Es gibt keine (Lagrangeschen) Kleinschen Flaschen im 4-dimensionalen Phasenraum.

Letzte Woche war es um die periodischen Orbiten Hamiltonscher Flüsse gegangen, deren Anzahl man mittels Floer-Homologie (einer Art unendlich-dimensionaler Morse-Theorie) abschätzen konnte. Dabei spielten auch Lagrange-Mannigfaltigkeiten eine Rolle, weshalb wir heute (abseits vom eigentlichen Thema Morse-Theorie) kurz etwas über Langrange’sche Flächen im R4 schreiben wollen.

Einbettungen

Die kompakten, orientierbaren Flächen lassen sich ja alle problemlos in unseren 3-dimensionalen Raum R3 einbetten, wie im Bild oben.

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Die kompakten, nicht-orientierbaren Flächen wie die projektive Ebene (TvF 155, Bild oben) oder die Kleinsche Flasche lassen sich nicht in den R3 einbetten, aber immerhin noch in den 4-dimensionalen Raum R4.

Man kann dann natürlich fragen, ob es solche Einbettungen auch noch unter zusätzlichen geometrischen Bedingungen gibt.
Zum Beispiel gibt es ja auf jeder Fläche Metriken konstanter Krümmung und man kann fragen, ob sich diese Flächen isometrisch in den R3 einbetten lassen – das hatten wir in TvF 53 mal diskutiert:
Für die ‘runde’ Sphäre (d.h. die Sphäre mit Krümmung konstant 1) ist das offensichtlich möglich, man kann sich aber leicht überlegen, dass es eine solche Einbettung in den R3 nur für Flächen gibt, die zumindest in den Extrempunkten positive Krümmung haben. (Jedenfalls für zweifach differenzierbare Einbettungen bekommt man damit einen Widerspruch. Allerdings gibt es nach dem Nash-Kuiper-Theorem für jede Fläche eine einmal differenzierbare isometrische Einbettung in den R3: für diese ist die Krümmung nicht definiert, weil man dafür die zweiten Ableitungen br&auuml;chte. In der Regel interessieren sich aber Mathematiker natürlich für beliebig oft differenzierbare Einbettungen.)
Andererseits kann man den Torus (mit der flachen Metrik, d.h. Krümmung konstant 0) in den R4 einbetten und John Nash (TvF 18) hat 1956 bewiesen, daß man jede n-dimensionale kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit isometrisch in den Rn(3n+11)/2 einbetten kann, insbesondere jede Fläche isometrisch in den R17. Ich weiß nicht, inwieweit es für die kompakten hyperbolischen Flächen (d.h. Flächen mit mindestens 2 Henkeln und einer Metrik der Krümmung konstant -1) noch Verbesserungen dieses Resultats gibt, auf jeden Fall läßt sich nach einem Satz von Blanuša die hyperbolische Ebene isometrisch in den R6 einbetten.

Lagrange-Flächen im symplektischen R4

Vor 2 Wochen hatten wir erklärt, dass die klassische Mechanik (im Hamiltonschen Formalismus) durch die auf dem jeweiligen Phasenraum R2n definierte symplektische Form ω=dq1dp1+dq2dp2+…+dqndpn beschrieben wird. (Mit Hilfe dieser Form und einer Hamilton-Funktion H definierte man das Hamiltonsche Vektorfeld XH, dessen Fluß die zeitliche Entwicklung des physikalischen Systems beschreibt.)

Allgemein definiert man symplektische Mannigfaltigkeiten als 2n-dimensionale Mannigfaltigkeiten mit einer nicht-entarteten geschlossenen 2-Form ω. Eine Lagrange-Untermannigfaltigkeit ist eine n-dimensionale Untermannigfaltigkeiten L mit ωITL=0.
Im Prinzip können alle Aussagen über Hamiltonsche Dynamische Systeme in Aussagen über Lagrange-Untermannigfaltigkeiten übersetzt werden. Lagrangesche Untermannigfaltigkeiten kommen zum Beispiel vor:
– als Graphen von Symplektomorphismen (letzte Woche)
– in integrierbaren Systemen als Level-Mengen einer maximalen Menge von Bewegungsintegralen (Satz von Arnold-Liouville)
– jede Mannigfaltigkeit ist eine Lagrangesche Untermannigfaltigkeit bzgl. der kanonischen symplektischen Form auf ihrem Phasenraum (Kotangentialbündel)

In Dimension 2 ist jede Volumenform eine symplektische Form und jede Kurve ist eine Lagrangesche Untermannigfaltigkeit.
Als ersten nichttrivialen Fall sollte man sich also R4 ansehen (sozusagen der Phasenraum der Bewegung eines Teilchens in der Ebene) mit der symplektischen Form ω=dq1dp1+dq2dp2.

Welche Flächen lassen sich als Lagrangesche Untermannigfaltigkeiten in den sympletischen R4 einbetten?
(Natürlich ist jede Fläche eine Lagrangesche Untermannigfaltigkeit in ihrem Kotangentialbündel, aber dieses ist nicht diffeomorph zum R4, außer wenn die Fläche selbst der R2 ist.)

Audin hatte 1990 bewiesen, dass für kompakte Lagrangesche Flächen im symplektischen R4 die Euler-Charakteristik
entweder 0 sein muß (falls die Fläche orientierbar ist: Multiplikation mit i liefert einen Iso zwischen Tangentialbündel und Normalbündel, weshalb in diesem Fall die Euler-Charakteristik verschwindet)
oder zumindest durch 4 teilbar (falls die Fläche nicht-orientierbar ist).

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