Noch einmal Topologie, Integrale und die punktierte komplexe Zahlenebene.

In den letzten beiden Wochen hatten wir etwas über die Berechnung von Integralen geschrieben. Eigentlich interessieren wir uns hier aber für Topologie. Speziell für die Poincare-Vermutung, in der es um die ursprünglich von Poincare Ende des 19. Jahrhunderts eingeführte Fundamentalgruppe geht. Und die eben unter anderem durch die Berechnung komplexer Integrale motiviert war.

Also, was haben die Ausführungen zur Berechnung von Integralen (Teil 26) mit der Fundamentalgruppe zu tun?

Fokussieren wir uns mal auf das Beispiel f(z)=1/z. Diese Funktion ist auf der (komplexen) Ebene C definiert, mit Ausnahme des Nullpunktes. (Die Ebene ohne Nullpunkt bezeichnen wir im folgenden der Kürze halber als ‘punktierte Ebene’.)

Bevor wir zur Integration von 1/z kommen, schauen wir uns die Fundamentalgruppe der punktierten Ebene an. Zur Erinnerung noch einmal die Erklärung (aus der Wikipedia) der Fundamentalgruppe eines Raumes: ‘Nehme einen Raum, und einen ‘Basispunkt’ im Raum, und betrachte alle geschlossenen Kurven an diesem Punkt — Wege, die an diesem Punkt starten, eine Zeitlang irgendwie herumwandern und schließlich zum Startpunkt zurückkehren. Zwei Wege können auf die offensichtliche Weise zusammengesetzt werden: laufe entlang dem ersten Weg, dann entlang dem zweiten. Die Menge aller geschlossenen Kurven, mit dieser Methode des Zusammensetzens, ist die Fundamentalgruppe, wobei wir aber zwei Kurven als gleich betrachten, wenn die eine in die andere ohne Brüche deformiert werden kann.’

Für die punktierte Ebene heißt das also: wir betrachten alle geschlossenen Kurven, die nicht durch den Nullpunkt gehen. Zwei Kurven geben dasselbe Element in der Fundamentalgruppe, wenn es eine Homotopie (stetige Deformation) gibt, die nicht durch den Nullpunkt geht.

Ein Beispiel einer geschlossenen Kurve in der punktierten Ebene wäre natürlich ein Kreis um den Nullpunkt. (Man kann sich leicht überlegen, daß alle solchen Kreise homotop sind.)

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Wie gesagt, betrachtet man nur Kurven mit einem festen Startpunkt. Nehmen wir als Startpunkt etwa den Punkt (1,0). Dann entspricht der Kreis um Null mit Radius 1 (als geschlossene Kurve. die in (1,0) beginnt und endet) einem Element γ der Fundamentalgruppe. Und wenn man diesen Kreis zweimal durchläuft, hat man also das Element γ+γ, was man abkürzend als 2γ bezeichnet. Entsprechend, wenn man den Kreis dreimal durchläuft, bekommt man 3γ usw. (Und, zur Erinnerung, die ‘Null’ in der Fundamentalgruppe ist der konstante Weg, d.h. die Kurve, die im Punkt (1,0) stehenbleibt.)

Wenn man die Kurve einmal vorwärts und anschließend einmal rückwärts durchläuft, bekommt man eine Kurve, die homotop zum konstanten Weg ist. Dies ist vielleicht nicht auf Anhieb klar, aber das folgende Applet (von mathworld) demonstriert die Homotopie:

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Damit ist also das Inverse -γ zu γ einfach die Kurve, die den Kreis in umgekehrter Richtung durchläuft. Und wieder ist -2γ die Kurve, die den Kreis in entgegengesetzter Richtung zweimal durchläuft usw.

Kurz: zu jeder ganzen Zahl n hat man ein Element in der Fundamentalgruppe der punktierten Ebene.

Tatsächlich erhält man auf diese Weise alle Elemente der Fundamentalgruppe der punktierten Ebene. (Das muß man natürlich noch beweisen.)

Und was hat das alles nun mit der Integration von f(z)=1/z zu tun? Nun, wir hatten ja letzte Woche erwähnt, daß

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und nach dem Integralsatz von Cauchy gilt das eben nicht nur für den oben abgebildeten Kreis γ, sondern auch für jede Kurve γ, die demselben Element γ in der Fundamentalgruppe entspricht. (Insbesondere beweist dies, daß γ nicht homotop zum konstanten Weg ist. Denn sonst müßte nach Cauchy das Integral ja 0 sein.)

Weil sich Integrale addieren, folgt natürlich, daß das Integral über die Kurve dann 2πin ist.
Man kann daraus (hier ein Beweis) herleiten, daß tatsächlich jede Kurve homotop zu einer Kurve nγ für irgendein n ist.
Nach dem oben gesagten kann man (zu einer gegebenen Kurve) n bestimmen, in dem man das Integral von 1/z über die Kurve berechnet (und das Ergebnis dann durch 2πi teilt).

Zusammengefaßt: die Fundamentalgruppe der punktierten Ebene ist isomorph (strukturgleich) zur Gruppe der ganzen Zahlen. Und durch Berechnung des Integrals von 1/z kann man zu jeder Kurve entscheiden, welcher ganzen Zahl sie entspricht.
Das Integral hängt eben nur von der Topologie der Kurve ab und nimmt deshalb als Wert nur ganzzahlige Vielfache von 2πi an.

Das war jetzt aber wirklich der letzte Beitrag, in dem Integrale und komplexe Zahlen vorkommen.

Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7 , Teil 8, Teil 9 , Teil 10 ,Teil 11, Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16, Teil 17, Teil 18, Teil 19, Teil 20, Teil 21, Teil 22, Teil 23, Teil 24, Teil 25, Teil 26

Kommentare (1)

  1. #1 ORRSHERRI18
    31. Juli 2010

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