Beweis des Jordanschen Kurvensatzes in 5 Zeilen.

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britton.disted.camosun.bc.ca/jbjordan.htm

In den letzten Wochen ging es um den Jordanschen Kurvensatz: jede geschlossene Kurve K zerlegt die Ebene R2 in 2 Teile.

Für diese Tatsache gibt es komplizierte elementare Beweise – es gibt aber auch einen sehr kurzen Beweis, der verschiedene Eigenschaften der sogenannten Homologiegruppen Hn(X) eines Raumes X benutzt, die wir letzte Woche definiert hatten.

Die Definition der Homologiegruppen braucht man für diesen Beweis, wie auch für viele andere Anwendungen der Homologietheorie, gar nicht zu kennen – man benötigt nur einige ihrer Eigenschaften.

Die Eigenschaften der Homologiegruppen werden in den Eilenberg-Steenrod-Axiomen zusammengefaßt, die ich hier jetzt nicht aufliste, sondern für die ich auf den Wikipedia-Artikel1 verweise. Speziell für den Beweis des Jordanschen Kurvensatzes braucht man das 5.Axiom (Exaktheit2) und den Lefschetz-Dualitätssatz (dessen Beweis man in fast jedem Topologie-Buch findet), außerdem natürlich noch die Berechnung der Homologiegruppen von R2 und S1, die aber direkt aus den Axiomen folgt.

Beweis

Vorletzte Woche hatten wir erklärt, daß die Aussage des Jordanschen Kurvensatzes (R2-K hat zwei Wegzusammenhangskomponenten) äquivalent zu der Behauptung H0(R2-K)=Z2 ist.

Man muß also nur diese Gleichung beweisen und dies geht mit den bekannten Eigenschaften der Homologiegruppen sehr kurz und einfach wie folgt:

Die erste Zeile des Beweises ergibt sich aus dem 5. Eilenberg-Steenrod-Axiom (Exaktheit). Die Gruppen H1(R2), H0(R2), H0(R2, R2-K) lassen sich leicht aus den Axiomen (oder auch der Definition) berechnen. Die Gruppe H1(R2, R2-K) berechnet man mit dem Lefschetz-Dualitätssatz, welcher besagt, daß für eine d-dimensionale Mannigfaltigkeit M und eine kompakte Teilmenge K immer Hd-p(M,M-K)=Hp(K) gilt, wobei auf der rechten Seite die p-te Cech-Kohomologie von K steht. Hier haben wir d=2, p=1 und K ist ein Kreis und es ist bekannt, daß die 1-te Kohomologie des Kreises isomorph zu Z ist.
Damit bekommt man also die exakte Sequenz in der vorletzten Zeile und aus dieser folgt H0(R2-K)=Z2, denn Z2 ist die einzige Erweiterung3 von Z mit Z.

Also: ein Beweis des Jordanschen Kurvensatzes in 5 Zeilen, der freilich eine vorher bereits ausgebaute Theorie benutzt. “The point of understanding mathematics is to become better able to solve problems.” (Gowers)

1Die letzte Woche definierten Homologiegruppen erfüllen diese 5 Axiome und zusätzlich noch das Axiom H0(P)=Z für den 1-Punkt-Raum P. Durch diese Axiome sind sie dann auch eindeutig festgelegt.
(Wenn man auf das zusätzliche Axiom H0(P)=Z verzichtet, bekommt man sogenannte verallgemeinerte Homologietheorien, die dieselben 5 Eilenberg-Steenrod-Axiome erfüllen, wo man aber für H0(P) eine andere Gruppe festlegt.)

2 Zu der Bezeichnung H*(X,A), die im 5.Axiom (Exaktheit) verwendet wird: das ist die sogenannte relative Homologie (für einen Raum X und einen Unterraum A). Der Unterschied zur Definition von H*(X) (letzte Woche) ist: Zykel können einen Rand haben, aber dieser muß in A liegen; Ketten gelten schon dann als Rand, wenn sie die Summe aus dem Rand einer Kette (in X) und einer beliebigen anderen Kette in A sind.
Für “vernünftige” Unterräume A (d.h. wenn A eine Umgebung hat, die sich auf A kontrahieren läßt) ist H*(X,A)=H*(X/A), wobei X/A der Raum ist, den man aus X erhält, indem man alle Punkte aus A identifiziert.

3 Das folgt zum Beispiel aus Ext1(Z,Z)=H2(Z,Z)=H2(S1;Z)=0, es gibt natürlich auch elementarere direkte Beweise.


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