Blätterungen, Laminierungen und singuläre Blätterungen.

Letzte Woche hatten wir die Klassifikation der Selbstabbildungen des Torus besprochen. Das Ergebnis war, daß alle Selbstabbildungen entweder periodisch oder reduzibel oder (das ist der weitaus häufigste Fall) sogenannte Anosov-Abbildungen sind. Anosov-Abbildungen sind Abbildungen, die in “einer Richtung dehnen und in einer anderen Richtung stauchen”.

i-fd5dc650a851e1d07a51757820b09444-cadcam09.jpg

Zwei Blätterungen eines Rechtecks.

Mathematisch präziser gefaßt bedeutete dies, daß es eine Zerlegung des Torus in parallele Geraden (die “stabile Blätterung”) und eine andere Zerlegung desselben Torus in parallele Geraden (die “instabile Blätterung”) gibt, so daß die Abbildung jeweils Blätter auf Blätter abbildet und so, daß Abstände auf den Blättern der instabilen Blätterung um einen Faktor λ>1 vergrößert werden, während Abstände auf den Blättern der instabilen Blätterung um den Faktor 1/λ<1 verringert werden. Konkret sieht das dann aus wie bei der bekannten Katzenabbildung, wo die Katze in eine Richtung gedehnt und in eine andere Richtung gestaucht wird.

Solche stabilen und instabilen Blätterungen kann es auf anderen Flächen nicht geben, aus einem einfachen topologischen Grund – auf einer Fläche mit mindestens 2 Henkeln gibt es überhaupt keine Blätterungen.
Allgemein kann es auf einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit eine Blätterung mit n-1-dimensionalen Blättern nur dann geben, wenn die Euler-Charakteristik χ=0 ist. Grund dafür ist das normale Vektorfeld, das keine Nullstellen hat, woraus mit der Poincaré-Hopf-Formel χ=0 folgt. (Falls die Blätterung nicht ko-orientierbar ist, benutzt man eine 2-blättrige Überlagerung und bekommt ebenfalls χ=0.)
In TvF 6 hatten wir mal die Euler-Charakteristik von Flächen berechnet: für eine Fläche mit g Henkeln ist χ=2-2g. Also ist χ=0 nur für g=1, d.h. für den Torus.
Übrigens hat Thurston Mitte der 70er Jahre bewiesen, daß die Bedingung χ=0 nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend für die Existenz einer Blätterung ist.

Es gibt also keine Blätterungen, es gibt aber Laminierungen, wie wir sie vor 2 Wochen besprochen hatten (sozusagen Blätterungen, bei denen aber nur ein Teil der Fläche geblättert wird). Und es gibt auch singuläre Blätterungen wie im Bild unten, bei denen einige ‘singuläre’ Blätter keine Geraden oder Kreise sind, sondern mehrere Strecken in einem Punkt zusammenlaufen.

Offensichtlich kann man aus einer singulären Blätterung eine Laminierung machen, indem man die singulären Blätter entfernt. Auch umgekehrt kann man eine Laminierung zu einer singulären Blätterung ‘vervollständigen’. Es ist deshalb ein wenig Geschmackssache, ob man lieber mit Laminierungen oder mit singulären Blätterungen arbeitet.
(Im neuen Lehrbuch von Farb-Margalit oder im Klassiker von Fathi-Laudenbach-Poenaru wird ebenso mit singulären Blätterungen gearbeitet wie in Thurstons Original-Arbeit, sonst ist aber auch die Beschreibung der Pseudo-Anosov-Abbildungen duch Laminierungen weitverbreitet.)

Das Ziel ist jedenfalls folgendes: analog zu den Anosov-Abbildungen des Torus, wo man eine stabile und eine instabile Blätterung hatte, will man für (nicht-periodische, nicht-reduzible) Selbstabbildungen anderer Flächen eine stabile und eine instabile Laminierung (oder eine stabile und eine instabile singuläre Blätterung) finden – damit würde man die Abbildungen dann ähnlich gut verstehn wie die Katzenabildung im Bild ganz oben: man wüßte (fast) immer, in welche Richtung gedehnt und in welche Richtung gestaucht wird.
Daß dies tatsächlich so funktionert ist der Inhalt von Thurstons Klassifikation der Flächenabbildungen, dazu nächste Woche.


Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7 , Teil 8, Teil 9 , Teil 10 ,Teil 11, Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16, Teil 17, Teil 18, Teil 19, Teil 20, Teil 21, Teil 22, Teil 23, Teil 24, Teil 25, Teil 26, Teil 27, Teil 28, Teil 29, Teil 30, Teil 31, Teil 32, Teil 33, Teil 34, Teil 35, Teil 36, Teil 37, Teil 38, Teil 39, Teil 40, Teil 41, Teil 42, Teil 43, Teil 44, Teil 45, Teil 46, Teil 47, Teil 48, Teil 49, Teil 50, Teil 51, Teil 52, Teil 53, Teil 54, Teil 55, Teil 56, Teil 57, Teil 58, Teil 59, Teil 60, Teil 61, Teil 62, Teil 63, Teil 64, Teil 65, Teil 66, Teil 67, Teil 68, Teil 69, Teil 70, Teil 71, Teil 72, Teil 73, Teil 74, Teil 75, Teil 76, Teil 77, Teil 78, Teil 79, Teil 80, Teil 81, Teil 82, Teil 83, Teil 84, Teil 85, Teil 86, Teil 87, Teil 88, Teil 89, Teil 90, Teil 91, Teil 92, Teil 93, Teil 94, Teil 95, Teil 96, Teil 97, Teil 98, Teil 99, Teil 100, Teil 101, Teil 102, Teil 103, Teil 104, Teil 105, Teil 106, Teil 107, Teil 108, Teil 109, Teil 110, Teil 111, Teil 112, Teil 113, Teil 114, Teil 115, Teil 116, Teil 117, Teil 118, Teil 119, Teil 120, Teil 121, Teil 122, Teil 123, Teil 124, Teil 125, Teil 126, Teil 127, Teil 128, Teil 129, Teil 130, Teil 131, Teil 132, Teil 133, Teil 134, Teil 135, Teil 136, Teil 137, Teil 138, Teil 139, Teil 140, Teil 141, Teil 142

Kommentare (1)

  1. #1 s3absti8n
    20. November 2010

    ja mit katzenbildern wird das erst richtig interessant. bei mir hats zu meiner eigenen überaschung geklappt ; )