Monströser Mondschein.

In den letzten Wochen war es darum gegangen, daß die in TvF 91 beschriebene “Modulfläche” H2/SL(2,Z) gerade den Modulraum der elliptischen Kurven beschreibt: jede elliptische Kurve entspricht einem Torus, entspricht einem Gitter in der Ebene, entspricht einem Punkt in der oberen Halbebene modulo der modularen Wirkung von SL(2,Z).
Zuletzt hatten wir letztes Mal (ich meine, noch vor dem Silvester-Artikel) erklärt (naja, eigentlich nur angedeutet), warum jede elliptische Kurve einem Torus entspricht. Das lag letztlich daran, daß die j-Funktion jeden möglichen Wert annimmt (“surjektiv” ist).

Die j-Funktion ist eine Invariante elliptischer Kurven (siehe TvF 96) oder, was eben dasselbe ist, eine Funktion auf der oberen Halbebene, die bzgl. der in TvF 90 beschriebenen Wirkung von SL(2,Z) invariant ist, d.h. j(Az)=j(z) für alle A aus SL(2,Z). (Das ist dasselbe, weil der Modulraum der elliptischen Kurven ja gerade H2/SL(2,Z) ist.)

Das Bild unten veranschaulicht den Graphen der j-Funktion (die Farben entsprechen den Funktionswerten): man erkennt gut, daß die j-Funktion SL(2,Z)-invariant ist.

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© Jan Homann

Die j-Funktion hat neben der Klassifikation elliptischer Kurven noch viele weitere Anwendungen. Die vielleicht überraschendste ist unter dem Namen “Monströser Mondschein” bekannt.

Statt als Funktion j(τ) auf der oberen Halbebene kann man die j-Funktion mittels des Koordinatenwechsels q=exp(2πiτ) auch als Funktion j(q) auf der Einheitskreisscheibe auffassen.
Wenn τ in der oberen Halbebene liegt, dann liegt q=exp(2πit) im Einheitskreis. Jedem Wert von q (mit Ausnahme von 0) entspricht ein eindeutiger Wert von τ.
Nach diesem Koordinatenwechsel sieht das Bild der j-Funktion so aus:

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© Linas

Die Funktion j(q) kann man in eine Potenzreihe entwickeln:
j(q)=1/q+744+196884q+21493760q2+…
Überraschenderweise sind alle Koeffizienten ganze Zahlen.

Daraus kann man z.B. (mit tiefliegender Mathematik) herleiten, daß eπ

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sehr nahe an der ganzen Zahl 262.537.412.640.768.744 ist. (Diese Zahl heißt Ramanujan-Konstante – den Namen verdankt sie wohl einem Aprilscherz von Martin Gardner.)

Noch überraschender ist, daß sich aus diesen ganzzahligen Koeffizienten 1, 744, 196884, 21493760, … die Dimensionen der Darstellungen der Monstergruppe (als Lösung eines linearen Gleichungssystems) berechnen lassen.

Die Monster-Gruppe ist die größte einfache, endliche Gruppe:

Verity Seeker: The Monster Group. The largest of the sporadic simple groups. Music: The Cure – Lullaby

Die Tatsache, daß die Koeffizienten der j-Funktion sich aus den Dimensionen der Darstellungen der Monstergruppe berechnen lassen, ist unter dem Namen “Monstrous Moonshine” bekannt, sie wurde von Richard Borcherds bewiesen, der dafür 1998 die Fields-Medaille erhielt.

Zur Geschichte des Begriffs “Monströser Mondschein” schreibt die Wikipedia:

The term “monstrous moonshine” was coined by Conway, who, when told by John McKay in the late 1970s that the coefficient of q (namely 196884) was precisely the dimension of the Griess algebra (and thus exactly one more than the degree of the smallest faithful complex representation of the Monster group), replied that this was “moonshine” (in the sense of being a crazy or foolish idea). Thus, the term not only refers to the Monster group M; it also refers to the perceived craziness of the intricate relationship between M and the theory of modular functions.

However, “moonshine” is also a slang word for illegally distilled whiskey, and in fact the name may be explained in this light as well. The Monster group was investigated in the 1970s by mathematicians Jean-Pierre Serre, Andrew Ogg and John G. Thompson; they studied the quotient of the hyperbolic plane by subgroups of SL2(R), particularly, the normalizer Γ0(p)+ of Γ0(p) in SL(2,R). They found that the Riemann surface resulting from taking the quotient of the hyperbolic plane by Γ0(p)+ has genus zero if and only if p is 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29, 31, 41, 47, 59 or 71. When Ogg heard about the Monster group later on, and noticed that these were precisely the prime factors of the size of M, he wrote up a paper offering a bottle of Jack Daniel’s whiskey to anyone who could explain this fact.

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Kommentare (12)

  1. #1 Odysseus
    9. Januar 2010

    Lustiger Zufall, erst letzte Woche war ich über den WP-Artikel zur Monstergruppe gestolpert. Viel schlauer fühle ich mich trotzdem nicht, da fehlen mir wohl noch Grundlagen in Gruppentheorie. Das Video ist jedenfalls klasse!

    BTW: Gibt es überhaupt ganze Zahlen der Form exp(pi*sqrt(n)) (außer n=0 natürlich)?

  2. #2 Thilo Kuessner
    9. Januar 2010

    Gibt es überhaupt ganze Zahlen der Form exp(pi*sqrt(n)) (außer n=0 natürlich)?

    Nein, das folgt aus dem Satz von Gelfond-Schneider https://de.wikipedia.org/wiki/Satz_von_Gelfond-Schneider:

    der Satz von Gelfond-Schneider besagt, daß a^b transzendent ist, wenn a,b algebraisch und a nicht 0 oder 1 und b nicht rational

    wegen exp(pi*i)=-1 ist exp(pi*sqrt(n))=(-1)^(-i*sqrt(n))
    für n>0 ist -i*sqrt(n) keine rationale Zahl, man kann den Satz also anwenden

  3. #3 Odysseus
    10. Januar 2010

    Wieder was gelernt, danke!

  4. #4 Trikots Outlet
    2. April 2010

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    Link gelöscht – wir machen hier keine Werbung

  5. #5 Peter Nord
    Rom, Wien
    6. April 2014

    Guten Tag,
    ich möchte sehr gerne das eingebettete Video https://www.youtube.com/watch?v=E-_Mb1r-dqA sehen … wie gehts das? Wo und wen muß ich um Erlaubnis fragen?

    Danke für jede Antwort.
    Ganz herzlich,
    Peter

  6. #6 Thilo
    6. April 2014

    Vor 4 Jahren ging das noch:-)

    Wahrscheinlich ist das Video wegen der Musik gesperrt worden, nehme ich an. Ich habe es jedenfalls auch sonst nirgendwo im Netz mehr gefunden.

    • #7 Peter Nord
      6. April 2014

      Ach, schade.
      Vielen Dank jedenfalls!
      Beste Grüße, Peter

  7. #8 rolak
    6. April 2014

    Vor 4 Jahren ging das noch

    Kopf hoch, Thilo, wir werden ale älter 😉

    Wahrscheinlich .. gesperrt worden

    Generell ist das eine durchaus wahrscheinliche Erklärung für ‘nicht mehr sichtbar’, in diesem Fall allerdings hat der uploader höchstselbst entschieden, diesen clip vor der Allgemeinheit (und somit auch vor der YT-SuFu) zu verbergen und nur noch vor geladenen Gästen mit Eintrittskarte abzuspielen.

  8. #9 Thilo
    6. April 2014

    Schon, nur könnte das eben mit der Musik bzw. deren Verwertungsrechten zusammenhängen. Jedenfalls fällt mir sonst kein Grund ein, warum man ein Mathe-Video (es ging um die Monstergruppe und deren Zusammenhang mit Modulformen und der Mondschein-Vermutung) auf privat stellen sollte.

  9. #10 rolak
    6. April 2014

    Schon, nur könnte

    Ja, könnte hypothetisch, Thilo, würde aber nichts nutzen, da eine Sperrung durch eine Privatisierung durchschlägt, wie mir einmal bei einem winzigen Zitat-Schnipsel deutlich gemacht wurde.

    fällt mir sonst kein Grund ein

    Mir auch nicht, doch was gelten schon wir unwürdigen Wichte?

  10. #11 Marcy Byfield
    7. Mai 2017

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    26. Juni 2019

    Topologie von Flächen XCVIII – Mathlog
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