Homotopiegruppen von Sphären.

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In den letzten Wochen hatten wir begonnen, Abbildungen zwischen Sphären bis auf Homotopie (TvF 190) zu klassifizieren bzw., was dasselbe ist (TvF 192), die Homotopiegruppen πmSn zu berechnen.

Abbildungen f:S2–>S2 zum Beispiel (also Elemente aus π2S2) wurden klassifiziert durch den Abbildungsgrad, weshalb eine Abbildung mit Abbildungsgrad 2 (Bild unten) nicht homotop zur Identität (Abbildungsgrad 1) oder zu einer konstanten Abbildung (Abbildungsgrad 0) ist.

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Letzte Woche hatten wir gezeigt, wie man aus π2S2=Z den Fundamentalsatz der Algebra beweisen kann. (Genauer gesagt brauchte man nicht nur den Fakt π2S2=Z, sondern auch daß der Isomorphismus durch den Abbildungsgrad gegeben wird und daß man aus einem Polynom P vom Grad n eine Abbildung P:S2–>S2 vom Abbildungsgrad n bekommt.)

“Berechnung” von Homotopiegruppen

Vor 2 Wochen hatten wir gesagt, daß man Homotopiegruppen πmSn “berechnen” kann als Kobordismusgruppe gerahmter (m-n)-Mannigfaltigkeiten in Sm (jedenfalls wenn man letztere berechnen kann) – das ist das Pontrjagin-Thom-Theorem.

πmSm

Als einfachsten Spezialfall (den wir schon in TvF 189, TvF 190, TvF 191 besprochen hatten) bekommt man πmSm=Z. Der Isomorphismus besteht darin, daß man jeder Abbildung f:Sm–>Sm ihren Abbildungsgrad deg(f) ∈ Z zuordnet. (Das hatten wir letzte Woche mit m=2 für den Beweis des Fundamentalsatzes benutzt.) Aus dem Pontrjagin-Thom-Theorem folgt das einfach deshalb, weil man die Kobordismengruppen gerahmter 0-Mannigfaltigkeiten (d.h. Vereinigungen von Punkten) klassfizieren kann durch Anzahl und Orientierung der
Punkte – dabei ist die Vereinigung von k positiv orientierten und l negativ orientierten Punkten kobordant zur Vereinigung von k-l positiv orientierten (bzw., falls l größer k, von l-k negativ orientierten) Punkten, weshalb die ganze Zahl k-l gerade die Kobordismusklasse bestimmt. Diese Zahl k-l entspricht aber nach Definition gerade dem Abbildungsgrad von f (TvF 189).

πm+1Sm

Etwas komplizierter wird es schon bei πm+1Sm. Das ist nach Pontrjagin-Thom dasselbe wie die Kobordismusgruppe gerahmter 1-Mannigfaltigkeiten in Sm+1.
Für m=2 hatten wir das mal in TvF 183 diskutiert: für eine Abbildung f:S3–>S2 kann man ihre Hopf-Invariante H(f)∈ Z definieren als Verschlingungszahl von Urbildern zweier Punkte und das gibt einen Isomorphismus π3S2=Z. Eine Abbildung mit H(f)=1 ist die in TvF 183 beschriebene Hopf-Faserung.

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Zwei Urbilder mit Verschlingungszahl 1.

Für m≥3 ist πm+1Sm=Z/2Z, das nichttriviale Element ist die (m-1)-fache Suspension der Hopf-Abbildung.

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Als Suspension eines Raumes bezeichnet man den Doppelkegel über dem Raum, oben abgebildet ist die Suspension des Kreises. Allgemein ist (offensichtlich) die Suspension einer n-dimensionalen Sphäre immer die n+1-dimensionale Sphäre. Wenn man eine Abbildung f:X–>Y hat, kann man sie auf die offensichtliche Weise fortsetzen zu einer Abbildung zwischen den Suspensionen. Die Suspension der Hopf-Abbildung f:S3–>S2 ist also eine Abbildung S4–>S3, durch wiederholte Suspension erhält man Abbildungen Sm+1–>Sm und man kann beweisen, daß diese die nichttrivialen Elemente in πm+1Sm=Z/2Z sind. (Allgemein gilt nach dem Freudenthal-Theorem, daß sich πm+kSm ab m=k+2 nicht mehr ändert, hier also π4S35S46S5=…. Den “Grenzwert” bezeichnet man als ‘stabile Homotopiegruppe’ πkS.)

Unter dem Pontrjagin-Thom-Theorem entspricht das nichttriviale Element von πm+1Sm dem Kreis S1 mit der Rahmung des Normalenbündels einer bestimmte Einbettung von S1 in S3, nämlich man nimmt eine “Figur 8” (Bild unten) in der Ebene und verformt sie (unter Benutzung der zusätzlichen Dimension) ein wenig (um den Doppelpunkt aufzulösen) zu einer Einbettung in die S3.

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(Stabil, d.h. für hirneichend große m, kann man auch ausnutzen, daß das stabile Normalenbündel komplementär zum Tangentialbündel ist, und kann deshalb die mit der Gruppenwirkung von SO(2)=S1 auf S1 konstruierte Trivialisierung des Tangentialbündel benutzen: man nimmt einen Tangentialvektor in einem Punkt und transportiert ihn mit der Gruppenwirkung zu Tangentialvektoren an allen anderen Punkte der S1. )

πm+2Sm

Auch πm+2Sm kann man noch mit der Pontrjagin-Thom-Konstruktion berechnen, das Ergebnis für m≥3 ist ebenfalls Z/2Z. Das nichttriviale Element entspricht unter dem Pontrjagin-Thom-Isomorphismus dem Torus T2=S1xS1 mit der Rahmung zur Immersion in R3, die man bekommt, indem man die “Figur 8” in der x-y-Ebene nimmt und stetig über jedem Punkt (in der Ebene aus Normalenrichtung und z-Achse) eine weitere Figur 8 aufträgt, das Ergebnis ist ein in R3 immersierter Torus, den man im R4 einbetten kann.
(Oder stabil der Torus T2=S1xS1 mit der Rahmung, die man, analog zur obigen Rahmung der S1, durch die Gruppenstruktur des Torus bekommt.)

πm+3Sm

Und πm+3Sm ist (für m≥5) isomorph zu Z/24Z, das nichttriviale Element entspricht einer 3-Mannigfaltigkeit, die man durch Anwendung von Koschorkes Figur-Acht-Konstruktion auf die Boy-Fläche (eine bestimmte Immersion der projektiven Ebene im R3) bekommt, oder wieder stabil der Lie-Gruppe SU(2)=S3. Explizit kann man einen Erzeuger von π7S4 angeben als die zu den Quaternionen gehörende Hopf-Abbildung (TvF 184).

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