“Das ist eine guter Tag für die krumme Gurke und die knubbelige Karotte.”

Der folgende Beitrag ist keine Satire.

Eigentlich ist mir diese Meldung nur aufgefallen, weil ich in meiner Arbeit häufig mit verschiedenen (mathematischen) Begriffen von Krümmung zu tun habe. Aber so habe ich heute gelernt, daß es seit 1988 eine EU-Verordnung zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken gibt, nach der Gurken der Extra-Klasse eine Krümmung von höchstens zehn Millimetern je zehn Zentimeter Länge haben dürfen.

Trotz Widerstand aus Frankreich, Italien und Spanien ist diese Verordnung jetzt mit Wirkung zum Juli 2009 gekippt worden. (Quelle) In Zeiten der Wirtschaftskrise kann man es sich offenbar nicht mehr leisten, unnötig Lebensmittel wegzuwerfen.

Das Zitat im Untertitel ist übrigens auch kein Witz, sondern stammt vom Sprecher der EU-Landwirtschaftskommissarin.

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Die Bilder oben sind aus der deutschen bzw. englischen Wikipedia. In der französischen, italienischen und spanischen Wikipedia findet man nur Bilder völlig regelgerechter Gurken:

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Kommentare (9)

  1. #1 florian
    14. November 2008

    Krümmungsverordnungen der EU für Gemüse und Obst haben natürlich ein großes humoristisches Potential 😉 Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass sie aus europäischer Sicht Sinn machen. Wenn es um die Vergleichbarkeit von Waren aus der EU (und um vergleichbare Preise, etc) geht, dann ist es sicher sinnvoll, wenn die Dinger einigermassen einheitlich sind. Solche Normen wird es in der EU noch einige geben (und bei vielen Dingen wünsch ich mir, dass sie innerhalb Europas endlich mal vereinheitlicht würden) – aber solche Themen stechen in den Medien natürlich immer besonders raus.

  2. #2 ali
    15. November 2008

    Ich stimme florian zu. Solche Regelungen werden normalerweise als Argumente vorgebracht um die ‘Brüsseler Regelungswut’ zu beweisen aber sie wurden oft auf das Betreiben von Mitgliedstaaten eingeführt (unter anderem Deutschland wehrte sich gegen die Aufhebung der Gurkenkrümmungsverordnung) und sind auf den zweiten Blick nicht so irrsinnig wie man glauben könnte. Wenn Güter überall handelbar sind kann Normierung durchaus Sinn machen (z.B. um ungewollte Marktdifferenzierung zu vermeiden oder aus Konsumentenschutz).

    Keine Missverständniss bitte: Ich finde die Regelung nicht wirklich sinnvoll, aber ich glaube man macht sich wegen dieser häufig auf Kosten der EU lustig, es ist jedoch nicht etwas, das wegen der EU existiert, sondern wohl eher ein Beispiel von nationalen Interessen die in der EU durchgeboxt wurden. Noch dazu gibt es ähnlich viele dumme Regelungen auf nationaler Ebene. Das ist die Natur eines aktiven Staates. Es hindert Politiker natürlich nicht daran, anschliessend über den bürokratischen Brüsseler ‘Wasserkopf’ genau mit diesem Argument anzutreten.

  3. #3 Thilo Kuessner
    15. November 2008

    Wie gesagt, die Abschaffung der Regel war bisher an der Mehrheit der Mitgliedsländer gescheitert. Vor allem Italien, Frankreich und Spanien sind gegen eine Abschaffung, werden aber überraschend jetzt nicht mehr von genug anderen Ländern unterstützt. Die EU-Kommission hatte die Regelung schon früher abschaffen wollen.

  4. #4 rank zero
    15. November 2008

    Eine rationale Begründung der Verordnung war natürlich die Packungsdichte. Der eigentliche Skandal wäre allerdings, wenn 20 Jahre lang Nicht-Extra-Klasse-Gemüse tatsächlich automatisch weggeworfen worden wäre, was zwar in den Nachrichten suggeriert, aber nicht endgültig belegt wird.

    Mathematiker haben freilich offenbar versäumt darauf hinzuweisen, dass “zehn Millimeter auf zehn Zentimeter Länge” überhaupt kein gültiges Maß für die Krümmung ist. Auch die Gemüseschützer haben versagt, das Recht der aussortierten Gurken auf eine individuelle differentialgeometrische Untersuchung einzuklagen.

  5. #5 Ludmila
    4. September 2009

    Mein Mann und ich hatten letztens bei unserem Großeinkauf (er ist Gastronom) tatsächlich sehr krumme Gurken. Wenn man wie wir ein paar Dutzend Gurken braucht und die auch noch irgendwo vernünftig lagern möchte, dann kann man so etwas nicht brauchen.

    Das Risiko ist zu hoch, dass die an der Stelle größter Krümmung die Haut verletzt wird oder sich Druckstellen bilden. Solche Gurken müssen wir wegwerfen.

    Oder aber man läuft im größten Stress ins Kühlhaus, will nur mal schnell eine Gurke aus der Kiste holen und holt mit Schwung direkt ein paar raus, die dann durch die Gegend fliegen, weil sich das ineinander verhakt hat.

    Für zu Hause ist es kein Problem. Aber in der Gastronomie kann man nicht unansehnliche oder potentiell verdorbene Gurken verwenden.

    Erst da hab ich gemerkt, dass so unsinnig die Verordnung gar nicht mal war. Ich denke aber, dass der Markt das regulieren wird.

  6. #6 Thilo Kuessner
    5. September 2009

    Gerade im Buchladen gesehen: die krummen Gurken kann man auch als Glühgurken verwenden, wo Glühbirnen ja jetzt verboten sind.

  7. #7 Thilo
    22. November 2013

    Noch als Nachtrag zu Ludmilas obigem Beitrag (weil diese Seite, aus welchen Gründen auch immer, zur Zeit ziemlich oft aufgerufen wird) aus https://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_(EWG)_Nr._1677/88_(Gurkenverordnung) :
    Ebenso bedient sich der Markt weiterhin der aufgehobenen Richtlinie, indem er sie teils als private Norm, etwa von Supermarktketten, beibehält oder aber den entsprechenden Standard der ECE als Referenz nutzt. Discounter wie Aldi und Lidl, die zusammen mehr als die Hälfte des Marktanteils an Obst und Gemüse in Deutschland umsetzen, haben ein Interesse an effizienten Normen, so dass sich der Großteil der im Handel befindlichen Gurken auch nach der Außerkraftsetzung der europäischen Verordnung nicht von den früheren Handelsklassen unterscheidet.

  8. #8 Frank Wappler
    https://comment.preview.paradise
    23. November 2013

    Thilo schrieb (November 14, 2008):
    > […] daß es seit 1988 eine EU-Verordnung zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken gibt, nach der Gurken der Extra-Klasse eine Krümmung von höchstens zehn Millimetern je zehn Zentimeter Länge haben dürfen.

    Meint das höchstens zehn Millimeter Sagitta bezogen (z.B.) auf
    zehn Zentimeter Länge der entsprechenden (Krümmungskreis-)Sehne?

    Oder vielleicht höchstens zehn Millimeter “Stufenhöhe” bezogen (z.B.) auf zehn Zentimeter Länge des entsprechenden
    (Krümmungskreis-)Tangentenabschnitts?

    Oder war das den Verordnern — wie man so sagt — Banane?

    p.s.
    LaTeX – Test:

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