Die notwendigen Begriffe für eine Konstruktion der hyperbolischen Ebene wurden erst durch Riemanns Habilitationsvortrag erklärt (TvF 52).
Tatsächlich fand Beltrami 1868, also noch im Jahr der (postumen) Veröffentlichung von Riemanns Vortrag das erste Modell der hyperbolischen Ebene.
Erst damit wußte man dann tatsächlich, daß es nichteuklidische Geometrie gibt (auf die sich die von Bolyai und Lobatschewski gefundenen Berechnungen und Formeln also anwenden lassen). Zu konkreten Modellen der hyperbolischen Ebene nächste Woche.

Diese ganze Geschichte ging soweit nur um eine inner-mathematische Frage: welche Geometrien aus mathematischer Sicht möglich sind und welche die Euklidischen Postulate (eventuell ohne das Parallelenpostulat) erfüllen.
Eine ganz andere Frage ist natürlich die nach der tatsächlichen Geometrie des Raumes (oder der Raum-Zeit). Das ist natürlich keine rein mathematische Frage, sondern abhängig von astronomischen Beobachtungen, und tatsächlich ist diese Frage bis heute offen.
Jedenfalls geht man heute davon aus, daß das Universum kompakt ist (d.h. einen endlichen Durchmesser hat, gegenwärtig ca. 100 Milliarden Lichtjahre), womit es jedenfalls nicht einfach der aus der Schule bekannte Anschauungsraum R3 sein kann. (Es könnte aber durchaus trotzdem euklidische Geometrie haben, z.B. ein 3-dimensionaler Torus sein, der lokal die selbe Geometrie wie der R3 hat. Man weiß es nicht.)

Inwieweit es (insbesondere Gauß) bei der Entwicklung von nichteuklidischer Geometrie nicht nur um Mathematik, sondern tatsächlich um die philosophische Frage nach unserem Anschauungsraum ging, wird sich wohl nicht mehr wirklich klären lassen. Die Wikipedia schreibt dazu:

Zwischen 1818 und 1826 leitete Gauß die Hannoversche Landesvermessung und entwickelte dabei Verfahren mit erheblich gesteigerter Genauigkeit. In diesem Zusammenhang entstand die Vorstellung, er habe empirisch nach einer Krümmung des Raumes gesucht, indem er die Winkelsumme in einem Dreieck vermaß, das vom Brocken im Harz, dem Inselsberg im Thüringer Wald und dem Hohen Hagen bei Göttingen gebildet wird. Sie wird heute mehrheitlich als Legende angesehen, auch wenn die Möglichkeit, Gauß habe nach Abweichungen vom üblichen Wert der Winkelsumme von 180° gesucht, nicht mit letzter Konsequenz ausgeschlossen werden kann. Die Genauigkeit seiner Instrumente hätte jedoch für den Nachweis der winzigen Krümmung des Raumes im Gravitationsfeld der Erde bei weitem nicht ausgereicht. Sie ist auch heute noch nicht möglich.

Zur Erklärung (s. TvF 47): Natürlich ist bei den von Gauß im Königreich Hannover vermessenen sphärischen Dreiecken die Innenwinkelsumme größer als 180o. Die Abweichung ist viel geringer als bei dem im Bild eingezeichneten viel größeren Dreieck, aber jedenfalls noch meßbar. Gauß’ Messungen waren aber so aufgebaut, daß die Eckpunkte passend erhöht (auf Kirchtürmen oder Bergen) ein ebenes Dreieck bildeten. Wenn er mit seinen Messungen eine Abweichung von 180o bekommen hätte, wäre dies ein Beleg für die “Krümmung des Raumes im Gravitationsfeld der Erde” gewesen. Auch mit dem heutigen Wissen der Relativitätstheorie ist die gravitationsbedingte Krümmung der Raum-Zeit und die Abweichung der Innenwinkelsumme von 180o aber zu gering, als das Gauß sie hätte messen können.

Die ersten beiden Bilder sind von https://images.math.cnrs.fr/Geometriser-l-espace-de-Gauss-a.html, die anderen aus der Wikipedia.

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