Ein Video der Hopf-Faserung.

Letzte Woche hatten wir erklärt, warum jede Fläche einen komplexen Atlas (soll heißen: einen Atlas mit komplex differenzierbaren Kartenübergängen) hat. Weil wir dies vor 3 Wochen beim Beweis der Klassifikation der (geschlossenen, orientierbaren) Flächen verwendet hatten, wollten wir diese Klassifikation letzte Woche natürlich nicht verwenden, sondern die Existenz eines komplexen Atlas mit abstrakten Argumenten beweisen. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß man, wenn die Klassifikaton der Flächen (Sphäre, Torus, Brezel,…) bereits bekannt ist, dann auf diesen Flächen auch ad hoc die komplexen Atlanten konstruieren kann, also dann nicht auf die letzte Woche zitierten allgemeinen Sätze aus der Faserbündel-Theorie zurückgreifen muß.
Im folgenden beschreiben wir explizit komplexe Strukturen auf der Sphäre, dem Torus, sowie auf der Brezel und Flächen mit mehr als 2 Henkeln.

Sphäre

Mittels stereographischer Projektion kann man sehen, daß die Sphäre gerade die 1-Punkt-Kompaktifizierung R2 U {infty} der Ebene ist:

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plus.maths.org/content/non-euclidean-geometry-and-indras-pearls

Wenn wir die komplexe Zahlenebene mit C und ihre 1-Punktkompaktifizierung mit C^= C u {infty} bezeichnen, dann gibt es einen naheliegenden Atlas aus 2 Karten, nämlich
φ1:C^ – {infty}—>C, φ1(z)=z
φ2:C^ – {0}—->C, φ2(z)=1/z

Man rechnet leicht nach, daß der Kartenübergang 1/z komplex differenzierbar ist. Damit hat man also einen komplexen Atlas auf der Sphäre.

Wenn man die komplexe Struktur etwas konzeptueller verstehen will, benutzt man die Hopf-Faserung und die Darstellung der 2-dimensionalen Sphäre als komplex-projektive Gerade.

Was ist ein projektiver Raum?
Der reell-projektive Raum RPn ist die Menge aller Geraden im Rn+1.
In TvF 155 hatten wir mal über die reell-projektive Ebene RP2 geschrieben, die man bekommt, indem man auf der 2-dimensionalen Sphäre gegenüberliegende Punkte (“Antipoden”) identifiziert. Analog bekommt man die reell-projektive Gerade, indem man auf dem Kreis gegenüberliegende Punkte identifiziert, das Ergebnis ist wieder ein Kreis, oder äquivalent die 1-Punkt-Kompaktifizierung R U {infty}, wie man mit stereografischer Projektion sieht.

Der komplex-projektive Raum CPn ist die Menge aller komplexen Geraden im Cn+1. Man beachte, daß komplexe Geraden 2-dimensional sind, ihr Durchschnitt mit der Einheitssphäre S2n+1 also 1-dimensionale Kreise (und nicht nur 2 Punkte wie im reellen Fall) sind. Man bekommt den CPn also, indem man in der 2n+1-dimensionalen Einheitssphäre S2n+1 jeweils die in derselben komplexen Gerade liegenden Kreise identifiziert (d.h. jeder Kreis in der Sphäre entspricht einem Punkt im komplex-projektiven Raum).

Für n=1 ist das die sogenannte Hopf-Faserung, die so aussieht:

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Copyright Dimensions

(Die 3-Sphäre denkt man sich wieder als 1-Punkt-Kompaktifizierung des 3-dimensionalen Raumes. Der rote Kreis geht durch den Punkt im Unendlichen.)

Niles Johnson hat vor einigen Tagen eine hervorragende Video-Visualisierung der Hopf-Faserung auf YouTube eingestellt:

und er hat eine Beschreibung dazu auf www.nilesjohnson.net/hopf.html.

Die Basis der Hopf-Faserung ist also CP1.
CP1 ist aber dasselbe wie die 2-Sphäre: Die 2-Sphäre ist ja die 1-Punkt-Kompaktifizierung der Ebene, also dasselbe wie C^. Und man hat eine stetige Abbildung P:S3—>C^ definiert durch P(z1,z2)=z1/z2 und dies gibt eine wohldefinierte Abbildung CP1—>C^=S2. Man kann leicht nachrechnen, daß diese Abbildung ein Homöomorphismus ist. Und da man auf jedem komplex-projektiven Raum einen komplexen Atlas hat, bekommen wir damit eine komplexe Struktur auf der 2-Sphäre (für die wir die Hopf-Faserung nicht wirklich gebraucht hätten, diese half nur beim Verständnis, warum CP1 die 2-Sphäre ist.)

Übrigens ist CP1 die einzige komplexe Struktur auf der 2-dimensionalen Sphäre. Das folgt aus dem Satz von Riemann-Roch, aus dem man (wie im Induktionsanfang in Teil 179) herleiten kann, daß es zu jeder komplexen Fläche mit Euler-Charakteristik 2 eine biholomorphe Abbildung nach CP1 gibt.

Torus

Am leichtesten ist es wieder mal auf dem Torus.

Der Torus ist ja ein Produkt zweier Kreise.
Aus TvF 62 haben wir eine Überlagerung des Kreises:

p : R1 —> S1
p(t)=(cos(t), sin(t))

ist eine Überlagerung des Kreises durch R1:

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Quelle: Ghys: Geometriser l’espace

Der Torus T2 ist das Produkt zweier Kreise, also bekommt man eine Überlagerung
T2—>R2:

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Quelle: Ghys: Geometriser l’espace

(In TvF 63 hatten wir diese Überlagerung benutzt, um eine flache Metrik auf dem Torus zu bekommen.)

R2 kann man als komplexe Zahlenebene C auffassen, wir haben also eine Überlagerung C—>T2.

Jeder Punkt auf dem Torus hat eine Umgebung, die gleichmäßig überlagert wird, zum Beispiel eines der Rechtecke im Bild oben, oder die Vereinigung einiger Rechtecke. Die Abbildung auf eines der Urbildrechtecke in C ist eine Karte.
Kartenübergänge sind die Deckbewegungen der Überlagerung. Die Deckbewegungen der Überlagerung sind aber gerade die Translationen der Ebene.
Translationen sind natürlich komplex differenzierbar (die Ableitung ist 1). Also haben wir einen Atlas mit komplex differenzierbaren Kartenübergängen auf dem Torus konstruiert.

(Der Modulraum komplexer Strukturen auf dem Torus ist übrigens dasselbe wie der Modulraum der Gitter in C oder wie der Modulraum der elliptischen Kurven, die wir in TvF 95 beschrieben hatten.)

Brezeln und Flächen mit noch mehr Henkeln

Die Brezel (und überhaupt alle Flächen mit mehr als 2 Henkeln) haben eine Überlagerung durch die Kreisscheibe:

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Quelle: Mathworld

Das hatten wir in TvF 69 benutzt, um hyperbolische Metriken auf diesen Flächen zu konstruieren. Die Deckbewegungen der Überlagerung waren nämlich gerade Isometrien der hyperbolischen Metrik auf der Kreisscheibe.

Zufällig sind nun aber die

Symmetrien der hyperbolischen Metrik der Kreisscheibe (vgl. TvF 55)

alle komplex differenzierbar. Deshalb kann man also, genauso wie beim Torus, als Karten die Urbilder gleichmäßig überlagerter Teilmengen nehmen und hat dann komplex differenzierbare Kartenübergänge, also eine komplexe Struktur auf der Fläche.

Es ist übrigens so, wie wir in TvF 69 gesehen hatten, daß jede komplexe Struktur einer hyperbolischen Metrik entspricht und umgekehrt.
Der Modulraum der hyperbolischen Metriken ist dasselbe wie der Modulraum der komplexen Strukturen, und dieser ist 6g-6-dimensional.


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