Das längste Tennis-Match der Geschichte fand diese Woche in Wimbledon statt – Isner-Mahut endete nach über 11 Stunden im 5.Satz mit 70:68.

Gewinner John Isner meinte danach in einem TV-Interview:

Nothing like this will ever happen again.

Hat er Recht? Tim Gowers, ein bekannter Kombinatoriker, hat in “A mathematician watches tennis” versucht zu berechnen, wann sich (aus wahrscheinlichkeitstheoretischer Sicht) dieses Ereignis wiederholen könnte.
Sein Ergebnis: ein 70:68-Ergebnis dürfte es das nächste Mal in etwa 200 Jahren geben.
Da man sicherlich davon ausgehen kann, daß in 200 Jahren andere Sportarten betrieben werden als heute, sollte Isner also recht behalten – nothing like this will ever happen again.

Was hat Gowers berechnet? Im wesentlichen geht es um die Wahrscheinlichkeit, daß der Aufschlagende einen Punkt nicht holt. (Andernfalls, wenn immer abwechselnd der Aufschlagende den Punkt holt, geht das Spiel nie zuende.) Wenn man die Wahrscheinlichkeit dafür z.B. mit q=1/4 ansetzt, dann kann man leicht ausrechnen, daß (bei 508 Grand Slam-Spielen im Jahr) alle 16 Jahre ein solches Ergebnis zustande kommen sollte.

Aber so einfach ist es natürlich nicht:

In almost all matches, this probabilistic model is ludicrously wrong: if, for example, one player is significantly better than the other, as is very often the case, or the match ebbs and flows, as is even more often the case, then it is certainly not the case that, game in and game out, the probability of the server winning the point is 3/4. This model is non-ridiculous only under very special circumstances: both players need to be excellent and very consistent servers, and they need to be evenly matched (on the day at least). And this state of affairs needs to last.

Jedenfalls rechnet Gowers dann (in einer sehr groben Überschlagsrechnung) mit ein, wie oft tatsächlich gleichstarke Gegner gegeneinanderspielen und wie oft es zu 5-Satz-Spielen kommt und kommt dann auf die Größenordnung von 200 Jahren.

Andererseits weist er darauf hin, daß die Wahrscheinlichkeit q=1/4 (dafür daß der Aufschlagende den Punkt NICHT holt) während eines langen Spiels sinken dürfte:

If both players got into a groove on their serves, and were too tired to cope with each other’s serves, then the value of q would have gone down. But the match had to go on for quite a long time for this to happen. So perhaps the conditional probability of a long run given that there has been a long run up to now is higher than the probability of a long run starting from scratch. (In probability jargon, the process is not memoryless.)

Tim Gowers: “A mathematician watches tennis”

Kommentare (9)

  1. #1 Ulrich Berger
    27. Juni 2010

    ein 70:68-Ergebnis dürfte es das nächste Mal in etwa 200 Jahren geben

    Ohne das paper gelesen zu haben vermute ich aber stark, dass er meinte “70:68 oder noch höher”.

  2. #2 Thilo Kuessner
    27. Juni 2010

    Ja klar, es geht sozusagen um die Wahrscheinlichkeit, daß ein Spieler seinen Aufschlag nicht nutzt – nach wievielen Spielen das zum ersten mal der Fall ist

    Es ist übrigens auch kein Paper, sondern nur eine sehr grobe Überschlagsrechnung, die er auf seine Webseite gestellt hat.

  3. #3 MisterX
    28. Juni 2010

    warum soll es is 200 jahren kein tennis mehr geben? -.-

  4. #4 Thilo Kuessner
    28. Juni 2010

    Weil die heute populären Sportarten vor 200 Jahren auch noch nicht sehr verbreitet waren? Tennis zum Beispiel gibt es seit 1874. Wer weiß, was im 23.Jahrhundert gespielt wird.

  5. #5 MisterX
    28. Juni 2010

    Na aber auf jedenfall Tennis^^
    Nur weil jemand eine Sportart erfindet, heißt es nicht das diese Sportart auch aussterben kann. Damals war die Kommerzialisierung auch nicht so enorm wie heute, zB Football, das es auch noch in 500 jahren bestimmt geben wird. Und auch heutzutage gibts ja wohl immernoch den Speerweitwurf oder etliche andere Sportarten die es auch schon vor hunderten Jahren gab. Der hat auf keinen fall recht der typ^^

    gruß

  6. #6 antiangst
    28. Juni 2010

    Wo Menschen handeln, sollte man nicht nur die Wahrscheinlichkeit bemühen, sondern sich auch die Frage stellen, ob es Motiv und Gelegenheit zur einer Absprache der Helden gab?

  7. #7 Thilo
    28. Juni 2010

    Das ist unwahrscheinlich 🙂

    Isner ist übrigens auch sonst ein Spieler, der ungewöhnlich viele Aufschläge verwandelt, aber bei gegnerischen Aufschlägen nicht so gut aussieht: https://blogs.wsj.com/dailyfix/2010/06/24/isner-fitting-winner-of-marathon-wimbledon-match/

  8. #8 Ret
    29. Juni 2010

    “Damals war die Kommerzialisierung auch nicht so enorm wie heute, zB Football, das es auch noch in 500 jahren bestimmt geben wird.”

    Football hat sich in den USA ja unabhängig von der “Kommerzialisierung” durchgesetzt. Aber trotzdem ist es gerade die Kommerzialisierung, die Football irgendwann das Ende bescheren kann.
    Man stelle sich eine neue, teure und extrem populäre Sportart vor, z.B. Quidditsch 😉 Wenn sich dadurch das Interesse an Football wesentlich verringert, ist das ganze System hochgradig gefährdet. Die Colleges sind das Rückgrat des Football. Sollten die Gelder hier abgezogen und anderweitig verwendet werden, war es das, besonders da es Football ‘quasi’ nur in den USA gibt.
    Und der einzige Sport, für den die Amis Millionen um Millionen aus Nostalgiegründen ‘verplempern’ würden, ist Baseball.
    Also ich jedenfalls halte gerade Football für die gefährdetste der großen Sportarten. Und überhaupt ist Football nur was für Typen, die vor Rugby Angst haben :p

  9. #9 Markus78
    30. Juni 2010

    Ich finde es sehr interessant, dass sich jetzt sogar die Wissenschaft mit so einem historischen Match beschäftigt. Wobei es meiner Meinung nach zu viele nicht berechenbare Faktoren (beispielsweise Einflüsse von aussen) gibt, die man bei so einer Rechnung nicht berücksichtigen kann.