruckte zu zitieren.
Das können wir Verbraucher übrigens auch, jeden Tag beim Einkaufen, ganz ohne Expertenhilfe: einfach mal lesen, was so auf der Zutatenliste steht. Und alles wieder ins Regal zurücklegen, was wir nicht verstehen, was mit Abkürzungen versehen ist oder den Buchstaben “E” in Kombination mit einer Zahl trägt. Der Einkaufskorb wird prompt weniger voll und deutlich gesünder!
]]>Beim so genannten “Mogel-Schinken” (schöner Begriff!) handle es sich um ein Produkt mit wenig Fleisch-Eiweiß, dafür viel “Fremdwasser”. Deklariert werden entsprechende Waren z.B. als “Spalla Cotta – Vorderschinken nach italienischer Art aus Vorderschinkenteilen”.
Der Einsatz solcher Imitate und Ersatzprodukte ist generell nichts neues. So schreibt etwa das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: “Die Produkte, die in der Gastronomie häufig als “Ersatz” verwendet werden, weisen einen Fleischgehalt zwischen circa 50 und 65 % auf, selten darüber, oft zum Teil deutlich darunter. (…) Der fehlende Fleischgehalt wird einerseits mit Wasser ausgeglichen. So liegt der Gehalt an fleischfremden Wasser bei bis zu 40 % und manchmal auch darüber. (…) Der niedrigste Fleischgehalt im Untersuchungsjahr 2008 lag bei 42 %.”
Verbieten kann man diese Innovationen moderner Lebensmitteltechnologie offenbar nicht. Gegen die Verwender der Produkte will Hessen jetzt per Online-Initiative mobil machen: Wer zum zweiten Mal beim Einsatz von “Mogel-Schinken” erwischt wird, dem wird mit der Veröffentlichung seines Namens im Internet gedroht.
Vergleichbares kennen wir hier in Berlin schon in Hygienefragen, aber Restaurantlisten, die nach dem Einsatz von “Mogel-Schinken” und “Analogkäse” sortiert sind, würde ich bei uns auch gern sehen. Dann blieben wir vielleicht von Gaststätten wie jenem italienischen Restaurant verschont, zu dessen Besuch ich mich vor rund zwei Wochen habe überreden lassen. Ein Blick in die Speisekarte genügte eigentlich schon, um gewarnt zu werden, denn dort wurden Pizzen und Nudelgerichte zwischen 3 und 4 Euro angeboten. Welcher Wirt kann zu solchen Preisen Qualität liefern? In der Gruppe, mit der ich unterwegs war, lösten die Preise allerdings Begeisterung statt Bedenken aus…
Rund drei Jahre lang unterstütze die EU den Aufbau des “Biosafenet”. Dieses europäische Netzwerk hat die Aufgaben, die Öffentlichkeit über die Sicherheitsforschung in der Pflanzenbiotechnologie zu informieren und die Wissenschaftler dieser Fachrichtung besser miteinander ins Gespräch zu bringen. Seine Zukunft ist jetzt ungewiss.
Anfang dieser Woche fand im Julius-Kühn-Institut (JKI) in Berlin eine Abschlusskonferenz zum Biosafenet statt, dessen Förderung aus Mitteln der EU zum 1.7.2009 ausgelaufen ist. Beteiligte Wissenschaftler aus Deutschland, Ungarn, Italien und den Niederlanden berichteten, was sie im Rahmen des Projektes seit September 2006 aufgebaut haben.
Das Biosafenet ist ein Wissenschaftsnetzwerk mit zwei Aufgaben: Zum einen soll es Forscher venetzen, die zur biologischen Sicherheit in der Pflanzenbiotechnologie arbeiten, zum anderen soll es die interessierte Öffentlichkeit informieren. Letzteres geschieht in Deutschland über die Webseite www.biosicherheit.de, welche mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bereits seit 2001 online ist. Die Seite erreicht nach Aussage der Redaktion mittlerweile rund 80.000 Besucher monatlich. Die englische Schwesterseite www.gmo-safety.eu kam vier Jahre später hinzu; sie erzielt etwa 15.000 monatliche Visits.
Das Webangebot schlägt sich durchaus tapfer in dem Versuch, sachlich zu informieren und dabei eine gewisse Neutralität zu wahren. Zudem liefert es mit seiner Datenbank einen umfassenden Überblick zu jenen rund 300 deutschen Forschungsprojekten der Biosicherheit, die das BMBF seit den späten 1980er Jahren mit öffentlichen Mitteln gefördert hat.
Nicht ganz so erfolgreich läuft allerdings der im Rahmen des Biosafenet gestartete Versuch, die Wissenschaftler untereinander zu vernetzen. Das wurde deutlich, als Wendy Craig vom “International Centre for Genetic Engineering and Biotechnology” (ICGEB) die “BiosafeRes database” vorstellte. Nach dem Muster der deutschen Datenbank will die BiosafeRes vor allem Entwicklungsländern den Zugang zu Forschungsarbeiten der biologischen Sicherheitsforschung ermöglichen. Doch obwohl sich in dem Projekt formal bereits 59 Staaten weltweit zusammengeschlossen haben, enthält die Datenbank erst rund 100 Einträge. Auch die Eintragung der 300 deutschen Projekte sei bisher versäumt worden, räumte Joachim Schiemannn vom JKI ein. Eine Übertragung der Daten “steht auf der Agenda”, wird aber nach Auslaufen der europäischen Fördermittel wohl noch länger auf sich warten lassen.
Nur bedingt erfolgreich operiert auch die “Public Research & Regulation Initiative” (PRRI) in den Niederlanden. Die PRRI will zum einen Wissenschaftler beraten, wenn es um internationale Regelungen und Verordnungen im Bereich der pflanzlichen Biotechnologie geht. Zum anderen sollen als eine Art Rückkanal die Anliegen der Forscher in die parlamentarischen Gremien getragen werden – klassische Lobbyarbeit also. Doch obwohl sich bislang rund 270 Wissenschaftler weltweit der PRRI anschlossen und in 13 Arbeitsgruppen organisierten, klagt die Zentrale in Delft über zu wenig Input seitens der Forscher. Zwar werde überall die Notwendigkeit zur Vernetzung erkannt, aber gleichzeitig sei das Konkurrenzdenken untereinander doch auch noch stark ausgeprägt.
Seit gestern ist das EU-Projekt offiziell beendet, die Förderung mit europäischem Steuergeld ausgelaufen. Zwar wird das BMBF die Webseite Biosicherheit.de wohl kaum einstellen. Es ist aber unklar, welche Inhalte künftig ausgebaut werden. “Viele Einzelbestandteile werden weiter geführt” – genauer weiß es Joachim Schiemannn vom JKI auch noch nicht. Derweil kommt auf europäischer Ebene gerade einges ins Wanken: Die Wirtschaftskrise schlägt auf jene unabhängige Forschung durch, die von Drittmitteln und Stiftungsgeldern lebt. Momentan stehe bei so ziemlich jedem Projekt nicht die Wissenschaft, sondern das Fundraising im Vordergrund, war am Rande der Berliner Konferenz von Teilnehmern zu hören.
Dabei hat die biologische Sicherheitsforschung schon jetzt einen schweren Stand: Ihre Ergebnisse “spielen in der schon lang andauernden öffentlichen Debatte über die Sicherheit von transgenen Pflanzen bisher eine eher untergeordnete Rolle”, bedauert das JKI. Das überrascht, sagen doch Experten für die nahe Zukunft eine “biobased economy” voraus, in der industrielle Rohstoffe zunehmend aus Pflanzen gewonnen werden. Sollte die Politik unter diesen Umständen eine unabhängige Sicherheitsforschung für entbehrlich halten? Das wäre in der ohnehin schon recht unsachlich geführten Diskussion um die “Grüne Gentechnik” nicht gerade hilfreich.
]]>Auf Werbeplakaten sehen wir Kühe auf saftigen Wiesen stehen, die Verpackungen erzählen von Bauernhöfen und traditionellen Landschaften. Wir ahnen, dass die Realität der industriellen Produktion uns den Appetit verderben könnte. Deshalb wollen wir es gar nicht so genau wissen. Da kommt die Debatte um das “Klonfleisch” gerade richtig, um uns zwangsweise doch mal wieder mit den Voraussetzungen unseres Fleischkonsums und den Zuständen in der Nahrungsproduktion zu konfrontieren.
Zwar wäre der Verzehr von Klontieren gänzlich ungefährlich. Kein Experte, ja auch kein sachkundiger Klon-Gegner sagen ernsthaft etwas Gegenteiliges. Zudem sollen nicht die Klone selbst, sondern deren Nachfahren verzehrt werden. Denkbar wäre etwa, einen Zuchtbullen zu klonen und mit ihm Nachkommen zu produzieren (Mal ganz nebenbei: Der Klon selbst hätte nichts davon, denn schon lange dürfen sich Schwein und Rind nicht mehr beim fröhlichen Sex auf der Wiese vermehren; der Zeugungsakt in einer Agrarfabrik erfolgt ausschließlich in Form einer künstlichen Besamung durch den Tierarzt. Unromantische Vorstellung, oder?)
Der Ekel vor “Klonfleisch” hat einerseits etwas Irrationales, genauso wie die Angst vor Produkten aus der “Grünen Gentechnik”. Andererseits geht es in beiden Debatten nicht um gesundheitliche Fragen allein. Die Klon-Debatte hat die Ethik wieder in die Argumentation zurück gebracht. Wie soll unsere Nahrung produziert werden? Was wollen wir jenen Tieren zumuten, die uns als Fleischlieferanten dienen? Sind wir bereit, für unseren Fleischkonsum mehr zu bezahlen, wenn es den Tieren zugute kommt? Oder wollen wir sie den Bedingungen der Industrie unterwerfen, die Effizienz und Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellt? Das sind Fragen, die wir weder Gentechnikern noch Betriebswirtschaftlern überlassen dürfen.
Ergänzend sei noch erwähnt, dass Schlagzeilen wie “Agrarminister lassen Klonfleisch zum Verzehr zu” schlicht falsch sind. Die Agrarminister der EU-Länder können in dieser Frage nicht allein entscheiden, sie benötigen die Zustimmung des EU-Parlaments. Und das Parlament hat bereits am 3.9.2008 eine Entschließung gegen das Klonen von Tieren für die Lebensmittelversorgung verabschiedet. In einer weiteren Debatte zum Thema hat das Parlament am 25.3.2009 diese Haltung noch einmal bekräftigt. Demnach dürfte der Handel mit “Klonfleisch” auch künftig kaum die Zustimmung von Europas Abgeordneten finden. Wobei wir ihnen schon noch ein bißchen auf die Finger schauen sollten. Sicher ist sicher.
]]> Zur Abwechslung mal positive Meldungen: In der Landwirtschaft läßt sich oft schon mit einfachen Maßnahmen die Produktion von Lebensmitteln beträchtlich steigern. Zwei beispielhafte Entwicklungsprojekte zeigen, wie simple Technik indischen Bauern hilft.
Selbst im indischen Teil des Himalaja, wo im langen kalten Winter die Temperaturen auf minus 25 Grad Celsius sinken, lässt sich ganzjährig Gemüse anbauen. Zu verdanken ist das einem speziellen Gewächshaus, welches von der französischen Entwicklungsorganisation Geres den Bedingungen in 3.500 Metern Höhe angepasst wurde.
Das Solar Greenhouse setzt allein auf die Kraft der Sonne. Diese scheint immerhin an 300 Tagen pro Jahr prächtig, erwärmt den Boden aber nur für 90 Tage stark genug, um Landwirtschaft auf freiem Feld zu ermöglichen. In der restlichen Zeit des Jahres verlegen die Bauern ihre Produktion daher in Treibhäuser, die im Wesentlichen aus Polyethylen-Folien bestehen. Die Folien und die Rahmenkonstruktion im Wert von rund 450 Euro pro Gewächshaus werden von Geres gestellt, finanziert u.a. von der Europäischen Union. Das steinerne Fundament müssen die Betreiber in spe selbst errichten.
Dank schwarzem Anstrich speichern die Steine die Wärme des Tages und geben sie in der Nacht ins Gewächshaus ab. Im Herbst lassen sich so Tomaten, Gurken oder Trauben anbauen, im Winter wachsen Spinat und Erdbeeren und der Frühling wird für die Anzucht von Setzlingen genutzt.
Fast 600 Familienbetriebe haben im indischen Himalaja bereits ein Gewächshaus in Betrieb genommen und so die ganzjährige Versorgung ihrer Region mit frischem Gemüse ermöglicht. Geres erhielt dafür in der letzten Woche den Ashden Awards for Sustainable Energy 2009 – ein britischer Preis, mit dem jährlich Projekte zur nachhaltigen Energienutzung ausgezeichnet werden.
Geehrt wurde auch die Organisation International Development Enterprises India (IDEI) für die Errichtung von rund 750.000 Wasserpumpen in 15 indischen Bundesstaaten. Die Pumpen setzen auf einfachste Mechanik und Körperkraft und machen die Bauern unabhängig vom Monsunregen.
Konnte früher nur einmal jährlich nach dem Regen geerntet werden, so erzielen die Bauern jetzt durch eine gesicherte Wasserversorgung drei Ernten innerhalb von zwölf Monaten:
Von den Pumpen profitieren bereits fünf Millionen indische Kleinbauern – fünf von geschätzten 98 Millionen, die auf die Landwirtschaft als Lebensgrundlage angewiesen sind.
Die einfachen Pumpen gibt es nicht gratis, sie sind aber eine preiswerte und zudem wartungsfreie Alternative für jene, die sich keine teure Diesel-betriebene Pumpe leisten können. Populär geworden sind sie übrigens durch die in Indien beliebten Bollywood-Filme. Gezielt in die Handlung eingebaut, spielen die Pumpen dort jeweils ihre Rolle für das glückliche Ende der Geschichte.
Man sieht: Es muss nicht immer High Tech sein, um die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln sicher zu stellen. Erfolgreich sind die Projekte, weil sie sich an der Ausgangssituation und den Lebensgewohnheiten der Menschen vor Ort orientieren.
Was einfachste technische Produkte noch so alles leisten können, davon vermittelt dieser Lesetipp einen Eindruck: Design for the Other 90 Percent
Sollte es tatsächlich keine Person im Kreis der Initiatoren gegeben haben, der aufgefallen wäre, dass man “gentechnikfrei” – auch schon ein blödes Wort – nicht auf “genfrei” verkürzen darf?
Nein?
Na bitte, dann geht. Möglichst ganz weit weg…
]]>Viel zu verdienen gibt es nicht: “Bei gleicher monetärer Bewertung der Arbeitsstunden beider Partner liegt der Stundenlohn für landwirtschaftliche Tätigkeiten bei 12,40 € und für Arbeiten im landwirtschaftlichen Nebenbetrieb bei 9,00 €. Die meisten außerbetrieblich erwerbstätigen Frauen erwirtschaften ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.000 €. Bei der Berechnung des außerbetrieblichen Stundenlohns der Frauen wurde berücksichtigt, dass die Bruttomonatsverdienste von Frauen in Deutschland 24 % niedriger als die der Männer liegen. So ergibt sich für außerbetriebliche Tätigkeiten ein Stundenlohn von 9,50 €.”
Man kann das als Niedergang eines Berufes betrachten; die ministeriale Pressestelle schafft immerhin noch die rhetorische Wende zum Guten: “Es zeige sich, dass der stetige Wandel in allen Bereichen der Landwirtschaft von allen Beteiligten große Flexibilität verlangt und dass sich gerade die Frauen hier mit Engagement und Ehrgeiz der Herausforderung stellen.”
Die Ergebnisse der Befragung gibt es unter dem schönen Titel “Frauen sind ein Gewinn!” auf der Download-Seite des Ministeriums.
]]>Die Milch ist mit rund 8 Milliarden Euro Verkaufserlös und fast 20 Prozent des gesamten Produktionswertes der deutschen Landwirtschaft die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle für Bauern. Ob wir es jemals erleben werden, dass dieser riesige Markt sich selbst regelt und ohne massive Steuergelder auskommt?
Ausführlichst rechnen uns die Vertreter des Berufsstandes seit Monaten vor, wie hoch der Preis für Milch und Getreide sein muss, damit sie überleben. Weniger auskunftsfreudig sind sie, wenn es um ihre EU-Subventionen geht. Eine Reihe von deutschen Bauern hat bereits dagegen geklagt, dass die Höhe ihrer Zuschüsse öffentlich gemacht werden könnte. Nach Deutschland gehen jährlich um die sechs Milliarden Euro Landwirtschaftssubventionen. Europaweit werden 52 Milliarden ausgezahlt.
Wer wieviel bekommt, soll transparenter werden. Die Veröffentlichung der Zahlen ist von der EU offiziell vorgeschrieben. Doch die deutsche Regierung kommt der Aufforderung bisher nicht nach. Unter der Adresse www.agrar-fischerei-zahlungen.de gibt es bislang nur allgemeine Informationen. Mitte Juni werde endlich eine Liste mit den Namen der Begünstigten sowie der Höhe der erhaltenen Subventionen veröffentlicht, will die Berliner Zeitung erfahren haben.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, das größte Stück vom Kuchen erhielte eine kleine Minderheit: “Gemäß den letzten verfügbaren Zahlen erhalten in Deutschland 0,5 Prozent der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro (18% aller Direktzahlungen), während 65 Prozent der Betriebe jeweils bis zu 10.000 Euro erhalten (15% der Direktzahlungen).” Am wenigsten profitieren von den Zuwendungen demnach jene Kleinbetriebe, die derzeit ums Überleben kämpfen.
Man darf auf die Veröffentlichung der deutschen Liste gespannt sein!
Update 17.6.09: Die Zahlen sind seit gestern online.
Lesetipps dazu:
Millionensegen für die Großkonzerne (Focus Online)
Milliarden für Agrarfabriken und Konzerne (Süddeutsche Zeitung)
Südzucker, RWE und Lufthansa profitieren von EU-Agrarsubventionen (Europolitan)
Trinkgelder von der EU (Tagesspiegel)
Wer noch Geld bekommen hat (Zeit Online)
Minister und Bundestagsabgeordnete profitieren von EU-Milliarden (Spiegel Online)
Wer noch einen Grund suchte, beim Einkauf zum Öko-Ei zu greifen, der bekommt ihn jetzt: In Ökohaltung gefundene Bakterienstämme sind viel seltener resistent gegen Antibiotika als jene aus konventioneller Haltung.
“Bio-Hühner” beim Sandbad. Foto: Carmen Fahn / TUM
Tierhygieniker der Technischen Universität München (TUM) waren der Frage nachgegangen, ob Hennen und Eier vom Biohof keimbelasteter sind als die aus konventionellen Betrieben. Immerhin unterliegt der Arzneimitteleinsatz in der Ökohaltung starken Beschränkungen. Konventionelle Eier-Erzeuger warnen daher gern vor einem angeblich größeren bakteriellen Risiko der Bio-Konkurrenz.
Die Forscher besuchten je zehn verschiedene Biobetriebe und zehn konventionelle jeweils viermal, im Abstand von vier Monaten. Per Wattestäbchen nahmen sie jeweils einen Kloakenabstrich von zehn Legehennen und sammelten zusätzlich zehn Eier nach dem Zufallsprinzip ein. Die Untersuchung der 800 Tupfer und 800 Eier zeigte eine nur geringe Belastung durch Salmonellen und Listerien – und zwar bei Öko- und konventionellen Betrieben gleichermaßen. Kein einziges Ei war im Inneren mit Salmonellen verseucht.
Von links nach rechts: Salmonellen, Campylobacter und Listerien auf Nähragar (oben) und unter dem Mikroskop (unten) . Foto: Barbara Dörr / TUM
Untersucht wurde auch die Resistenz der Bakterienstämme gegen 31 verschiedene Antibiotika aus der Tier- und der Humanmedizin. Das Ergebnis, veröffentlicht in “Zoonoses and Public Health”: In Öko-Betrieben lag der Anteil antibiotikaresistenter Bakterien signifikant niedriger als in konventionellen Betrieben.
Fazit der Forscher in ihrer Pressemitteilung (PDF) : “Somit leistet die ökologische Tierhaltung nicht nur einen Beitrag zum Tierschutz, sondern trägt darüber hinaus auch wesentlich zur Sicherung der weiteren Wirksamkeit von Antibiotika bei Mensch und Tier bei.”
Update: Die folgenden Tabellen beziehen sich auf die Diskussion unten.
]]>Entdeckung Nummer zwei: Die Datenbank ist inhaltlich etwas techniklastig. Unter dem Stichwort “apple” denkt sie zuerst an den gleichnamigen Computer-Hersteller, schlägt aber immerhin vor, auch in Richtung “food” weiter zu schalten. Der Link führt zu recht ausführlichen Nährwertangaben. Nicht fündig werde ich dagegen, wenn ich etwas über den Anbau des Obstes wissen will. “apple harvest” führt zu Aktienkursen, mit “apple crop” oder “apple yield” kann das System nichts anfangen. Genauso ergeht es mir mit den Zusätzen “farming” und “agriculture”. Viel mehr als die Nährwerte hat Wolfram Alpha zu Äpfeln offenbar noch nicht zu bieten.
Genauso unbefriedigend verlaufen alle Suchanfragen, wenn man im Bereich Ernährung mehr erwartet als die direkten Nährwerte. Was sich in diesem Feld überhaupt suchen lässt, erläutert die Maschine selbst mit ein paar Vorschlägen für beispielhafte Anfragen.
Immerhin, ein schönes Element findet sich klein am unteren Rand der Ergebnisseite: Die Maschine gibt mir “Source information”, verrät also, auf welche Quellen sie ihre Angaben stützt. Das lädt zum Weitersurfen und Überprüfen ein.
Und das Überprüfen ist empfehlenswert, denn Wolfram Alpha ist nur bedingt zu trauen. Das belegt z.B. die Suche nach Scienceticker.info, einer Nachrichtenseite, an der ich beteiligt bin. Nach Nennung unseres Providers an erster Stelle (warum auch immer) verkündet die Maschine, wir erzielten täglich 70.000 Seitenabrufe. Tatsächlich wird diese Zahl aber nur monatlich erreicht. Als Quelle beruft sich die Wolfram Alpha auf Alexa. Doch woher hat sie wohl unseren “Site rank” von 103.369? Alexa verpasst uns aktuell einen “Traffic rank” von 135.016. Nebenbei bemerkt, ist Alexa eine mit Vorsicht zu genießende Suchmaschine für Webseiten, die recht abenteuerliche Schätzungen vornimmt. Je kleiner ein Webangebot ist, um so verzerrter fallen die Ergebnisse aus.
Wenn sich Wolfram Alpha schon auf Datenbanken wie Alexa verlässt, wie gut sind dann wohl die anderen Quellen für statistisches Material? Und wie häufig wird es aktualisiert? Zu befürchten ist, dass derartige Daten von Wolfram & Co künftig wie selbstverständlich im Web kursieren werden – selbst bei so genannten “Qualitätsmedien”, die ja schon mehrfach auf Falschinformationen hereingefallen sind, weil sie zunehmend das schnelle Ergebnis einer sorgfältigen Recherche vorziehen.
Fazit: Meine erste Wahl für den groben Einstieg bleibt wohl bevorzugt Wikipedia, zumal dort besser dokumentiert wird, wann die Angaben verfasst, ergänzt und geändert wurden.
Aber vergessen wir auch nicht: Wolfram Alpha ist tatsächlich “alpha”, also eine Datenbank im frühesten Stadium ihrer Existenz. Prinzipiell kann daraus noch was Tolles werden…
Ab heute geht der Ausstellungszug “Expedition Zukunft” auf Fahrt kreuz und quer durch Deutschland. Das Projekt soll in erster Linie bei Kindern und Jugendlichen Interesse für Naturwissenschaften und Technik wecken. Bis Ende November wird der Zug für jeweils drei Tage in 60 Städten Station machen.
Die rollende Ausstellung umfasst zwölf umgebaute Waggons auf rund 300 Metern Länge. Entwickelt wurde der Zug von einem Projektteam der Max-Planck-Gesellschaft, als Partner sind aber so ziemlich alle deutschen Forschungsgemeinschaften mit an Bord.
Laut Konzept der Initiatoren soll der Zug “allen Besuchern und speziell jungen Menschen einen Überblick darüber vermitteln, welche Wissensgebiete sich heute weltweit besonders dynamisch und viel versprechend entwickeln und wie diese in den kommenden zwei Jahrzehnten unser Leben beeinflussen.” Dazu wurde die Ausstellung in zwölf individuell gestaltete Themenwagen gegliedert.
Um gleich mit dem Fazit zu beginnen: Wenn es darum geht, “Forschung und Entwicklung jungen Menschen als beruflichen Weg schmackhaft zu machen”, so könnte die Rechnung aufgehen. Die einzelnen Wagen sind abwechslungsreich und originell gestaltet, die Themen werden mehrheitlich multimedial präsentiert, und zahlreiche Geräte zum Anfassen und Ausprobieren gibt es inklusive. Hier ein paar Bilder der schönsten Wagen:
Am Ende jeden Waggons steht ein Terminal, welches anzeigt, an welchen Standorten in Deutschland zu den gerade angerissenen Fragen gearbeitet und gelehrt wird. Wer als Schulabgänger ein Studium in Erwägung zieht, kann hier Anregungen bekommen.
Die Ausstellung hat darüber hinaus weitere hohe Ziele: “Die Expedition Zukunft entführt ihre Besucher in die Welt von morgen, informiert vorausschauend über Themen und Entwicklungen, die gerade erst im Entstehen sind. Es geht also nicht darum, bereits vorhandenes Wissen besser zu erläutern oder bestimmte Technologien zu rechtfertigen. Es geht um Entwicklungstrends und -möglichkeiten, die sich erst andeuten und denen wir uns stellen müssen.”
“Fragen Sie sich manchmal auch, wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird? Wie wir dann wohl leben werden?” Ja, das frage ich mich manchmal auch. Leider beantwortet der Zug mir diese Frage nicht wirklich.
Schon im ersten Themenwaggon werden die Ausstellungsmacher ihrem Konzept untreu, wenn sie in die Grundlagen von Astronomie und Physik einführen wollen. Erklärt wird die Entstehung des Universums, was doch eher wenig mit der Lösung unserer näheren Zukunftsprobleme zu tun hat. Es steht sichtbar die Bedingung im Vordergrund, die Arbeitsfelder aller beteiligten Wissenschaftsgemeinschaften darstellen zu müssen. Auch in den weiteren Themenwaggons bekommen wir deshalb vorwiegend Einblicke in die aktuellen Arbeitsweisen und – techniken von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Das ist interessant, aber eben durchweg Gegenwart. Visionen von der Welt in 20 Jahren sehen wir kaum.
Immer, wenn es um die Zukunft geht, enden die sehr knapp gehaltenen Texttafeln, die nie mehr als zehn Sätze umfassen, mit einer offenen Frage, nie mit einer Antwort. Im Vordergrund stehen durchweg technische Lösungen. Wenn gesellschaftliche oder politische Themen berührt werden, bleiben die Texte auffällig wolkig. Ein Beispiel: Unter der Frage “Wird es eine Welt ohne Krankheiten geben?” feiert der Text erst die moderne Medizin, dann heißt es abschließend: “Neben all diesen Chancen müssen wir auch lernen, mit dem zukünftigen Potenzial der Medizin verantwortungsvoll und gerecht umzugehen.” Inhaltsloser und ängstlicher formuliert habe ich diesen Komplex selten dargestellt gesehen.
Wie oben beschrieben sind die Waggons sehr ansprechend gestaltet. Mitunter ragen die einzelnen Elemente aber so weit in den Gang hinein, dass es zu Staus kommt, sobald interessierte Besucher vor einem Objekt stehen bleiben. Zudem wird in vollen Waggons schnell der Sauerstoff knapp. Zum Luftholen vor die Tür gehen kann niemand, das Öffnen der Waggontüren bleibt dem Notfall vorbehalten. Wer einmal vorne einsteigt, kommt erst am Ende des Zuges wieder ans Tageslicht.
Die Deutsche Bahn, mal nebenbei bemerkt, leistet in Berlin eher lahme Unterstützung. Sie hat den Zug auf Gleis 2 im Tiefgeschoss abgestellt, wo er denkbar versteckt steht. Kein einziges Werbebanner, kein Schild und kein Pfeil weisen den Besuchern den Weg. Erstaunlich, dass trotzdem so viele Berliner am Freitag vormittag zur Ausstellung fanden. Man kann dem Zug nur wünschen, dass das in anderen Städten besser läuft. In Berlin soll die Ausstellung noch einmal zum Ende der Deutschland-Rundfahrt vom 22. bis 24. November zu sehen sein. Vielleicht schafft es die DB ja, bis dahin ein paar Hinweisschilder zu spendieren…
Bei aller Kritik: Insgesamt würde ich einen Besuch der Ausstellung empfehlen. Solange man sich bewusst ist, durch eine PR-Maßnahme zu spazieren, lassen sich interessante Entdeckungen machen. Zu den Ausstellungsstücken, die man ausprobieren kann, gehört beispielsweise der OLPC, der Kindercomputer der Initiative “One Laptop Per Child”. Und ich habe gelernt, wie man die automatische Gesichtserkennung austrickst: Zur Identifizierung von Geschlecht und Gemütszustand benötigt die Kamera den freien Blick auf beide Augen. Wer sich mit der Hand ein Auge zuhält, bleibt unerkannt. Wer weiß, ob man dieses Vorgehen innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht noch gut wird gebrauchen können.
Mehr Infos zur Ausstellung und den 60 Ortsterminen unter www.expedition-zukunft.org
Von diesem Modell wollen auch Milchbauern profitieren, die von den aktuellen Marktpreisen nicht leben können (habe ich hier bereits thematisiert). Deshalb erfanden sie im Oktober 2007 die Kunstkuh Faironika und die Idee von der “fairen Milch”. Hinter dem Konzept steht das “European Milk Board”, ein Zusammenschluss europäischer Bauernverbände.
Der Name klingt gewichtig, die Organisation ist es aber nicht. Faironika fand keine Fans; die Einjahres-Bilanz letzten Herbst fiel “eher ernüchternd” aus. Ihr Ziel höherer Milchpreise hat die Initiative nicht erreicht. Deshalb soll es am 29. April europaweit mal wieder Demonstrationen geben. Das klingt ähnlich originell wie die Forderung nach einem neuen Milchgipfel und die Antwort darauf, den “runden Tisch zur Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelkette in Deutschland”. So simuliert man Politik, deren Scheitern allen Beteiligten vorab klar sein dürfte.
Warum setzt sich kein “fairer Handel” für landwirtschaftliche Produkte aus deutschen Landen durch? Die Frage beantwortet sich, wenn man nach entsprechenden Produkten im Handel sucht. Es gibt sie praktisch nicht. Da müssen natürlich auch biedere Werbefilmchen wie der folgende ins Leere laufen (Vorsicht, bei Klick fünf Minuten Einschlafgefahr!):
Dass der Milchpreis dauerhaft im Keller bleibt, liegt am Überangebot. Es wird einfach mehr Milch produziert als nachgefragt – ein Problem, das der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ja längst erkannt hat, ohne es beheben zu können.
Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma zeichnet sich allerdings auch ab: Er könnte im Aufbau regionaler Märkte liegen. In München gibt es seit Mitte der 1990er Jahre Produkte der Marke “Unser Land”. Diesem Beispiel folgen seit 2007 Berlin und Brandenburg unter dem Slogan “Von hier”. Schon das erste Jahr fiel für die Berliner Regionalmarke besser aus als erwartet. Die Logos geben anonymen Herstellern ein Gesicht und eine Identität, für die die Kunden bis zu 20 Prozent mehr zu zahlen bereit sind. “Es funktioniert, wenn die Produkte nicht anonym sind”, sagt Unternehmensberater Ludwig Karg im Interview mit der “taz”.
Wäre ich Milchbauer, würde ich mich lieber mit den Gründern der Regionalmarken an einen runden Tisch setzen, als mit Bundesministerin Aigner.
]]>Ein Artikel im “New England Journal of Medicine” rechtfertigt jetzt diese Politik. Er stammt von Kelly D. Brownell, Ernährungsforscher an der Yale University und Thomas R. Frieden, “Health Commissioner” der Stadt New York und in dieser Funktion für die Steuererhöhung des Bundesstaates mitverantwortlich.
In ihrem Artikel rechnen die beiden vor, dass eine höhere Steuer das Konsumverhalten der Menschen verändern könne. Der Durchschnittsamerikaner würde dank Preiserhöhung 13 Prozent weniger Softdrinks trinken, rund 8000 Kalorien im Jahr weniger aufnehmen und dadurch rund ein Kilogramm abspecken. “Such a reduction in calorie consumption would be expected to substantially reduce the risk of obesity and diabetes and may also reduce the risk of heart disease and other conditions”, so das Fazit der Autoren. Ganz nebenbei saniert man so den öffentlichen Haushalt: Der Staat New York erwartet 1,2 Milliarden Dollar aus der Softdrink-Steuer.
Klingt das nicht verlockend, auch für die Ohren bundesdeutscher Gesundheitspolitiker? Auf bundesdeutsche Verhältnisse umgerechnet würde durch eine entsprechende Sondersteuer nach Brownell-Frieden-Modell die Dose Cola um 10 Cent teurer. Wetten, das Thema schwappt wie die Anti-Tabak-Diskussion auch zu uns herüber?
Ich kann nicht recht nachvollziehen, wie die beiden Autoren zu ihren Zahlen gekommen sind. Aber mal angenommen, ihre gesundheitsfreundliche Vorhersage träfe zu – muss man dann nicht konsequent weiter denken und nach den Getränken auch Schokolade und andere Süßwaren höher besteuern? Und wie wäre es dann mit Sondersteuern für alle Snacks oder gleich alle Nahrungsmittel, die gesättigte Fettsäuren enthalten? Sollen ja auch weniger gesund sein als ungesättigte Fettsäuren…
Die Schriftstellerin Juli Zeh hat dieser Tage mit “Corpus Delicti” den passenden Roman zum Thema vorgelegt. Darin beschreibt sie eine Gesellschaft des Jahres 2057, in der staatliche Gesundheitsdiktatur herrscht. Ich habe dieses Szenario anfangs für übertrieben gehalten, bin mir mittlerweile aber nicht mehr so sicher.
Dem TV-Magazin “Druckfrisch” hat Zeh ein sehenswertes Interview (hier das Video) gegen den staatlichen Kontroll- und Gesundheitswahn gegeben:
“Rauchen Sie, Frau Zeh?”
“Aber ja. (…) Ich hab´s immer aus Genuss getan, aber seit zwei Jahren tue ich es aus politischen Gründen. Jetzt kann ich nicht mehr aufhören; selbst wenn´s mir nicht mehr schmecken würde, müsst ich´s weiter tun.”
Wie der Zufall es will, strahlte letzte Nacht der SWR den Dokumentarfilm “Blutige Ernte” aus, der sehr anschaulich macht, auf welche Weise wir Europäer mitschuldig an den Flüchtlingswellen werden.
“Blutige Ernte” handelt in erster Linie davon, unter welchen Bedingungen italienische Bauern Tomaten pflanzen und ernten. Als Erntehelfer kamen demnach über viele Jahre hinweg Tagelöhner aus Italien und Afrika zum Einsatz. Seit der Erweiterung der Europäischen Union drängen zusätzlich osteuropäische Wanderarbeiter auf den Arbeitsmarkt; die Tageslöhne der Erntehelfer sind infolge des Überangebots an Arbeitern von 50 auf 30 Euro gesunken. Mancher beginnt sein Tagewerk, ohne zu wissen, was er am Abend ausgezahlt bekommt. Neben diesen schon schlechten Strukturen existiert ein illegaler Markt unseriöser Vermittler, die Erntehelfer wie Sklaven behandelt (man lese u.a. hier weiter).
Die italienischen Bauern sind selbst unter Druck: Chinesische Hersteller können Tomatenpüree noch billiger anbieten; sie exportieren ihre Ware u.a. nach Italien, wo sie nicht selten zu italienischen Produkten umdeklariert wird.
Die Italiener ihrerseits geben den Druck weiter – nach Afrika. Der Film zeigt anschaulich am Beispiel Ghanas, wie Tomatenkonserven “made in Italy” und “made in China” den Markt überschwemmen und die Preise der heimischen Bauern kaputt machen. Europäische Subventionen helfen noch dabei. Die einzige Fabrik Ghanas, die Tomaten verarbeitet, befindet sich im Besitz eines italienischen Konzerns, der noch dazu Ware importiert. Ghanas Tomatenbauern bleibt nichts anderes übrig, als auf dem heimischen Markt ihre Ernte unter Wert anzubieten.
Wenn ihr durch eure Subventionen unsere Lebensgrundlage zerstört, sagt ein ghanesischer Bauer in die Kamera, bleibt uns bald nichts weiter übrig, als zu euch zu kommen. Diese Sätze gingen mir heute morgen durch den Kopf, als ich die Nachricht von den ertrunkenen Flüchtlingen im Radio hörte. Tatsächlich sind ja die Tomatenbauern nicht die einzigen, denen wir mit unseren Billig-Exporten die Existenz zerstören.
Der Film “Blutige Ernte” von Thomas Giefer, Rena Giefer und Karl Hoffmann lief bereits im Oktober 2008 im WDR, damals um 22 Uhr. Gestern beim SWR erst nach Mitternacht. Wie wäre es denn, liebe ARD, ihn aus aktuellem Anlass mal im Ersten zu wiederholen, sagen wir um 20.15 Uhr?
Mehr Infos zur Situation in Ghana gibt es übrigens bei FIAN.
“Focus Online” schreibt: “Der größte Fleischkonsum, über 160 Gramm pro Tag, führte im Vergleich zum geringsten, weniger als 25 Gramm pro Tag, zu einem höheren Sterberisiko, vor allem durch Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.”
“Spiegel Online” schreibt: “So erhöhten Männer, die täglich knapp 250 Gramm rotes Fleisch genossen, ihr Krebstodrisiko um 22 Prozent und ihr Herztodrisiko um 27 Prozent – im Vergleich zu jenen Studienteilnehmern, die nicht mehr als 150 Gramm rotes Fleisch pro Woche zu sich nahmen. Bei Frauen stieg die Gefahr eines Krebstods bei 250 Gramm rotem Fleisch pro Tag um 20 Prozent und die eines tödlichen Infarkts oder Schlaganfalls sogar um 50 Prozent…”
Wo genau man nun auch die Grenze ansetzen mag, ab der Fleischkonsum potenziell ungesund werden kann, so lässt sich wohl eines sagen: Wir Deutschen sind eher nicht gefährdet. Laut bundesdeutscher Statistik essen Männer nämlich nur täglich 103 Gramm Fleisch und Wurstwaren, Frauen sogar nur 53 Gramm. Wir bleiben damit deutlich unter der “Höchstgrenze”. Die deutschen Verzehrzahlen beinhalten übrigens auch das so genannte “weiße Fleisch”, das alle Arten von Geflügel umfasst. Diesem hat die US-Studie sogar eine gegenteilige Wirkung bescheinigt.
Soviel Entwarnung mochten die Onlinemedien ihrem Publikum aber offenbar nicht zumuten. Deshalb verzichten sie darauf, die US-amerikanischen Zahlen einzuordnen.
Dass man durch den Verzicht auf Fleisch auch nicht unbedingt länger lebt, darauf wurde ja schon vor ein paar Tagen in den Scienceblogs hingewiesen: “Vegetarier erkranken häufiger an Darmkrebs”!
Immerhin: Sie haben die freie Wahl, welchem Risiko Sie den Vorzug geben.
]]>Für jeden, der in Pankow mit Lebensmitteln handelt, hatte die amtliche Lebensmittelüberwachung heute eine gute und eine schlechte Nachricht parat. Demnach dürfen jene Händler und Restaurantbesitzer, die eine amtliche Kontrolle positiv bestanden haben, ihr Geschäft mit einem Smiley-Aufkleber schmücken. Wer allerdings negativ auffällt, wird auch veröffentlicht – auf einer Liste, die der Öffentlichkeit zum Download bereit steht.
Diese Form des Online-Prangers dürfte bundesweit einzigartig sein. Bisher wurden Händler, die mit verdorbenen Lebensmitteln für Schlagzeilen sorgten, nur selten namentlich genannt. So gesehen ist die frei zugängliche Negativliste ein Fortschritt.
Ich habe allerdings auch etwas Bauchschmerzen, wenn ich mir den heutigen Start der Aktion ansehe: Auf der Positivliste finden sich gerade mal zwei Gastronomiebetriebe und drei Altenpflegeheime. Weitere 60 Betriebe befänden sich in der Prüfung, schreibt der Bezirk. Auf der Negativliste stehen derweil 39 Betriebe. Insgesamt gibt es im Bezirk Pankow aber um die 7.000 Lebensmittelhändler und -hersteller sowie 2.500 Gastronomen. Laut “Tagesspiegel” sagte der Ordnungsstadtrat, es habe bei 2.300 der 7.000 Lebensmittelbetriebe “immer wieder Beanstandungen” gegeben. Wie kommt es dann zu der Auswahl der 39 “Sünder”?
Die Liste suggeriert, es finde eine regelmäßige Qualitätskontrolle statt. Der Bezirk verfügt aber nur über ein Dutzend Prüfer – also einer auf rund 800 Betriebe. Man kann sich ausrechnen, wie selten Kontrollen im Alltag durchgeführt werden. Wer einmal auf die “schwarzen Liste” kommt, ist womöglich pleite, bevor er bescheinigt bekommt, dass er sich um Verbesserungen bemüht hat. Andere schwarze Schafe bleiben dagegen über Monate oder Jahre unentdeckt, wenn sie nur etwas Glück haben.
Die Smiley-Auszeichnung steht für eine Momentaufnahme. Wer den Button ans Schaufenster kleben darf, wird nicht häufiger kontrolliert als seine Mitbewerber auch. Das Positivzeichen zu bekommen, dürfte aber angesichts der kleinen Zahl der Prüfer und der großen Zahl der Betriebe eine Menge Geduld von den Gewerbetreibenden erfordern.
Ich bin gespannt, ob sich weitere Berliner Bezirke dem System anschließen. Und ja, in welcher der beiden Listen sich meine Stammlokale wiederfinden, interessiert mich natürlich auch…
In Nigeria stehen Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Maniokwurzeln kurz vor der Zulassung. US-amerikanische Forscher erhoffen sich von der Pflanze eine Verbesserung der Ernährung in Entwicklungsländern.
Die aus Südamerika stammende Maniokwurzel gehört in vielen tropischen und subtropischen Ländern zu den Grundnahrungsmitteln. Ihre Wurzel lässt sich zu Mehl verarbeiten, ihre Blätter als Gemüse verzehren. Für rund 800 Millionen Menschen ist die Wurzel unverzichtbar, etwa 250 Mio. davon leben im südlichen Afrika.
Die Knollen sind allerdings arm an Nährstoffen und anfällig für Pflanzenkrankheiten. Das soll sich im Rahmen des Projekts “BioCassava Plus” ändern. Seit 2005 arbeitet eine internationale Forschergruppe daran, den Nährstoffgehalt der Maniokwurzel gentechnisch deutlich zu erhöhen. Finanziert wird das Projekt von der “Bill and Melinda Gates Foundation”.
Der Leiter des Projektes, Richard Sayre vom Donald Danforth Plant Science Center in St Louis gab jetzt einen Zwischenbericht zum Stand der Entwicklung ab. Demnach soll es gelungen sein, den Gehalt von Beta-Karpotin auf das 30-Fache zu erhöhen. Auch der tägliche Bedarf an Eisen, Zink und Vitamin E ließe sich durch den Verzehr von 500 Gramm der Gentech-Wurzel abdecken. Das stellte Sayre auf der Jahresversammlung der “American Association for the Advancement of Science” in Chicago in Aussicht. Nebenbei sollen einige Versuchssorten der Wurzel auch weniger anfällig gegenüber Krankheiten und länger haltbar sein sowie weniger Giftstoffe enthalten, die bei falscher Verarbeitung in die Nahrung gelangen können.
Wie SciDev.Net berichtet, sollen jetzt in Nigeria erste Freilandversuche genehmigt werden; als zweites Land könnte Kenia den Anbau im Laufe des Jahres zulassen. Die Gentech-Wurzel würde in beiden Fällen vorerst nur an Tiere verfüttert werden.
Sayre sagte gegenüber SciDev.Net außerdem, man bilde bereits afrikanische Forscher in biotechnologischen Verfahren aus. Diese sollten später vor Ort die Pflanzenzucht betreuen und die Sorten nach lokalen Bedürfnissen weiter entwickeln. Dieser Ansatz klingt recht vielversprechend. Ich habe bisher nur von wenigen Projekten gelesen, die tatsächlich versuchen, den Bedingungen in Entwicklungsländern gerecht zu werden. Es bleibt auf jeden Fall spannend zu verfolgen, ob den modifizierten Wurzeln der Sprung vom Labor ins Freiland gelingt.
Der Artikel träumt sich zurück auf einen “kleinen Bauernhof im Bayerischen Wald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges”, wo die Butter noch in Handarbeit gewonnen wurde und in den Augen der Konsumenten entsprechend wertvoller war. Harte Arbeit, ehrliches Handwerk, gute alte Zeit. Schließlich muss der Text aber doch einräumen: “Unsere Butter des Jahres 2009 für 65 Cent schmeckt keinesfalls schlechter. Das muss man ehrlicherweise eingestehen.”
Das bittere F.A.Z.-Fazit: “Das Superhirn des Superorganismus bestimmt, was gerade wertvoll ist. Butter ist es nicht, Kaugummi schon. Am wertvollsten sind Produkte, die keine sind, Festgeldanlagen etwa oder Bundesschatzbriefe.” Das ist nicht unwitzig für ein Blatt, das in schöner Regelmäßigkeit Festgeldanlagen und Bundesschatzbriefe wärmsten empfiehlt.
Ich habe ja den Verdacht, dass der Autor in seinen rührseligen Zeilen weniger an die Landwirtschaft und den Lebensmittelhandel denkt, sondern an den Verfall von etwas anderem ehemals Wertvollem: dem Journalismus selbst. Nichts beschäftigt Schreiberlinge zur Zeit stärker. Kann man die gedruckte Zeitung retten? Lässt sich online Geld eintreiben? Sollen Blogger um Spenden bitten?
Ist Journalismus vielleicht wie Butter? Mit einer Menge Arbeit verbunden, jedoch dem stetigen Preisverfall ausgeliefert? War nicht auch im schreibenden Gewerbe nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Welt noch in Ordnung, als eine freie Presse frisch aufgebaut werden konnte und die Menschen gern Gedrucktes lasen?
So schauen wir Schreiberlinge denn dieser Tage voll Mitleid auf die Bauern und erkennen in ihnen erschreckt unsere eigene Zukunft….
]]>Der Audio-Beitrag erklärt unter anderem, warum man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man das oft propagierte “Fünf-mal-Obst-und-Gemüse-am-Tag” nicht einhält und warum Spaß am Essen mindestens so wichtig ist wie die Inhaltsstoffe einer Mahlzeit. Er macht klar, dass man bei normaler abwechslungsreicher Kost keine zusätzlichen Vitamine braucht und dass um irgendwelche “gesunden” Stoffe angereichertes “Functional Food” unsinnig ist.
Gut, das kann man alles schon wissen, aber auch gar nicht oft genug sagen. Wenn Sie sich also gerade eine halbe Stunde Zeit nehmen können, dann klicken Sie doch einfach mal hier zum Starten der MP3-Datei.
]]>Wie ein Blick in die Wikipedia verrät, sind in Japan wohl schon über 30 Varianten der Knusperwaffel auf den Markt gekommen. Ich vermute mal, die meisten davon gab es auch nur als “limited edition”, wie die drei aktuellen Produkte.
Ich frage mich, warum nur der Raum Tokio für solche Tests zum Einsatz kommt. Mein heimisches Berlin wäre dafür auch bestens geeignet! Aber nein, wir deutschen Konsumenten sollen uns gerade mal mit vier langweiligen Schoko-Varianten abfinden. Sorry Nestlé, aber so kommen wir zwei nicht ins Geschäft.
]]> Bauer Paul Nelson aus Newcastle gehört zu jener Hälfte britischer Viehhalter, die ihren Tieren individuelle Namen geben. Das Foto links zeigt ihn mit seiner Kuh “Highlight”. Dieser schmeichelhafte Name scheint dem Tier zu gefallen: Es liefert seinem Besitzer überdurchschnittlich viel Milch.
Foto: Newcastle University
In letzter Zeit habe ich in diesem Blog wiederholt über Milch geschrieben. Dazu passt sehr schön als Ergänzung die heutige Meldung der Newcastle University, nach der Kühe mehr Milch geben, wenn sie von ihren Haltern mit Namen angesprochen und als Persönlichkeit behandelt werden.
Catherine Douglas und Peter Rowlinson von der School of Agriculture, Food and Rural Development hatten 516 britische Viehhalter befragt. 46 Prozent gaben an, ihre Tiere per Namen anzusprechen. Die Milchleistung lag in den entsprechenden Betrieben um jährlich 258 Liter über der der Konkurrenz.
Das ist erst einmal eine schöne Meldung, die das Herz von Tierfreunden und Öko-Fans höher schlagen lassen dürfte, denn die Namensgebung steht ja nur stellvertretend für eine gute Pflege der Kühe. Behandle dein Tier mit Respekt und es dankt dir mit höherer Produktivität! Für Familienbetriebe, die 50 bis 80 Kühe halten, kann das eine vielversprechende Methode sein. Grundsätzlich ist das auch gar nichts Neues; ein (konventionell arbeitender) Milchbauer hat mir vor Jahren mal stolz versichert, er erkenne alle seine 75 Tiere an ihren individuellen Persönlichkeiten.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ein kühl kalkulierender Agraringenieur, dessen Tierbestand im dreistelligen Bereich liegt, auch so vorgehen kann. Zum einen wird er sich kaum die Namen aller Kühe merken können oder wollen, zum anderen wird er angesichts der Menge von 258 Litern vielleicht auch nur müde lächeln. Eine Durchschnittskuh kommt locker auf 8.000 Liter Milch jährlich, speziell auf Milchleistung gezüchtete “Turbokühe” liefern auch 10.000 bis 14.000 Liter. Die persönliche Ansprache jedes einzelnen Tieres brächte dann nur noch eine Steigerung von 2 Prozent. Ob sich dann der Mehraufwand der individuelleren Behandlung noch rechnet?
]]> Es ist nicht immer die beste Lösung, den Zustand eines Lebensmittels so “natürlich” wie möglich zu belassen. So spricht beispielsweise einiges dagegen, Rohmilch direkt beim Bauern zu kaufen.
Letzte Woche habe ich mich an dieser Stelle schon mit dem Thema Milch beschäftigt. Und heute lese ich im Fischblog einen Beitrag, der den Anstieg von Campylobacter-Infektionen thematisiert. Dieses Thema ist, wie Lars Fischer in seinem Blog schon anmerkt, auch für den Milchkonsumenten von Bedeutung.
Manche Arten von Campylobacter-Bakterien sind für den Menschen gefährlich. Dazu gehören solche, die in Geflügel, Rindern, Schweinen oder Schafen vorkommen. Die Bakterien können Durchfall, Krämpfe und Fieber auslösen. Besonders groß ist die Gefahr der Übertragung durch Geflügelfleisch, weil über ein Viertel der im Handel befindlichen rohen Ware als belastet gilt. Deshalb muss rohes Geflügel in der Küche auch mit besonderer Sorgfalt verarbeitet werden, um die Bakterien nicht auf andere Lebensmittel zu übertragen.
Aber zurück zu unserem Thema: Campylobacter kann vom Rind auch über die Milch auf den Menschen übertragen werden. Die im Lebensmittelhandel erhältliche Frischmilch ist in der Regel mindestens pasteurisiert. Bei der Pasteurisierung wird die Milch für maximal 40 Sekunden auf 75 Grad Celsius erhitzt. Dadurch werden die meisten schädlichen Bakterien abgetötet. Erhitzt man die Milch auf bis zu 127 Grad Celsius, darf sich die so erzeugte ESL-Milch immer noch “Frischmilch” nennen, sie ist dann aber mehrere Wochen länger haltbar (siehe Text von letzter Woche).
Über die ESL-Milch kann man sicher streiten, meiner Meinung nach aber eher unter geschmacklichen Gesichtspunkten. Ich finde, sie hat einen leichten Beigeschmack, der an Kondensmilch erinnert. Deswegen bevorzuge ich die “klassische” Frischmilch, die innerhalb einer Woche verbraucht werden muss.
Ein Irrtum wäre es allerdings, das Thema Frische auf die Spitze treiben zu wollen und Rohmilch direkt beim Bauern zu kaufen. Das Risiko, sich auf diesem Wege eine große Portion Keime in den Kühlschrank zu holen, ist recht groß. Laut der entsprechenden Verordnung zum Lebensmittelhygienerecht (hier als PDF, siehe Artikel 2 § 17 auf S. 1831, im PDF die Seite 16) darf Rohmilch nur ausnahmsweise direkt vom Erzeuger abgegeben werden, wenn sie maximal 24 Stunden alt ist. Unbedenklichkeit garantiert das nicht. So manche Schulklasse hat den Genuss von Rohmilch beim Bauernhof-Besuch schon mit kollektivem Durchfall bezahlt.
Die Bundesanstalt für Milchforschung (BAfM) in Kiel hält den Direktverkauf von Milch für “nicht unproblematisch“. Sie entdeckte im Jahr 2002 bei Kontrollen von 149 Proben von “Milch-ab-Hof” in 20 Prozent der Fälle (= 30 Proben) Krankheitserreger.
Das Friedrich-Loeffler-Institut veranstaltete im letzten Juni eine Experten-Tagung zum Thema Campylobacter und bezeichnet das Bakterium als “vielfach unterschätzt”: “Während von kontaminiertem Geflügelfleisch zumeist Einzelerkrankungen ausgehen, können nicht pasteurisierte Milch und kontaminiertes Trinkwasser zu Gruppenerkrankungen führen. Zum Auslösen einer Infektion reicht schon eine vergleichsweise geringe Anzahl von rund 500 Keimen aus.”
Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt seit Jahren: “Rohmilch sollte vor dem Verzehr unbedingt durcherhitzt werden!” Aber worin besteht dann noch der Vorteil dieses Produktes?
Eine Milch-Variante, die auch im Lebensmittelhandel verkauft werden darf, ist die so genannte Vorzugsmilch, für die Rohmilch immerhin gefiltert wird und die dadurch deutlich weniger Keime enthält. Sie ist allerdings innerhalb von 96 Stunden zu verbrauchen. Ich schätze, selbst bei guter Logistik dürften dem Konsumenten maximal drei Tage bleiben, bevor er durch die Verwendung derartiger Produkte ein gesundheitliches Risiko eingeht.
Da bleibe ich doch lieber meiner pasteurisierten Bio-Vollmilch treu und verzichte auf das Maximum an “Natürlichkeit”…
Warum, lieber Softdrink-Konzern, bringst Du nicht endlich das in den USA unheimlich erfolgreiche “VitaminWater” auch auf den deutschen Markt? Das Getränk wäre bestimmt auch bei uns ein irrer Erfolg. Und Du brauchst das Geld doch sicher dringend, wo Du jetzt wegen genau diesem VitaminWater in den USA verklagt wirst, oder?
Na gut, lieber Coca-Cola-Konzern, Du bist schon alt und etwas träge. Aber das macht nichts, große Konzerne sind eben so. Dafür hast Du viel Geld, um Dir Ideen einzukaufen. Mitte 2007 hast Du das Unternehmen Glacéau eingekauft. Dessen Gründer J. Darius Bikoff hatte 1996 die tolle Idee, den Amerikanern Leitungswasser ganz neu anzubieten. Er versetzte das billige Nass mit Vitaminzusätzen, weil die Amerikaner von Vitaminpräparaten einfach nicht genug bekommen können. Und bereit sind, für Produkte mit Vitaminzusätzen einen satten Aufpreis zu bezahlen.
Das Tollste ist aber zweifellos die Verpackung von VitaminWater: Das Produkt kommt sehr medizinisch daher, nicht so bunt wie andere Softdrinks. Konsequent verzichtet es z.B. darauf, Früchte der einzelnen Geschmacksrichtungen abzubilden. Das ist ja auch nur ehrlich, weil der Fruchtsaftanteil unter einem Prozent liegt. Aromastoffe können die Fruchtsorten heutzutage sowieso viel besser darstellen, also ist das kein Problem. Hauptsache, das Wasser gibt es in verschiedenen Farben, das simuliert eine zeugt von einer großen Produktvielfalt.
Die scheinbar neutrale Verpackung sieht sowas von medizinisch aus, dass man die Flaschen am ehesten in der Apotheke suchen will. Den Gang kann man sich aber sparen, denn das Zeug hat jeder US-Supermarkt im Angebot, gleich neben Coke und Pepsi und den anderen bunten Sachen, die viiiiiel ungesünder aussehen.
Deshalb, Coca-Cola, hast Du für die Firma 4,1 Milliarden US-Dollar bezahlt. Die wollen jetzt wieder eingespielt sein. Da kommt es eher ungelegen, dass das Center for Science in the Public Interest (CSPI) Dich wegen Irreführung der Verbraucher verklagt. Das CSPI ist eine dieser lästigen Verbraucherorganisationen, die der Lebensmittelindustrie in den USA das Leben schwer machen wollen.
In seiner Klage wirft Dir das CSPI vor, Du würdest den Verbrauchern Zuckerwasser als gesund verkaufen. Dabei enthalte Dein VitaminWater pro Flasche mit 591 ml genau 33 Gramm Zucker, also fast soviel wie eine Dose Coca-Cola. Aber wozu die Aufregung? Das steht doch schon auf jeder Flasche drauf! Na gut, nicht so direkt. Tatsächlich ist von 13 Gramm Zucker die Rede. Aber im Kleingedruckten steht ja auch, dass das pro Portion gilt. Und eine Flasche enthält 2,5 Portionen. Da muss der Konsument eben die Angaben aus der Nährwerttabelle umrechnen. Ist denn das zuviel verlangt?
Genau genommen sind die 33 Gramm Zucker auf 591 ml sogar ein sehr sparsamer Einsatz. Die gleiche Menge Coca-Cola enthält nämlich rund doppelt soviel. Ist das VitaminWater nicht allein dadurch schon eine gesunde Alternative? Dafür darf es auch etwas teurer sein: Je Flasche sind 1,50 US-Dollar zu zahlen, die gleiche Menge Coca-Cola kostet 1,40 US-Dollar. Zuckerverzicht muss man sich was kosten lassen. Verständlich, dass eine Coca-Cola-Sprecherin die Klage gegenüber der Presse als “lächerlich” bezeichnet.
Also nochmal, lieber Coca-Cola-Konzern: Mehr Mut! Bring das Zeug endlich auch bei uns raus, bevor die Brause einen schlechten Ruf weg hat und der sich bis nach Deutschland rumspricht. Wir müssen uns hier bisher mit peinlichen Obstdrinks begnügen, wenn wir Vitamine trinken wollen. Manche essen gar aus Verzweiflung richtiges Obst, obwohl man das doch kauen muss und die Finger hinterher auch immer so kleben. Brrrr! Also her mit den Medizinfläschchen!
]]>Damit der Bio-Preis dauerhaft hoch bleibt, haben Biobauern, Molkereien und der Biofachhandel am Montag eine “Erklärung zum Bio-Milchmarkt” (hier als PDF) vorgelegt, die man unfreundlich formuliert eine Preisabsprache nennen könnte. “Faire Preise
sichern die hohe Bio-Qualität, Preisdumping gefährdet sie”, heißt es in der Erklärung. Die Befürchtung dahinter: Je stärker die Discounter in den Biomarkt einsteigen, um so mehr Druck können sie auf die Produzenten ausüben.
Die geringe Haltbarkeit von Frischmilch war bisher von Vorteil für die deutschen Produzenten; sie machte Importe unattraktiv. Doch der Siegeszug der so genannten ESL-Milch, die für drei bis vier Wochen “frisch” bleibt (die Technik dahinter wird sehr gut erklärt im Fischblog), könnte ausländischen Molkereien einen Zugang zum deutschen Markt erlauben.
Zweimal “frische Vollmilch”, zweimal Bio, aber auch zweimal mit “extended shelf life” (ESL)
Weil die ESL-Milch bei der Verarbeitung “nur” auf 127 Grad Celsius erhitzt wird, gilt sie nicht als H-Milch, die bei 135 Grad Celsius ultrahocherhitzt wird. Dass sich das ESL-Produkt als “frische Vollmilch” ausweisen darf, ist einer Gesetzeslücke zu verdanken: Die seit etwa fünf Jahren angewandte Technik ist noch nicht im bundesdeutschen Vorschriften-Dickicht angekommen. Anders ist das etwa in Österreich, wo ESL-Milch nicht als “frisch” bezeichnet werden darf.
Für den Konsumenten stellt die längere Haltbarkeit offenbar einen großen Vorteil dar, denn die ESL-Milch hat sich über die Jahre einen immer größeren Marktanteil erobert. Neuerdings verzichten manche Discounter sogar ganz auf das Anbieten von “echter” Frischmilch. Die Hamburger Verbraucherzentrale kritisiert die Verdrängung der Frischmilch und bezeichnet sie gar als “ökologisch kaum vertretbar“. Ich halte das für ein irreführendes Argument, wenn man bedenkt, dass sich der Milchabsatz nie richtig planen lässt und der Handel regelmäßig Kartons mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum vernichten muss. Mit ESL-Milch lässt sich besser kalkulieren, was dem Händler Verluste erspart.
Der Wandel in Technik und Konsumverhalten zusammen sind es also, die den Milchmarkt kräftig in Bewegung versetzen. Vor diesem Hintergrund sind die Angst der Biobauern vor einer weiteren Globalisierung und ihr Appell, “faire Preise” zu zahlen, sicher verständlich. Bleibt abzuwarten, wie bewusst die Bio-Kundschaft ihre Marktmacht einsetzt…
]]>Wäre da der deutsche Lebensmittelhandel nicht gut beraten, eine Känguru-Kampagne zu starten? Entsprechende neue Produkte könnten nicht nur den Konsum beleben (Wirtschaftskrise gelöst!), sondern auch helfen, die nächsten Klimaziele zu erreichen. Australische Forscher lieferten bereits die wissenschaftliche Argumentation dafür: Wenn Australiens Fleischkonsumenten jeweils ein Drittel des Schaf- und Rindfleisches durch den Verzehr von Kängurus ersetzten, würde dies glatt drei Prozent des auf dem Kontinent freigesetzten Methans sparen (in Conservation Letters; sehr ausführlich dazu mehr im New Scientist).
Probieren Sie bei Gelegenheit übrigens auch mal heimisches Reh oder Wildschwein. Wer etwa in Berlin und Brandenburg mit Jägern spricht, der hört sie über den schlechten Absatz des Fleisches klagen. In den Wälder wächst derweil mangels natürlicher Feinde viel mehr Wild heran, als das Ökosystem verträgt. Wer nicht länger die Zucht von Rind und Schwein unterstützt und stattdessen Wild auf den Speiseplan setzt – schützt der die Natur nicht gleich doppelt?
2. Die Preise für echte Vanille explodieren
Vanille ist als Aroma sehr beliebt und in vielen Produkten verbreitet. Doch die echte Gewürzvanille (Vanilla planifolia) kommt dabei seltenst zum Einsatz. Zum einen sind entsprechende Ersatzstoffe viel billiger, zum anderen gibt es von der echten Vanille gar nicht genug auf dem Markt.
Und es wird künftig noch weniger geben, denn wichtige Anbaugebiete auf Madagaskar werden gerade von einer Pilzerkrankung heimgesucht. In zwei der drei großen Anbaugebiete sind 80 Prozent der Pflanzen befallen. Biologen machen zu dichte Pflanzungen für die schnelle Verbreitung des Pilzes verantwortlich und empfehlen den Umstieg auf resistente Sorten. Vanille-Fans lagern besser rechtzeitig ihren Bedarf an Schoten ein, bevor der Engpass die Preise explodieren lässt.
3. Bio wird vielfältiger, aber “verwässert”
Zum 1.1.2009 tritt eine neue EU-Öko-Verordnung in Kraft, die für Konsumenten Vor- und Nachteile bringt (Hier die Änderungen als PDF). Aufmerksame Verbraucher werden auf der Verpackung künftig mehr Angaben zu den Zutaten finden. Den Herstellern wird aber gleichzeitig erlaubt, plakativ mit einzelnen ökologischen Bestandteilen zu werben, selbst wenn überwiegend konventionelle Rohstoffe enthalten sind. Dem Kleingedruckten muss dann entnommen werden, wie groß der Öko-Anteil wirklich ist. Herstellern ist künftig auch der Einsatz von Zusatzstoffen, die mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden, nicht mehr uneingeschränkt verboten.
Wir werden vermutlich mehr Bio-Ware im Supermarkt finden als bisher, müssen aber noch genauer hinsehen, was wir da kaufen. Um die Verwirrung noch etwas zu vergrößern, plant die Europäische Kommission zudem ein neues Öko-Siegel – da kann es ja nie genug von geben – und wird dafür einen studentischen Designwettbewerb ausschreiben. Wenn das neue Zeichen genauso …äh… originell ausfällt wie die bisherigen Slogans der Kommission, ist der Erfolg vorprogrammiert.
Ich bin mir sicher: Von diesen Themen werden wir 2009 noch viel hören.
]]>Vergessen wir mal für einen Augenblick jenes Gesundheits- und Wellness-Blabla, das gern zur Rechtfertigung des Schokoladenkonsums herangezogen wird (a la “Schwarze Schokolade ist gut für das Herz” etc.). Man darf neuerdings auch politisch argumentieren, denn die Süßigkeit kann die Welt mit dem Verzehr jeder Tafel und jedes Schoko-Nikolauses ein bißchen besser machen: Der nötige Kakao wird immerhin fast ausschließlich in kleinbäuerlichen Strukturen angebaut. Die entsprechenden Familienbetriebe liegen überwiegend in den ärmsten Ländern der Erde – zu 70 Prozent in Afrika mit den Schwerpunkten Ghana und Elfenbeinküste. Wer regelmäßig Kakao isst oder trinkt, sichert ganzen Generationen ihren Unterhalt.
Kakao ist recht “sauber”: Weil sich die wenigsten Bauern Pflanzenschutz- und Düngemittel leisten können, finden sich in der Ernte auch kaum entsprechende Rückstände. Für uns Konsumenten ist das ein eindeutiger Vorteil. Das Problem dabei: Die Kakao-Plantagen liegen meist in Regenwäldern, die Böden sind nach wenigen Ernten verbraucht. Dann wandern die Bauern weiter und brandroden Wälder für neue Anbauflächen; sie hinterlassen ausgedörrte Böden.
Problem Nummer zwei: Weil an den Kleinbauern nur wenig Geld zu verdienen ist, wurde in die Veredelung der Kakaopflanzen und die Züchtung widerstandsfähiger Sorten seit langem kaum investiert. Der Kakao ist noch nicht auf die sich abzeichnende trockenere Zukunft vorbereitet. Monokulturen haben zudem die Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten begünstigt; in Mittel- und Südamerika sind die Pilzkrankheiten “Witches’ Broom” und “Frosty Pod” weit verbreitet. Die Schäden betragen jährlich um die 500 Millionen Euro. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Krankheiten auch Afrika und Südostasien erreichten, sagen Biologen voraus.
Mit der Mars Inc. kommt den Bauern jetzt ausgerechnet einer der mächtigsten Lebensmittelkonzerne zu Hilfe – nicht ganz uneigennützig, denn Mars ist der weltgrößte Verarbeiter von Kakao und daher auf kontinuierliche Versorgung angewiesen. Zusammen mit dem US Department of Agriculture (USDA) in Florida wird seit Mitte des Jahres an der Entschlüsselung des Kakao-Erbgutes gearbeitet. Die Daten sollen der Wissenschaft frei zur Verfügung gestellt werden, versprechen die Initiatoren. Ziel der Forscher ist es u.a., die noch strittige Herkunft der Kakaopflanze zu klären. Die Hinweise mehren sich, nach denen das Umland des oberen Amazonas die Heimat des Kakaos sein könnte. In den “Ahnen” der heutigen Kulturpflanze könnten sich natürliche Abwehrstoffen gegen Pilzerkrankungen finden lassen, hoffen die Forscher.
Außerdem sollen ertragreichere Sorten gezüchtet werden. Größere robustere Pflanzen, so das Kalkül, könnten den Bauern bessere Ernten bescheren. Hätten die Kleinbetriebe die finanziellen Mittel, in Dünger zu investieren, könnten sie ihre erschlossenen Flächen dauerhaft nutzen, was die Rodung der Regenwälder erübrigen würde.
Im November fand in Ghana eine von Mars unterstützte Konferenz für Farmer und Forscher aus 14 afrikanischen Ländern statt, um einen sowohl ertragreicheren als auch nachhaltigen Anbau von Kakao voranzutreiben.
Ein Ansatz könnte darin liegen, Kakaoanbau und Waldwirtschaft besser miteinander zu kombinieren. Weil der Kakao Schatten liebt, könnte er gut unter Bäumen wachsen. Und mit dem Verkauf von Holz könnten sich die Bauern ein zweites wirtschaftliches Standbein aufbauen – vorausgesetzt, eine nachhaltige Nutzung der Flächen gelingt.
Ob ausgerechnet ein Konzern wie Mars Inc. der richtige Helfer für die afrikanischen Bauern ist, von denen nicht alle unter demokratischen Verhältnissen leben, darf mit Skepsis betrachtet werden. Es wird auf jeden Fall spannend zu verfolgen sein, ob alle Parteien letztlich wirklich an einem Strang ziehen…
Mehr zum Thema Schokolade in diesem Blog:
Wissen ist Macht
Schokolade, Mandarinen und die Lebensmittelsicherheit
Weltweit sind es wohl wir Städter, die in Hund und Katze eher einen Lebensgefährten denn ein x-beliebiges Tier sehen. Auf dem Land dagegen, wo die Menschen noch mit realen Schweinen, Rindern und Geflügel statt mit sauber abgepackten abstrakten Fleischstücken in Berührung kommen, da gilt ein Hund oder eine Katze nicht mehr als jedes andere Nutztier auch.
Deshalb gehen in Peking jetzt die ersten Tierschützer gegen die Schlachtung von Katzen auf die Straße, während man sich in der ländlichen Provinz Guangdong noch nichts dabei denkt, tausende Haustiere täglich zu verzehren.
Das Stadt-Land-Gefälle ist übrigens keine asiatische Spezialität, auch mitten in Europa – genauer in der Schweiz – ist es offenbar nicht unüblich, sich zumindest gelegentlich von Hunden und Katzen zu ernähren. Dem europäischen Verbot mag sich die schweizer Regierung nicht anschließen. “Offenbar tut man sich schwer, eine ländliche Tradition zu verbieten, die jetzt wieder auflebt.”
]]>Aber muss deshalb gleich der Hannoversche Heise-Verlag, der eine deutsche Lizenzausgabe verantwortet, nun jede MIT-Zeile kritiklos nachdrucken? Und noch dazu im hauseigenen Ticker “heise online” Meldungen veröffentlichen, welche die TR-Geschichten eine Spur zu stark zur Erfolgsmeldung drehen?
Gestern habe ich bereits ein Beispiel benannt, heute geht es munter weiter. So meldet Heise:
Eine Forschergruppe am MIT hat Joghurtbakterien so manipuliert, dass sie sich nicht nur als Zwischenmahlzeit eignen, sondern gleichzeitig auch die Zähne schützen können. (…) Wer ein so verändertes Joghurt isst, soll bereits von der Schutzwirkung profitieren, die mehrere Wochen anhält.
Wer allerdings neugierig geworden die Langmeldung anklickt, wird enttäuscht:
Der nächste Schritt ist nun, diese DNA-Abschnitte in das Joghurtbakterium Lactobacillus bulgaricus einzupflanzen. Soweit sind die Studenten zwar noch nicht, doch sie haben bereits erfolgreich fremde Gene in den Mikroorganismus eingefügt, was zeigt, dass er sich für weitere gentechnische Veränderungen eignet.
Mit Joghurtkulturen kann man so einiges anstellen. Ob das den Zahnschutzeffekt schon beweist, wage ich zu bezweifeln.
Wenn der vollständige Mikroorganismus dann hergestellt ist, würde es ausreichen, Joghurt zu essen, um ihn auf den Zähnen anzulagern, wo dann das Peptid produziert würde.
Wieder mal “wenn”. Und wenn nicht, dann nicht.
Jeden Tag klicke ich mich auf der Suche nach News durch Pressemeldungen von Universitäten und Forschungseinrichtungen, die das Finden eines Puzzleteilchens dazu nutzen, das Erreichen ihres großen Ziels vorweg zu nehmen. Einem PR-Arbeiter mag das legitim erscheinen, als Journalist auf Themensuche findet man sowas ermüdend. Schade, dass solche halbgaren Geschichten jetzt kritiklos auf das Publikum losgelassen werden. Schade auch, dass “heise online” die Vorlage so zuspitzt, dass die Meldung zur Falschmeldung mutiert.
]]>“Studenten haben im Rahmen eines Wettbewerbs eine Biersorte geschaffen, deren Hefe den potenziell lebensverlängernden Stoff Resveratrol absondert.”
Klickt man aber die komplette Meldung an, liest man über die Studenten:
“Sie versuchen, eine Hefe zu erzeugen, die den im Rotwein enthaltenen Wirkstoff Resveratrol, dem die Alterung verlangsamende Fähigkeiten nachgesagt werden, auch in den Gerstensaft holt.”
Zwischen “haben … geschaffen” und “versuchen” besteht ein gewisser Unterschied. Die Tatsache aus dem Teaser verwandelt sich im Text in eine Absicht, eine Hoffnung, eine bloße Ankündigung, etwas erreichen zu wollen. Schade, dass die Redaktion dies nicht zu unterscheiden weiß.
Die eigentliche Langfassung bei “Technology Review”, dem Magazin für den tapferen Techno-Optimismus, liest sich aber auch zu euphorisch. Sie nimmt das angestrebte Ziel bereits vorweg: “Das Ergebnis nennt sich “BioBeer” – das Bier mit der gesundheitsfördernden Wirkung.” Was an dem geplanten Gebräu “Bio” sein könnte, das fragt die Autorin nicht. Aber so kleinlich darf man heutzutage, in den Zeiten des Journalismus 2.0, wohl nicht mehr sein.
Die wohl wichtigste Aussage steht etwas beiläufig eingeflochten etwa mittig im Artikel:
“Die Idee eines Resveratrol-Biers sei potenziell gut, meint Leonard Guarente, Professor am MIT, der Experte für den Wirkstoff ist. Das BioBeer-Team müsse allerdings beweisen, dass er tatsächlich bioaktiv sei.”
Ja, so ein Beweis wäre wohl nett. Und dann würde daraus vielleicht auch eine Nachricht.
]]>Mag sein, dass in diesem “Tipp” viel Sarkasmus und eine Portion britischer Humor stecken, aber nüchtern betrachtet kommen wir an der Empfehlung kaum vorbei: Viel weniger Menschen müssten wir sein, um unseren momentanen Lebensstil dauerhaft aufrecht erhalten zu können.
]]>Nebenbei erwähnt: Die “Deutsche Welle” hat mit “Global 3000” ein interessantes Magazin im Programm, deren Filme man über die DW-Webseite abrufen, aber leider nicht einbinden kann. Dass die Beiträge auch bei YouTube auf einer eigenen DW-Seite stehen, wird auf der Sender-Homepage leider auch nicht verraten…
]]>Eine Spezialität der Redaktion sind scheinbar einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Doch spätestens wenn sich die Antworten widersprechen, wird es eben doch wieder kompliziert.
Heute stellt Bild.de “Die 50 gefährlichsten Lebensmittel” vor. Dazu soll u.a. die Kiwi gehören. Begründung: “Kiwis, Ananas, Papaya besitzen das Enzym Actinidin, das Milcheiweiß spaltet. Darauf reagieren viele Menschen mit Allergien.” Gewarnt wird auch vor Fisch: “Fische, Muscheln und andere Meerestiere nehmen über verschmutztes Meerwasser Schadstoffe wie Quecksilberverbindungen, DDT, Dioxin oder PCB auf.” Ganz schlimm sind offenbar Beeren aller Art: “Johannisbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren und Brombeeren enthalten Salicylsäure. Allergiker können darauf mit Juckreiz, Magenbeschwerden und Asthma reagieren.”
Das alles las sich vor zwei Tagen noch ganz anders. Da präsentierte “Bild am Sonntag” den “Lebensmittel-IQ“. Demnach lassen sich Lebensmittel jetzt ganz einfach mit Punkten bewerten. Nahrung mit 100 Punkten ist Gesundheit pur, einstellige Zahlen stehen dagegen für die ungesündeste Variante. Die volle Punktzahl gibt es beispielsweise für die Kiwi: “viel Vitamin C, Magnesium, Phosphor, Kalium, Kalzium, 75 kcal. Gut fürs Immunsystem.” Und wer gerne Fisch isst, der greife zum Seelachs: 87 Punkte erhält er für “viel Vitamin D, B1, B2, Omega-3-Fettsäuren, 81 kcal. Gut für Knochen, entzündungshemmend.” Brombeeren erreichen immerhin noch sehr gute 83 Punkte: “viel Magnesium, Eisen, Vitamin E, Eiweiß, 44 kcal. Gut für Nerven, Zellschutz.”
Die Liste der “gefährlichen” Lebensmittel entpuppt sich bei näherer Betrachtung als altbekannte Warnung an Allergiker, bestimmte Substanzen zu meiden. Für alle anderen Menschen ist die Liste sinnlos. Dies gilt auch für den “Lebensmittel-IQ”, der in der verkürzten “Bild”-Variante völlig unberücksichtigt lässt, dass es bei einer Mahlzeit immer auch auf die Menge der jeweiligen Zutaten ankommt. Aber wenn sich die “Bild”-Redaktion dieser Frage annehmen wollte, müsste sie ihr Gehege der einfachen Antworten ja verlassen und sich der Komplexität der Wirklichkeit stellen. Das würde die Macher dieses jämmerlichen Medienprodukts vermutlich überfordern.
]]>Das Bild vereint u.a. so unterschiedliche Werte wie die Temperaturen auf der Nordhalbkugel (habe ich mit 1 gekennzeichnet), das Bevölkerungswachstum (2), die Kohlendioxyd-Konzentrationen (3) und die Zahl der Kraftfahrzeuge (4). Die Grafik beginnt links mit dem Jahr 1750 und endet rechts im Jahr 2000. (Hier gibt´s die Grafik in voller Größe.)
Man kann kaum schöner illustrieren, auf welchem Irrweg wir uns befinden, wenn wir nach ständigem, sich möglichst beschleunigendem Wachstum streben. Geradezu beispielhaft zeigte das auch eine Meldung Mitte Juli: Da gab Google bekannt, im zweiten Quartal 3,38 Milliarden Euro umgesetzt zu haben – ein Zuwachs von 39 Prozent zum Vorjahr! Trotzdem verlor die Google-Aktie nach der Bekanntmachung bis zu 11 Prozent. Die Analysten waren enttäuscht, sie hatten noch mehr Zuwachs erwartet.
Wir können so einfach nicht weitermachen, ist das nüchterne Fazit von Tim Jackson, der zu Fragen der nachhaltigen Entwicklung an der University of Surrey forscht. Er beklagt, der Politik fehle es an Mut, offen von den Grenzen des Wachstums zu sprechen:
The one piece of advice you will not see on a government list is “buy less stuff”. Buying an energy-efficient TV is to be applauded; not buying one at all is a crime against society.
Unser Wirtschaftssystem muss auf Wachstum programmiert bleiben, wenn wir unseren hohen Lebensstandard halten wollen. Dabei wissen wir längst, dass unser Verbrauch natürlicher Ressourcen diesen Standard nur noch vergleichsweise kurze Zeit wird aufrecht erhalten können. Es wird nicht reichen, das internationale Finanzwesen ein bißchen umzubauen oder den Wohlstand ein bißchen umzuverteilen. Stattdessen müssten wir Wege finden, unseren Konsum einzuschränken, unseren Wohlstand zu teilen, unseren Verbrauch an Ressourcen drastisch zu verringern, ohne dadurch den Zusammenbruch der Gesellschaft auszulösen. Es wäre an der Zeit, in den Medien die Notwendigkeit des Verzichtens ernsthaft zu thematisieren.
Der “New Scientist” zeigt hier, wie das geht. Hallo “Spiegel”, hallo “Focus”, “Welt” & Co! Ihr schreibt doch sonst auch so gern aus dem “New Scientist” ab, warum nicht auch diesmal?
]]>McDonalds hat eine vierteilige Serie “Bedrohte Tiere” aufgelegt, zu der dieser Plastik-Gorilla gehört. Der Karton drum rum ist nicht nur aufwändig bedruckt, er hat sogar einen magnetischen Verschluss (!). Man kann ihn wie ein kleines Buch ins Regal stellen. Beigelegt sind ein Minispiel mit Spiegel (das ich nicht verstehe), Gorilla-Aufkleber, ein kleines Rätselheftchen und ein Bleistift.
Einige Einzelteile sind made in China. Das Gesamtprodukt wurde in Vietnam gefertigt. Der Transport nach Europa muss gratis gewesen sein, denn wie kann man das Zeugs sonst inklusive Mahlzeit für 3,50 Euro anbieten?
Vor drei Jahren – mein Neffe war damals fünf Jahre alt – gingen wir mal gemeinsam zu McDonalds. Dabei erfuhr ich zum ersten Mal vom “Happy Meal”, das er unbedingt haben wollte. Der Preis war ähnlich niedrig, wenn ich mich recht erinnere. Damals gab es zu Hamburger und Pommes ein Videospiel mit winzigem Schwarz-weiß-Monitor, der aus einer digitalen Billig-Armbanduhr hätte stammen können. An dem Spiel verlor mein Neffe sehr schnell das Interesse, weil er es über die winzigen Druckknöpfe nur schwer bedienen konnte. Der Kasten landete im Müll, inklusive der fest verbauten Knopfzellen-Batterie.
An diese Geschichte musste ich heute denken, als ich “Von Armut und Big Macs” gelesen habe. Die Frage, wer sich nach wieviel Arbeit einen Hamburger leisten kann, ist spannend. Ich wüsste aber auch zu gern, wie sich die Herstellung von Nahrung und Spielzeug für McDonalds rechnet. Selbst bei vietnamesischen Hungerlöhnen kann ich mir den Preis von 3,50 Euro für das erwähnte “Happy Meal” nur als subventionierte Werbemaßnahme vorstellen.
Und wenn demnächst mal wieder jemand über zu hohe Spritpreise jammert: Die Kosten für Diesel, Benzin und Kerosin sind offenbar immer noch viel zu niedrig. Es darf sich einfach nicht mehr rechnen, Plastikmüll von China über Vietnam nach Europa zu transportieren.
]]>Das mag sein. Aber im Gegensatz zu den Banken betrifft ihre Misere ja auch nicht unser persönliches Konto. Deshalb nicken wir bestenfalls betroffen und surfen dann weiter zu den aktuellen Börsenkursen.
Die primäre Aufgabe von Frau Schäuble ist es, Geld für die Welthungerhilfe einzusammeln. Das mag legitim sein. Wollte sie politisch wirken, könnte sie sich vielleicht die Presseauftritte sparen und ein paar ernste Worte an ihren Mann, den Bundesinnenminister richten. Der ist immerhin an einer Regierung beteiligt, die mit hohen Agrarsubventionen die Überproduktion der europäischen Landwirtschaft gefördert hat und dazu beitrug, auf dem Weltmarkt die Lebensmittelpreise zu ruinieren. Unsere Politik ist deshalb in hohem Maße mitverantwortlich für den Hunger in der Welt.
Frau Schäuble fordert jetzt “eine Erhöhung der Mittel für die Entwicklung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern von jährlich mindestens zehn Milliarden Euro sowie die Schaffung fairer Handelsbedingungen.” Das sind nette Ideen. Zehn Milliarden sind nicht einmal ein Viertel dessen, was wir europäischen Steuerzahler jährlich den europäischen Bauern zukommen lassen. Und wenn wir sehen, wieviel Geld die Regierungen der Industriestaaten auf die Schnelle in das Bankensystem pumpen können, dann sind zehn Milliarden ja auch nur eine bescheidene Forderung. Geradezu Peanuts, wie man unter Bankern sagt.
Aber die Wahrheit ist doch, dass “wir” im Grunde kein Interesse daran haben, dass die Entwicklungsländer blühen und gedeihen und eines Tages gar auf Augenhöhe mit “uns” konkurrieren. Allerdings werden wir wohl vergeblich darauf warten, dass die Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe diesen Zustand offen anspricht. Stattdessen verschickt ihre Organisation wie viele ihr verwandte Organisationen in den kommenden Wochen – Weihnachten naht! – wieder ihre Spendenbettelbriefchen an die deutschen Haushalte. Damit wir anlässlich des christlichen Festes unser schlechtes Gewissen etwas beruhigen können.
Mit einem guten Gewissen wird sich Frau Schäuble übrigens im nächsten Monat von ihrem Posten zurückziehen. “Zwölf Jahre sind eine lange Zeit, und ich möchte mich jetzt wieder mehr meiner großen Familie und meinen Freunden widmen”, erklärt Schäuble ihre Entscheidung.
]]>Im Rahmen des Lebensmittel-Monitorings wird bundesweit einheitlich ein “Warenkorb” an Produkten untersucht, der stellvertretend die gesamte Breite unserer Lebensmittel repräsentieren soll. Was Obst und Gemüse betrifft, so wurde in einer großen Zahl von Proben die zulässigen Grenzwerte von Rückständen aus Pflanzenschutzmitteln überschritten. Oftmals fanden die Prüfer gleich einen Cocktail aus mehreren verschiedenen Substanzen.
Kopfsalat, Äpfel, Zuchtchampignons sowie Grün- und Wirsingkohl enthielten laut Bericht “häufig” zu viel Rückstände. Bei einigen Proben von Kopfsalat, Grünkohl, Austernseitlingen und Tomaten habe die Belastung so hoch gelegen, “dass bei einmaligem Verzehr gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht auszuschließen sind.” Rund jede fünfte Grünkohlprobe (20 %) und rund jede siebte Wirsingkohlprobe (14,3 %) enthielt Pflanzenschutzmittel über den zulässigen Höchstmengen. Rückstände von gleich mehreren Pflanzenschutzmitteln wurden in 79 % des Kopfsalats und 72 % des Römischen Salats gefunden. Handel und Erzeuger müssten ihre Anstrengungen zur Verringerung der Belastung “deutlich intensivieren”, so das BVL – was mir angesichts der Zahlen eine doch recht freundliche Formulierung zu sein scheint.
Immerhin: Bei Äpfeln halbierte sich die Zahl der Beanstandungen seit 2004. Zu viel Pflanzenschutzmittel finden sich jetzt “nur” noch in 7,3 % der Äpfel. Deutsche Äpfel waren zu 2,9 % betroffen, südamerikanische Äpfel zu 17 %. Jede fünfte Probe enthielt dafür fünf und mehr Rückstände.
“Die Überschreitungen von Höchstgehalten werden von den Bundesländern verfolgt und gegebenenfalls geahndet”, heißt es in der Pressemeldung des BVL. Warum aber hat man dann das Gefühl, jedes Jahr die gleichen schlechten Nachrichten zu lesen?
Vergleichsweise sicher sind ökologische Produkte: Das BVL untersuchte laut dem ebenfalls heute vorgelegten “Bundesweiten Überwachungsplan 2007” ausländisches Bio-Obst und -Gemüse. In gerade mal einem Prozent der Proben fanden sich Hinweise, dass Pflanzenschutzmittel illegal eingesetzt oder konventionelle Früchte als Bioware verkauft worden waren. In 358 untersuchten ausländischen Proben fanden sich insgesamt zehn Mal Pflanzenschutzmittelrückstände. In sechs dieser Fälle deuten die nur geringen Mengen nach Meinung der Prüfer darauf hin, “dass sie aus der konventionellen Bewirtschaftung mit dem Wind auf Bioflächen getragen wurden”.
An der schlechten Qualität des Salats scheint sich seit Jahren nichts zu ändern. Schade, aber damit ist der von meinem persönlichen Einkaufszettel bis auf weiteres gestrichen. Und was Obst und Gemüse generell betrifft, so hat das BVL heute einmal mehr gute Argumente für Bio-Ware geliefert.
]]>Ein Highlight stellt zweifellos der Ansatz dar, das Braten von Rühreiern zu erleichtern. Nun gibt zwar um die hundert Varianten für diese Speise, aber das Grundprinzip – Eier aufschlagen und verquirlen – ist doch so denkbar einfach, dass ich darin nie eine Marktnische erkannt hätte. Jetzt gibt es also Rührei aus der Tüte für die Mikrowelle und alternativ Flüssigei aus dem Tetrapack für die Pfanne. Die Zeitersparnis von ein bis zwei Minuten lassen sich die Hersteller dieser innovativen Produkte hoffentlich fürstlich entlohnen.
In diesem hübschen kleinen Video lässt sich das stern-tv-Team übrigens von der TV-Moderatorin Alexa Iwan begleiten, vorgestellt als “Ernährungsexpertin und Mutter”. Das scheint eine neue Art Doppelqualifikation zu sein, zu der wir nur ehrfürchtig aufschauen können. :-0
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Foto: Olberto Mejia /Fotolia
Das Bienensterben habe ich hier wiederholt thematisiert. Doch während wir das Schwinden der Honigsammler wahrnehmen, weil den Imkern ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, hören und lesen wir vom weltweiten schleichenden Insektensterben seltener.
Schon im Jahr 2006 hatte eine internationale Gruppe von Biologen ermittelt, dass bei 87 von 115 unserer wichtigsten Kulturpflanzen die Bestäuber – zumeist Bienen und Hummeln – eine wichtige Rolle spielen: Zwar sind die Insekten nur in Ausnahmefällen für die Bestäubung unbedingt notwendig, doch ermöglichen sie Produktionssteigerungen zwischen 5 bis 50 Prozent. Die Zerstörung naturnaher Lebensräume und die Intensivierung der Landwirtschaft entziehen ihnen aber zunehmend die Lebensgrundlagen (Proceedings of The Royal Society B, Pressetext Uni Göttingen).
Der ökonomische Schaden durch Ausfälle der Bestäuber geht in die Milliarden, schreiben jetzt Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und Kollegen im Fachblatt “Ecological Economics” (Ecol. Economics, Pressetext UFZ). Bei Früchten und Gemüse entstehe ein Verlust von jeweils 50 Milliarden Euro, bei essbaren Ölfrüchten seien es 39 Milliarden Euro.
“Global betrachtet sind die Länder auf der Nordhemisphäre verwundbarer als die Länder im Süden. Ein Rückgang der bestäubenden Insekten könnte also starke Konsequenzen für den Lebensmittelhandel zwischen Nord und Süd haben. Die Studie ist jedoch keine Vorhersage, da sie mögliche Anpassungsstrategien nicht berücksichtigen kann. (…) Die Ergebnisse betonen, dass der Komplettverlust an Insektenbestäubern wie vor allem der Honigbiene und vielen weiteren Bienenarten nicht zu einem Zusammenbrechen der Weltagrarproduktion führen würde. Aber es würde zu einschneidenden Verlusten kommen – selbst wenn die Studie nur Pflanzen berücksichtigt, die direkt für die menschliche Ernährung genutzt werden.”
Unsere Gesellschaft scheint momentan nicht in der Lage zu sein, etwas wertzuschätzen, was sich nicht in US-Dollar oder Euro verrechnen lässt. Von daher ist die ökonomische Einordnung der Insekten wohl ein notwendiger Ansatz, um überhaupt ein bißchen Aufmerksamkeit zu erhalten.
Aber, liebe Bienen und Hummeln Dienstleister: Um unsere Mainstreammedien so richtig in Aufregung zu versetzen, müsstet ihr schon an die Börse gehen!
Den neuesten Streich meldet eine Zeitung aus Belgien, und er dürfte in den nächsten Tagen durch alle Blätter laufen: In der Ukraine soll bis zu neun Jahre alte (!) Tiefkühlware beschlagnahmt worden sein. Rund 1400 Tonnen altes Hühnerfleisch seien aus der EU in das Land exportiert und da zu Hamburgern und Würstchen verarbeitet worden. Heute im Tagesspiegel: “Mindestens vier Firmen aus Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden sind laut Presseinformationen in die Machenschaften verstrickt.” Willkommen in der globalen Fleischwirtschaft!
Mit etwas Glück dürften wir um Todesfälle wie jüngst in Kanada herumkommen. Aber bis die breite Mehrheit der Konsumenten mal endlich aufwacht, braucht es wohl noch einige unappetitliche Schlagzeilen.
]]>Lydia Zepeda und David Deal beauftragten 43 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Diätkurses, eine Woche lang sämtliche Nahrung vor dem Verzehr zu fotografieren. Im Vergleich zur schriftlichen Buchführung habe das “Foto-Tagebuch” deutliche Vorteile, bilanzieren die Forscher.
Der Grund scheint so plausibel, dass man sich fragt, warum da nicht schon eher jemand drauf gekommen ist: Während die Niederschrift über die tägliche Nahrungsaufnahme in der Regel erst längere Zeit nach dem Verzehr erfolgt, muss das Foto direkt vor dem Essen aufgenommen werden. Auf diese Weise würden sich die Diätwilligen unmittelbar mit Menge und Zusammensetzung der bevorstehenden Mahlzeit auseinandersetzen, so die Forscher.
Nun ist das kleine Experiment mit gerade mal 43 Personen sicherlich noch kein Beweis für die These des Forscher-Duos. Aber vielleicht folgen ja weitere Ernährungswissenschaftler der Aufforderung von Zepeda und Deal, das Fotografieren in Diätstrategien zu integrieren. Eine nette Ergänzung zum lustlosen Kalorienzählen wäre es allemal.
(via New Scientist)
]]> Seltene Fische sollten nicht mehr in den Lebensmittelhandel kommen, fordert die britische Marine Conservation Society. So seien etwa Schellfisch, Sardellen und einige Thunfisch-Arten inzwischen zu rar, um noch verzehrt zu werden.
Auf ihrer “Fish to Eat“-Liste führt die Organisation immerhin noch 46 Arten, auf der “Fish to Avoid“-Liste allerdings schon 69 Arten.
In der Praxis kämen auf uns Konsumenten, so wir denn nach diesen Listen “nachhaltig” Fisch essen wollten, einige Probleme zu. Hering wäre etwa erlaubt, solange er aus norwegischen Beständen stammte. Vor Schottland oder Irland lebende Heringe wären dagegen tabu, da als bedroht eingestuft. Aber wie identifiziert man die Herkunft der Fische?
Fragt man deutsche Meeresbiologen, so raten sie zum generellen Verzicht auf Nordsee-Hering. Dieser habe seit Jahren nur schwache Nachwuchsjahrgänge hervor gebracht, heißt es in einer neuen Untersuchung, welche die langfristigen Veränderungen in der Fauna der Nordsee beobachtet hat. Auch Kabeljau kann man demnach nicht mehr guten Gewissens verzehren. Seelachs und Schellfisch sind dagegen in hoher Zahl in der Nordsee anzutreffen und dürfen daher bis auf weiteres auch befischt werden.
Der umweltfreundliche Gourmet kommt offenbar nicht mehr drum herum, in regelmäßigen Abständen eine Art Essgewohnheits-Update vorzunehmen. Eine Regel gilt dabei allerdings immer, schon aus ureigenem Interesse: Seltene teure Fische sollte man generell meiden, da hohes Betrugsrisiko besteht! Stichproben in New Yorker Restaurants und Fischläden ergaben, dass zwei von vier Restaurants und sechs von zehn Fischläden Ware unter falschem Namen verkauften (mehr dazu z.B. bei Focus Online). Wer den “Edelfisch” Red-Snapper bestellte, bekam sogar in sieben von neun Fällen einen billigen Ersatz vorgesetzt. Was ich in diesem speziellen Fall nicht mal verwerflich finden kann…
Leinsamen sind gesund. Sie enthalten große Mengen an Omega-3-Fettsäuren sowie die Vitamine B1, B2, B6 und E. Und dann wären da – neben einigen weiteren Substanzen – noch die so genannten Lignane. Diese zählen zu den Phytoöstrogenen. Das sind Pflanzenstoffe, die eine den Östrogenen ähnliche Struktur besitzen und die deshalb im menschlichen Körper an Östrogenrezeptoren andocken können. Es gibt Hinweise darauf, dass Lignane Krebserkrankungen in Brust, Gebärmutter und Prostata vorbeugen könnten.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising haben den Pflanzenstoff aus Leinsamen isoliert und Brot und Kuchen damit angereichert. Das Ergebnis ist sowohl lecker als auch gesund, verkündet die Fraunhofer-Gesellschaft.
Ob die isolierten Lignane – auch gern “wertvolle Bestandteile” genannt – aber tatsächlich so wirksam sind wie die ganzen Samen, ist noch nicht bewiesen. Pflanzenstoffe wirken oftmals in Kombination mit weiteren Substanzen der Pflanze ganz anders als im isolierten Zustand. Das weiß man auch bei Fraunhofers, denn die Pressestelle schreibt:
Die Isolierung der wertvollen Fraktionen haben die Wissenschaftler bereits im Griff. Nun stehen weitere Untersuchungen an, die die erhofften Wirkungen bestätigen sollen.
Und IVV-Projektleiterin Katrin Hasenkopf räumt ein: “Aus der Literatur sind die gesundheitsfördernden Wirkungen der Leinsaat und der Lupinenkerne zwar bekannt, aber es gibt noch zu wenige aussagekräftige wissenschaftliche Untersuchungen dazu.”
Das hält die Forscher allerdings nicht davon ab, auf der Messe Biotechnica im Oktober die Lignane-Lebensmittel trotzdem schon mal anzupreisen. Zusammen mit Brötchen und Pasta, denen Substanzen aus Lupinen zugesetzt wurden, die den Cholesterinspiegel beeinflussen können sollen.
In etwa drei Jahren, hofft die Expertin, dürften die neuen cholesterinsenkenden Lebensmittel in den Supermarktregalen erhältlich sein – und vielleicht auch Kuchen, Brötchen und Soßen, angereichert mit wertvollen Leininhaltsstoffen.
Ob sich die entsprechenden Brote und Kuchen für den Konsumenten oder doch nur für den Bäcker als “wertvoll” erweisen, das bleibt bis auf weiteres offen…
Dass die zu Pizzabelag verarbeiteten Tomaten im Rohzustand derart schrumpelig aussehen, könnte zutreffen. Dass uns Produktfotos eines Tages so realistisch präsentiert werden, darf dagegen bezweifelt werden. Man sehe sich nur die Webseite des vermeintlichen Herstellers, der Schwan Food Company, an: Dort wird uns alles so traditionell lecker präsentiert, wie wir es von den Werbefotos dieser Welt kennen.
Quelle: “The Dieline”, dort auch noch in der Champignon-Variante.
]]>Zuerst einmal sind die Zahlenspiele Schnee von gestern. Dass sie trotzdem wieder mal durch sämtliche Online- und Offlinemedien wanderten, ist der Verleihung des diesjährigen “Stockholmer Wasserpreises” an John Anthony Allan vom Kings College in London zu verdanken. Allan ist Begründer des Modells vom “virtuellen Wasser”, das er Mitte der 90er Jahre vorstellte. Sein Ziel war es, den realen Wasserverbrauch in der landwirtschaftlichen Produktion offen zu legen. Mehr Transparenz sollte jene Anbauarten an den Pranger stellen, die besonders wasserintensiv sind.
Keine Frage, Allans wissenschaftlicher Ansatz und die Preisverleihung an ihn kann man begrüßen. Doch wie die Medien mit dem Thema umgehen, ist eine Katastrophe. Jeder Deutsche sei für den täglichen Verbrauch von 4000 Litern Wasser verantwortlich, wird mir von jedem, aber auch buchstäblich jedem Medium um die Ohren geschlagen. Dabei handelt es sich erst einmal um eine Nullinformation, die nichts bringt, wenn sie nicht mit anderen Fakten in einen Zusammenhang gestellt wird. Denn welche Lehre soll ich aus dem Wert 4000 ziehen? Soll ich vom Kaffee auf Tee umsteigen, dessen Anbau pro Tasse nicht mal 40 Liter Wasser verbraucht? Bringt meine Einsparung von 100 Litern “virtuellen Wassers” irgendwem irgendwas? Welches wären die positiven, welches die negativen Effekte? Diese Fragen sehe ich in keinem, aber auch buchstäblich keinem Artikel zum Thema nur ansatzweise beantwortet. Zusammenhänge herzustellen, dazu scheinen speziell die tagesaktuellen Medien immer seltener in der Lage. Es wäre ja auch recht aufwändig. Man müsste recherchieren. Ein paar kritische Fragen stellen. Vielleicht auch mal etwas zweifeln. Um wieviel leichter ist es da, das Publikum mit großen Zahlen einfach ein bißchen zum Staunen zu bringen.
Eine zweite Geschichte der letzten Woche verzichtet auf solche Spielereien, ist aber um ein Vielfaches anschaulicher. Sie wurde ebenfalls durch die Weltwasserwoche in Stockholm bekannt, auf der Forscher vom International Water Management Institute (IWMI) über den Einsatz von Abwasser in der Landwirtschaft berichteten. In einer Studie untersuchten sie den Verbleib der Abwässer von 53 Städten aus Afrika, Asien, dem Mittleren Osten und Lateinamerika. Die meisten dieser Städte geben ihre meist nur ansatzweise gereinigten Abwässer an die Landwirtschaft weiter. Für die Bauern rechnet sich das doppelt: Erstens lässt sich so dem Wassermangel in trockenen Regionen begegnen, zweitens spart man dank der Fäkalien in den Abwässern sogar noch Düngemittel. Zwar seien sich die betroffenen Städte der hygienischen Probleme bewusst, so die IWMI-Forscher, doch werde das eigentlich illegale Vorgehen aus pragmatischen Gründen geduldet. Betroffen sind rund 20 Prozent der weltweiten Anbauflächen; allein in Ghana essen nach Aussage der Forscher 200.000 Menschen Lebensmittel, die von Feldern stammen, die mit Abwasser bewässert werden.
In diesem Zusammenhang seien noch ein paar Zahlen genannt, die ich im Gegensatz zur anfangs geschilderten Meldung anschaulich finde: Um eine Kilokalorie (=1000 Kalorien) Nahrungsmittel zu produzieren, ist rund 1 Liter Wasser notwendig. Wenn man davon ausgeht, dass bis zum Jahr 2050 geschätzte 2,5 Milliarden Menschen zusätzlich ernährt werden müssen, ergibt das einen Wasserbedarf von zusätzlichen 2000 Kubikkilometern jährlich. Das wäre mehr als doppelt so viel, wie wir bereits heute weltweit zur Bewässerung einsetzen.
Auch diese Zahlen sind gewaltig, doch veranschaulichen sie das Problem, auf das unsere Welt zusteuert, vergleichsweise gut. Und sie machen auch nachvollziehbar, warum der Einsatz von Abwässern als kleineres Übel angesehen und daher geduldet wird.
Die Forscher des IWMI machen übrigens pragmatische Vorschläge angesichts der Lage: Wenn schon Abwässer in der Landwirtschaft zum Einsatz kämen, sollten sie wenigstens so wenig schmutzig wie möglich sein. Dazu könne etwa die Trennung von Haushalts- und Industrieabwasser beitragen. Auch das zwischenzeitliche Lagern der Abwässer in Tanks empfehlen die Forscher. Dadurch könnten Dreck und Parasiten im Wasser auf den Boden der Behälter sinken, während das für die Bewässerung vorgesehene Nass oben abgeschöpft werde. Keine appetitliche, aber doch eine an der Realität orientierte Maßnahme.
Sportliche Männer haben besseren Sex, behauptet die Netzeitung mit Berufung auf einen Hamburger Urologen. Der wurde auch gleich von Welt Online konsultiert, obwohl das Blatt doch wissen müsste, dass zu viel Mediensex kontraproduktiv ist. Oder gibt es dagegen auch schon Testosteron-Pflaster?
Etwas sachlicher geht es Wissenschaft.de mit einer Meldung an, wie die Pille den Männergeschmack verändert. “Männergeschmack” – ein schönes Wort! Und ein Thema, dem sich auch der ORF nicht verschließen mag. Am schönsten bringt es wieder mal das Boulevardblatt SpiegelOnline auf den Punkt: Pille lässt Frauen auf falsche Männer fliegen. (Nachtrag: Diese These wird übrigens gerade von Chris mit Verweis auf Stern Online infrage gestellt.)
“Die Hormone schalten die instinktsichere Wahl des optimalen Kandidaten aus”, hat auch Focus Online erkannt. Die Münchner mahnen seit Tagen jene zur Zurückhaltung, die sich zur geistigen Elite rechnen wollen: Schlaue haben später Sex; ja, schon unsere Ahnen waren enthaltsam und ließen die Finger von den Neandertalerinnen. Das sollte sich mal unsere Bundesregierung zu Herzen nehmen, die aktuell fordert: “Let’s talk about sex!”
Ich nehme an, die Journalisten sind schlicht verzweifelt, weil im Sommer vergleichsweise wenig Wissenschaftsthemen die Runde machen und das Publikum lieber auf der Wiese liegt, statt sich durch Webseiten zu klicken. Aber, liebe Kollegen, der Sex ist da auch keine Lösung, im Gegenteil, er führt ja doch nur zu Harnwegsinfekten…
]]>Die Einkaufshilfe ist etwa so groß wie eine Kreditkarte und gehört nach Meinung der Verbraucherzentrale Hamburg in jedes Portemonnaie. Sie soll ein Gefühl dafür vermitteln, wieviel Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz als gering, mittel und hoch einzustufen sind. Die Angaben sind mit den Ampelfarben grün, gelb und rot unterlegt.
Die Verbraucherzentrale schreibt selbst zu ihrer Aktion: “Die Ampel-Karte ist aber kein Ersatz für verbindliche, leicht verständliche und einheitliche Nährwertangaben. Die Checkkarte ist eine Krücke. Damit die Verbraucher ohne Hilfsmittel durch den Konsumalltag laufen können, ist die obligatorische Ampelkennzeichnung von Nöten. Es kann nicht sein, dass die Hersteller die Rechnerei den Verbrauchern überlassen. Die Bundesregierung und die Lebensmittelindustrie dürften sich einer verbraucherfreundlichen Nährwertkennzeichnung nicht weiter verschließen.”
Die Vorlage für die Ampel-Checkkarte zum Ausdruckem gibt es auf dieser Downloadseite bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Auch ohne Checkkarte kann man sich neuerdings Urteile zu gekauften Waren bilden. Es fällt nur möglicherweise etwas schwerer, wenn man sich einmal die Nährwertangaben auf den Verpackungen genauer ansieht:
Dieser Text links stammt von einer Kekspackung. Man beachte, dass man mit einer “Portion” Kekse bereits 15% der empfohlenen (oder besser “zulässigen”?) Tagesration an Zucker zu sich nimmt. Wobei eine “Portion” aus genau zwei Keksen bestehen soll.
Ich gebe zu, ich persönlich beschränke mich beim Keksessen nicht auf derartig kleine Portionen. Vermutlich sollte ich schon morgens auf die Marmelade zum Frühstück verzichten. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass mich im Laufe des Tages noch die Lust auf Kekse packt…
Sehr schön finde ich auch diese Angaben auf einer Pizza-Verpackung. Damit einem angesichts der Großzügigkeit, mit der hier gesalzen wird, nicht der Appetit vergeht, wird der Verzehr einer halben Pizza zum Maßstab erhoben. Der Pizzabäcker, der diese Angaben liefert, taut wahrscheinlich immer nur die Hälfte seiner Tiefkühlware auf oder verzehrt sein Produkte grundsätzlich nur zu zweit (“Darf ich Dich auf eine halbe Pizza zu mir einladen?”).
Wesentlich verständlicher für den Verbraucher wäre es, die Kekspackung mit einer roten Zuckerampel zu bedrucken und die Pizza mit einer roten Salzampel zwei hektisch rot blinkenden LEDs für Salz und Fett auszurüsten. Aber weil derartige Kennzeichnungen zur Zeit noch auf sich warten lassen, sei als Notlösung denn doch auf www.ampelcheck.de verwiesen.
Der heutige “Milchgipfel” in Berlin werde ihnen höhere Preise bringen, hoffen die Bauern. Das darf bezweifelt werden.
Landwirtschaft ist Industrie, nicht Handwerk
Nicht nur Obst und Gemüse werden so gezüchtet, dass sie den Bedürfnissen der industriellen Weiterverarbeitung entsprechen. Auch die Kuh mutiert vom Haustier zur Maschine: Vor 40, 50 Jahren gab eine klassische Milchkuh in ihren besten Zeiten acht bis zehn Kilo Milch pro Tag. Darauf war die Kuh von Natur aus “programmiert”, weil diese Menge dem Hunger eines Kalbes entspricht. Heute liegt der Durchschnitt doppelt so hoch; aus einer Hochleistungskuh lassen sich sogar 40 bis 50 Liter abpumpen. Wer aus einem einzelnen Tier mehr als 100.000 Liter heraus holt, bekommt einen Orden. Wie die Industrie ihre Maschinenlaufzeiten optimiert, so holen die Bauern das Maximale aus ihren Tieren heraus. Je größer der Betrieb, um so besser funktioniert das: Während Agrarbetriebe in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit großer Fläche und wenig Personal auch bei geringen Margen Gewinne erwirtschaften, können kleine Familienbetriebe in Bayern und Baden-Württemberg ihre Kosten nicht einspielen.
Der Handel hat mehr Macht als die Produzenten
Milch ist ein gesichtsloses Produkt. Bauern sind Rohstofflieferanten. “Veredelt” wird das Produkt bestenfalls in der Molkerei – wenn überhaupt. In der Regel ist Milch ein No-Name-Produkt. Wer einen Liter Milch im Supermarkt kauft, kann kaum nachvollziehen, woher die Ware kommt und wer sie unter welchen Bedingungen produziert hat. Weil das Produkt überall gleich aussieht, sucht der Verbraucher nach dem günstigsten Preis. Den geben für alle diejenigen Discounter vor, welche die größte Marktmacht besitzen. Das Angebot übersteigt die Nachfrage, also sinkt der Preis.
Bauern sind nicht solidarisch
Der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) hat im Vorfeld des heutigen Milchgipfels eine lustige Umfrage vorgelegt: Demnach sprachen sich unter 20.000 Milcherzeugern 90 Prozent für Maßnahmen aus, die den Milchpreis um rund 10 Cent auf 43 Cent erhöhen sollen. Auf genauso viel Zustimmung würde sicher eine Umfrage unter freien Journalisten treffen, ob das Zelenhonorar um 10 Cent erhöht werden solle. Der Haken: Es gibt fast immer einen Autoren, der die Zeitung auch für weniger Honorar füllt. Und genauso gibt es Milchbauern, die ihre Ware auch für 33 statt 43 Cent pro Liter ausliefern. Theoretisch könnten die Bauern höhere Preise erzwingen, wenn sie das Angebot verknappen würden. Tatsächlich sind sie über Genossenschaften sogar die Besitzer der Molkereien, die ihnen die Preise drücken. Doch genau deshalb sind “ihre Interessen vielfältig, teils konträr”, wie die FTD treffend feststellt.
Die Politik hilft den Großen, nicht den Kleinen
“Wir müssen aufpassen, dass Seehofer nicht mit dem Deutschen Bauernverband Abmachung gegen die Milchbauern trifft”, warnte gestern in der taz Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Der Bauernverband sei zwar die größte Organisation der Landwirte, “aber er vertritt die Interessen der Milchindustrie”.
Was den Milchbauern blüht, haben andere landwirtschaftliche Bereiche wie die Schweinezüchter oder die Eierproduzenten bereits vorgemacht. Kleine Höfe werden weiter sterben. Es sei denn, sie finden ihre individuelle Nische, in der sie sich den industriellen Produktionsbedingungen entziehen können…