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Im aktuellen Heft 172 der Annals of Mathematics wird der Artikel Quantum unique ergodicity for SL(2,Z)\H2 von Kannan Soundararajan veröffentlicht.

Aus der Einleitung:

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Worum geht es?

Wellenformen

Bei der QUE-Vermutung geht es um “Wellen mit hohen Frequenzen”, also Eigenfunktionen des Laplace-Operators zu großen Eigenwerten, auf der Modulfläche.

Die Berechnung der Eigenwerte des Laplace-Operators wird gerne mit der plakativen Frage “Can one hear the shape of a drum?” popularisiert: die Obertöne einer Trommel werden bestimmt durch die Eigenwerte des Laplace-Operators auf der Trommelfläche (siehe TvF 76).

In der euklidischen Ebene ist der Laplace-Operator einfach

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und seine Eigenfunktionen sind Wellen wie z.B. sin(2x)cos(3y).

In der hyperbolischen Ebene (d.h. im Halbebenen-Modell mit Koordinaten (x,y), y>0) hat der Laplace-Operator die Form
-y^2\left(\frac{\partial^2}{\partial x^2} + \frac{\partial^2}{\partial y^2}\right).
seine Eigenfunktionen sind ‘Wellen’ auf der Hyperbolischen Ebene.

Wir betrachten dann die Modulfläche X=SL(2,Z)/H2, also den Quotientenraum der hyperbolischen Ebene bzgl. der Wirkung der modularen Gruppe SL(2,Z) (siehe TvF 90, TvF 91).
Wellen auf der Modulfläche entsprechen denjenigen Wellen auf der hyperbolischen Ebene, die unter der Wirkung von SL(2,Z) invariant sind.

Damit kommt man zur Definition der Maass-Wellen-Formen (benannt nach Hans Maaß). Das sind komplex-wertige stetige Funktionen auf der hyperbolischen Ebene, die:
1. invarant unter der Wirkung von SL(2,Z) sind
2. Eigenfunktionen des Laplace-Operators sind
3. in den Cusps von SL(2,Z) nur polynomiell wachsen.

Gleichmäßige Verteilung

Nach der “Quantum Unique Ergodicity”-Vermutung sollen Eigenfunktionen zu großen Eigenwerten annähernd “gleichverteilt” sein, insbesondere sollen sich ihre Nullstellen gleichmäßig über die Fläche verteilen.

Das Bild unten (von der AIM-Webseite) zeigt gleichmäßig verteilte Punkte im (Fundamentalbereich der) Modulfläche:

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© F.Strömberg

Diese Vermutung ist in der jetzt veröffentlichten Arbeit von Soundararajan bewiesen worden: wenn F eine (normierte) Maass-Wellen-Form zu einem großen Eigenwert λ ist, dann muß |F|2 dx dy/y2 näherungsweise die Gleichverteilung 3/π dx dy/y2 sein.

(Der analoge Satz für kompakte arithmetische hyperbolische Flächen, also Brezeln oder Flächen mit mehr als 2 Henkeln, war bereits früher von Lindenstrauss bewiesen worden, die Arbeit von Soundararajan baut auf Lindenstrauss Programm auf. )

Populärwissenschaftliche Erklärungen

Das AIM hatte vor 3 Jahren mal einen (sehr) populärwissenschaftlichen Artikel zu “Quantum Unique Ergodicity” (es ging damals noch um den Fall holomorpher Modulformen, den Soundararajan und Holowinsky damals bewiesen hatten), in dem das Ergebnis so erklärt wurde:

The motivation behind the problem is to understand how waves are influenced by the geometry of their enclosure. Imagine sound waves in a concert hall. In a well-designed concert hall you can hear every note from every seat. The sound waves spread out uniformly and evenly. At the opposite extreme are “whispering galleries” where sound concentrates in a small area.

[…]

Soundararajan and Holowinsky showed that for certain shapes that come from number theory, the waves always spread out evenly. For these shapes there are no “whispering galleries.”

Mehr ins mathematische Detail geht ein Artikel von Sarnak

Quantenchaos

Was hat das mit Chaos zu tun?

Der jetzt bewiesene Satz paßt in eine allgemeine Theorie, die einen Zusammenhang zwischen chaotischer Dynamik und gleichmäßiger Verteilung hochfrequenter Wellenfunktionen herzustellen versucht.

Elementares Beispiel: Billardtische.
Ob der Lauf der Kugel auf dem Billardtisch chaotisch oder integrabel ist hängt von der Form des Billardtisches ab: auf einem kreisförmigen Billardtisch ist die Bewegung integrabel, auf einem stadionförmigen Billardtisch ist sie chaotisch (kleine Änderungen der Anfangsbedingungen können zu einer qualitativen Veränderung der weiteren Entwicklung des Systems führen).

Nach dem Satz von Weyl hängen auch die Eigenwerte des Laplace-Operators (die “Frequenz von Wellen”) von der Form des Billardtisches ab.

Und nicht nur die Eigenwerte, auch die Dichten der “Hochfrequenz-Zustände” (d.h. der Eigenfunktionen zu großen Eigenwerten des Laplace-Operators) hängen von der Form des Billardtisches ab. Einige Beispiele zeigt der Artikel von Sarnak:

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Für den runden Billardtisch (auf dem die Bewegung der Billardkugel integrabel ist) sind die Dichten der “Hochfrequenz-Zustände” nicht gleichmäßig verteilt.
Für den stadionförmigen Billardtisch (auf dem die Bewegung der Billardkugel chaotisch ist)
sind die Dichten der “Hochfrequenz-Zustände” gleichmäßiger verteilt.

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Kommentare (2)

  1. #1 s3absti8n
    27. Dezember 2010

    keine katzen?

    gibts dafür praktische anwendungen außer die eines ovalen billardtisches?

  2. #2 threepoints...
    30. Dezember 2010

    Was bringt es jetzt für erkenntnisse für Strahlung im Raum? Also da draussen … im Universum.
    Könnten wir nun eine Form des Raumes anhand von vergleichen und Hochrechnungen vorhersagen?