Unentrinnbare Labyrinthe.

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In einem klassischen Labyrinth wie dem oben abgebildeten “kretischen” kann man natürlich von jedem Punkt zu jedem anderen gelangen – es gibt kein Innen und kein Außen. Der Grund dafür: die berandenden Kurven sind nicht geschlossen, jede hat einen Anfangs- und einen Endpunkt.

Anders sähe es aus, wenn die Berandung eine geschlossene Kurve wäre.

Jede geschlossene Kurve in der Ebene hat ein Inneres und ein Äußeres – so sagt es der Jordansche Kurvensatz (den wir letzte Woche veranschaulicht hatten) und so erwartet man es natürlich auch. Man kommt nie von der einen Seite zur anderen ohne die Kurve zu kreuzen.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht – wie entscheidet man zum Beispiel, ob das Haus im Bild unten inner- oder außerhalb der Kurve liegt?

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plus.maths.org/content/winding-numbers-topography-and-topology-ii

Das Video zeigt eine sehr einfache Methode, mit der man entscheiden kann, ob zwei Punkte auf derselben Seite liegen:

man verbinde die beiden Punkte durch eine Strecke – falls diese Strecke die Kurve 1mal schneidet, liegen die Punkte auf unterschiedlichen Seiten der Kurve; falls die Strecke die Kurve 2mal schneidet, liegen die Punkte auf derselben Seite der Kurve; falls die Strecke die Kurve 3mal schneidet, liegen die Punkte auf unterschiedlichen Seite der Kurve; … ; falls die Strecke die Kurve 17mal schneidet, liegen die Punkte auf unterschiedlichen Seite der Kurve; …

Wenn ich also entscheiden will, ob das Haus im 1.Bild oben im Inneren liegt, verbinde ich das Haus mit irgendeinem weit außen liegenden Punkt und zähle nach, ob die Anzahl der Schnittpunkte ungerade ist.

Man kann diese Methode als Spezialfall eines allgemeinen Prinzips verstehen, nämlich der Verschlingungszahl von Sphären.

In TvF hatten wir mal die Verschlingungszahl zweier geschlossener Kurven im 3-dimensionalen Raum definiert.

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linking number 1

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linking number 2

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linking number 3

Man denkt sich eine der beiden Kurven als Rand einer Fläche (im Beispiel kann man dafür einfach eine Kreisscheibe nehmen) und zählt danach die Anzahl der Schnittpunkte zwischen dieser Fläche und der zweiten Kurve.

Wenn die Anzahl der Schnittpunkte ungerade ist, dann sind die beiden Kurven ineinander verschlungen, man kann sie nicht trennen. (Wenn die Anzahl der Schnittpunkte gerade ist, können die Kurven unverschlungen oder auch verschlungen sein; im Bild oben mitte – ‘linking number 2’ – sind sie verschlungen.)

Das war die Grundidee hinter der Definition der Verschlingungszahl zweier (1-dimensionaler) Kurven im (3-dimensionalen) Raum in TvF 118.

Man mußte dann noch aufpassen, in welche Richtung der (gerichtete) zweite Knoten die Fläche schneidet, ob von oben nach unten oder von unten nach oben.
Schneiden von oben nach unten und dies zählte als Schnittzahl -1, im umgekehrten Fall als Schnittzahl +1.

Das selbe haben wir jetzt im Labyrinth-Beispiel ‘eine Dimension niedriger’ gemacht: wir hatten eine geschlossene Kurve (1-dimensional) und ein Paar von Punkten (0-dimensional), beide in der Ebene (2-dimensional). Statt wie im 3-dimensionalen Fall die eine Kurve zum Rand einer Fläche zu machen, machen wir jetzt das Punkt-Paar zum Rand einer Strecke und wir zählen die Anzahl der Schnittpunkte zwischen der geschlossenen Kurve und der vom Punkt-Paar berandeten Strecke.

Für die Definition der Verschlingungszahl von Kurve und Punkt-Paar muß man wieder der Kurve eine Orientierung geben und zählt dann in jedem Schnittpunkt die Schnittzahl als -1 oder +1, je nachdem in welcher Richtung die Strecke geschnitten wird.
Wenn man sich nur für gerade/ungerade interessiert, spielt die Orientierung natürlich keine Rolle, denn modulo 2 sind 1 und -1 dasselbe.

Zwei Punkte liegen also auf derselben Seite einer geschlossenen Kurve (in der Ebene), wenn die Verschlingungszahl des Punkt-Paares mit der Kurve Null ist.

Das selbe geht dann analog auch in anderen Dimensionen: wenn man im (m+n+1)-dimensionalen Raum eine m-dimensionale und eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit hat, dann kann man deren Verschlingungszahl auf ähnliche Weise definieren und berechnen.


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