Höherdimensionales.

In den letzten Wochen ging es darum, auf welchen Flächen es Vektorfelder ohne Nullstellen gibt, nämlich nur auf dem Torus.

Die höherdimensionale Verallgemeinerung dazu ist der Satz von Poincaré-Hopf, der besagt, daß es allgemein auf Mannigfaltigkeiten nur dann ein Vektorfeld ohne Nullstellen gibt, wenn die Euler-Charakteristik 0 ist. (Poincaré hatte den Satz 1885 für die 2-dimensionale Sphäre bewiesen, Brouwer 1910 für höherdimensionale Sphären und Hopf schließlich allgemein für Mannigfaltigkeiten.)

Für eine n-dimensionale Sphäre ist die Euler-Charakteristik 2, falls n gerade, bzw. 0, falls n ungerade ist.
Auf gerade-dimensionalen Sphären kann es also (wie schon im 2-dimensionalen Fall) keine Vektorfelder ohne Nullstellen geben.
Auf einer ungerade-dimensionalen Sphäre gibt es hingegen immer Vektorfelder ohne Nullstelle. Ein konkretes Beispiel, wenn man sich die Sphäre als Einheitssphäre im R2n denkt:
v(x1,x2, … , x2n-1,x2n)=(-x2,x1, … ,-x2n,x2n-1)
ist tangential zur Einheitssphäre und hat auf der Einheitssphäre keine Nullstellen – der Nullpunkt gehört ja nicht zur Sphäre.

Das veranschaulicht man natürlich am Einfachsten für n=1: im Punkt (x,y) trägt man jeweils den Vektor (-y,x) an:

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Wir hatten die Formel für die Einheitssphäre genommen, weil wir dort leichter angeben können, was tangentiale Vektoren v(x) sind: das sind gerade diejenigen, die orthogonal zum Fußpunkt x sind.
Aber natürlich bekommt man damit auch Vektorfelder auf jeder ‘unregelmäßigen’ Sphäre: man nimmt einfach einen Diffeomorphismus zur Einheitssphäre, das Bild des obigen Vektorfelds auf der ‘unregelmäßigen’ Sphäre (durch Zurückziehen des Diffeomorphismus) hat dann ebenfalls keine Nullstellen. Es gibt also auf jeder ungerade-dimensionalen Sphäre (nicht nur auf der runden Einheitssphäre) ein Vektorfeld ohne Nullstellen.

Wesentlich schwieriger ist die Frage, auf welcher n-dimensionalen Sphäre es n linear unabhängige Vektorfelder gibt. Für n=1,3,7 geht es, indem man die Multiplikation auf den komplexen Zahlen bzw. Quaternionen bzw. Cayley-Zahlen nutzt. Daß es auf anderen Sphären nicht geht, hatten wir in TvF 184 mal erklärt. (Der Grund war, daß es für n≠2,4,8 keine Abbildungen mit Hopf-Invariante 1 gibt.)

In seinem ICM-Vortrag 1950 hatte Hopf mal versucht am Beispiel von Sphären (und projektiven Räumen) zu motivieren, warum man sich nicht nur für einzelne Vektorfelder ohne Nullstellen, sondern auch für die Suche nach mehreren linear unabhängigen Vektorfeldern interessiert.
Sein Beispiel war die Einheitssphäre im Rn, wo ein tangentiales Vektorfeld v(x) ja die Gleichung v1x1+…+vnxn erfüllen muss, und wo man also für alle x mit x12+…xn2=1 eine stetig von x abhängende Lösung v ohne Nullstellen sucht
Wenn man jetzt dieselben Gleichungen nicht nur für reelle, sondern auch für komplexe x1,…,xn,v1,…,vn betrachtet, dann kann man die vj zerlegen als vj=uj+iwj und bekommt zwei linear unabhängige Vektorfelder auf S2n-1, nämlich (u0,-w0,…,un,-wn) und (w0,u0,…,wn,un).
Die Frage nach komplexen Lösungen der Gleichungen führt also auf die Frage nach der Existenz von zwei linear unabhängigen Vektorfeldern auf der Sn. (Und es war 1941 von Eckmann und Whitehead bewiesen worden, dass es diese nur dann gibt, wenn n=4m+3.)

Diese Frage (nach linear unabhängigen Vektorfeldern) war dann ein aktives Forschungsgebiet und Inzwischen kennt man für alle Sphären die maximal mögliche Anzahl linear unabhängiger Vektorfelder. Nämlich, man zerlege die Dimension n der Sphäre Sn als n=A2B-1 mit A ungerade, und B=4c+d mit 0 ≤ c < 4, dann ist die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektorfelder 2c+8d-1. (Z.B. wenn n gerade, n=A-1, gibt es 0 solche Vektorfelder.) Das war von Adams in “Vector fields on spheres” (veröffentlicht 1962 in Annals of Mathematics) bewiesen worden mit Hilfe von K-Theorie.