Fixpunkte und ihre Anzahl

Fixpunkte einer Funktion f sind Punkte x mit f(x)=x. Das Bild unten zeigt eine Funktion mit 3 Fixpunkten.

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Funktionen f:R—>R können natürlich beliebig viele oder auch gar keine Fixpunkte haben. Anders sieht es aus, wenn man Abbildungen zwischen kompakten Flächen (oder höher-dimensionalen Mannigfaltigkeiten M) untersucht: dort gibt es oft eine untere Schranke für die Anzahl von Fixpunkten einer beliebigen Abbildung.

In TvF 217 hatten wir gesehen, wie man die Anzahl der kritischen Punkte einer Morsefunktion f:M—>R abschätzen kann. Man kann einen von den kritischen Punkten erzeugten Kettenkomplex bauen, dessen Homologie (die sogenannte Morse-Homologie) isomorph zur Homologie von M ist. Damit muss die Anzahl der kritischen Punkte (die Gesamt-Dimension des Kettenkomplexes) mindestens so gross sein wie die Gesamt-Dimension der Homologie, also wie Σbi(M).

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Dieser auf Witten zurückgehende Ansatz (mit dem eigentlich nur eine lange bekannte Ungleichung noch einmal neu bewiesen wurde) hat eine weitgehende Verallgemeinerung erfahren im Konzept der Floer-Homologie, und dem darauf beruhenden Beweis der Arnold-Vermutung.

Bei der Arnold-Vermutung geht es (grob gesagt) um Fixpunkte von bestimmten Abbildungen, die in der Hamiltonschen Mechanik vorkommen. (Mehr dazu nächste Woche.) Man hat den Fluss H(x,t) eines Hamiltonschen Vektorfeldes und dann definiert x—>H(x,1) eine Abbildung M—>M, deren Fixpunkte gerade den 1-periodischen Orbits des Flusses entsprechen. Arnold hatte vermutet, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Anzahl der Fixpunkte mindestens Σbi(M) sei.

Es war von vornherein klar, dass diese von Arnold vermutete Ungleichung keinen rein topologischen Beweis haben kann, sondern spezielle Eigenschften Hamiltonscher Fl¨sse nutzen muss, denn für beliebige stetige Abbildungen gilt diese Ungleichung im allgemeinen nicht.

Lefschetz-Fixpunktsatz

Allerdings hat man auch für beliebige glatte Abbildungen (zwischen Mannigfaltigkeiten) eine Fixpunkttheorie, die freilich schwächere Resultate liefert. Diese Theorie geht auf Lefschetz zurück und gibt eine Zahl (die “Lefschetz-Zahl”) L(f) aus deren Nichttrivialität man auf die Existenz von Fixpunkten schliessen kann (und die eine untere Schranke für die mit Vielfachheit gezählte Anzahl von Fixpunkten gibt).
Die genaue Definition ist wie folgt: man definiert den Index eines Fixpunktes, indem man eine Umgebung mit dem Rn und den Fixpunkt mit 0 identifiziert. Auf der Einheitssphäre betrachtet man dann (f(x)-x)/IIf(x)-xII als Abbildung der Sphäre auf sich und der Abbildungsgrad dieser Abbildung ist dann per Definition der Indes des Fixpunktes. Die Lefschetz-Zahl L(f) ist per Definition die Summe der Indizes der Fixpunkte. Insbesondere ist nach dieser Definition klar, dass die Lefschetz-Zahl 0 ist, wenn es keine Fixpunkte gibt. (Interessant wird diese triviale Tatsache natürlich erst dadurch, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, die Lefschetz-Zahl zu berechnen.) Die Umkehrung stimmt übrigens nicht, aus L(f)=0 folgt nicht, dass es keine Fixpunkte geben kann.

Diese Lefschetz-Zahl kann man mit Hilfe der Homologietheorie berechnen: das hatte zuerst Salomon Lefschetz 1926 bewiesen, einen einfacheren Beweis gab dann Heinz Hopf 1928 in “A new proof of the Lefschetz formula on invariant points”. Im Ergebnis erhält man L(f) als Wechselsumme über die Spuren der Wirkung von f auf den Homologiegruppen von M.

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Quelle
Für f=id ist L(id) dann also die Euler-Charakteristik. Als Spezialfall erhält des Lefschetzschen Fixpunktsatzes erhält man das Poincaré-Hopf-Theorem: die Summe der Indizes der Nullstellen eines Vektorfeldes ist die Euler-Charakteristik. (Zum Beweis schaue man sich den Fluss des Vektorfeldes an, der natürlich homotop zur Identität ist, die Fixpunkte entsprechen den Nullstellen des Vektorfeldes und man kann zeigen, dass der Index des Fixpunktes gleich dem Index der Nullstelle des Vektorfeldes ist.) Daraus bekommt man dann auch die Eulersche Polyeder-Formel aus TvF 176.

Insbesondere: wenn die Euler-Charakteristik ungleich 0 ist (also für jede geschlossene, orientierbare Fläche mit Ausnahme des Torus), dann hat jede zur Identität homotope Abbildung (z.B. jede Abbildung, die man als Fluss eines Vektorfeldes erhält) immer einen Fixpunkt.

Flächen

Ein Spezialfall ist der Brouwersche Fixpunktsatz, den wir in TvF 32ff. besprochen hatten: Jede stetige Abbildung f:D2—>D2 hat einen Fixpunkt. (Das ergibt sich aus der Lefschetzformel weil die Euler-Charakteristik der Kreisscheibe D2 gleich 1 ist und weil auf der Kreisscheibe jedes f homotop zur Identität ist.)
Anschaulich bedeutete das, dass es auf jedem Stadtplan, den man in die entsprechende Stadt legt, einen Punkt gibt, dessen Position auf der Karte genau der Position in der Stadt entspricht: “You are here”:

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Für den Torus oder auch den Kreisring liefert einem die Lefschetz-Fixpunktformel keine Informationen (jedenfalls für Abbildungen homotop zur Identität), weil die Euler-Charakteristik Null ist.

Andererseits gibt es aber “Poincarés letzten Satz” (erster vollständiger Beweis 1925 von Birkhoff), welcher besagt: jede fl&aumlchenerhaltende Abbildung des Kreisrings, welche seine Ränder in unterschiedliche Richtungen dreht, muss mindestens 2 Fixpunkte haben.

Es muß also irgendwelche speziellen Eigenschaften flächenerhaltender Abbildungen geben, mit denen man die mittels Lefschetzformel erhaltene Ungleichung noch verbessern kann. Tatsächlich lassen sich flächenerhaltende Abbildungen in den allgemeineren (ursprünglich aus der Hamilton-Mechanik stammenden) Kontext der symplektischen Geometrie einordnen: die Volumenform einer Fläche ist ein spezielles Beispiel des allgemeineren Begriffs der symplektischen Form, flächenerhaltende Abbildungen sind ein spezielles Beispiel von sogenannten Symplektomorphismen und für letztere kann man unter bestimmten Voraussetzungen sehr viel bessere Abschätzungen für die Anzahl ihrer Fixpunkte beweisen (dazu nächste Woche) – insbesondere bekommt man damit dann das Poincaré-Birkhoff-Theorem.


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