Der 3-dimensionale hyperbolische Raum und sein Rand im Unendlichen.

Die hyperbolische Geometrie ist viel komplizierter als die euklidische oder sphärische, zum Beispiel hat sie interessantere Symmetriegruppen (TvF 59).
Insofern ist es vielleicht nicht überraschend, dass es im 3-dimensionalen hyperbolischen Raum viel mehr (und auch viel symmetrischere) Minimalflächen gibt als im euklidischen Raum oder in der Sphäre, die wir in den letzten beiden Wochen besprochen hatten:
Die einzigen einfach zusammenhängenden Minimalflächen im euklidischen Raum waren Ebenen und Helikoiden (TvF 233), in der 3-dimensionalen Sphäre waren es die geodätischen Groß-Sphären (TvF 234). (Außerdem gab es in beiden Fällen noch Mininmalflächen mit komplizierterer Topologie, die nur teilweise klassifiziert sind.)

Im hyperbolischen Raum gibt es natürlich ebenfalls die hyperbolischen Unterräume, die Minimalflächen sind. Es stellt sich aber heraus, dass es noch sehr viel mehr Minimalflächen gibt, die topologische Ebenen sind. (Und Minimalflächen mit komplizierterer Topologie scheinen dort bisher wenig erforscht.)
Darum wird es nächste Woche gehen, heute wollen wir zunächst, weil das in dieser Reihe bisher nicht vorkam, den 3-dimensionalen hyperbolischen Raum und dessen Rand im Unendlichen definieren.

3-dimensionaler hyperbolischer Raum

Hyperbolische Ebene: Bisher hatten wir hier in der Reihe nur 2-dimensionale hyperbolische Geometrie. Die hyperbolische Ebene hatten wir in TvF 55 definiert mit dem Poincaré-Halbebenen-Modell:
die obere Halbebene {(x,y): y>0} mit der Riemannschen Metrik geukl/y2. (Zur Veranschaulichung: Alle Dreiecke unten im Bild sind gleich groß.)
Die Geodäten in der hyperbolischen Ebene waren die auf der x-Achse senkrecht stehenden Halbgeraden und Halbkreise (TvF 56), einige sind im Bild unten abgebildet.

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Hyperbolischer Raum: den 3-dimensionalen hyperbolischen Raum definiert man dann (analog zum Halbebenen-Modell der hyperbolischen Ebene) als oberen Halbraum
{(x,y,z): z>0}
mit der Riemannschen Metrik geukl/z2
.

Offensichtlich bekommt man die hyperbolische Ebene als Teilmenge, wenn man zum Beispiel x=0 oder y=0 setzt.

Geodätische Ebenen im 3-dimensionalen hyperbolischen Raum sind diejenigen Halb-Ebenen oder Halb-Sphären, die senkrecht auf der x-y-Ebene stehen.

Alle diese geodätischen Ebenen sind isometrisch zur hyperbolischen Ebene.

Analog zum 2-dimensionalen Fall (TvF 55) gibt es auch im 3-dimensionalen verschiedene Modelle des hyperbolischen Raumes. So hat das 2-dimensionale Kreisscheiben-Modell (Bild weiter unten im nächsten Abschnitt) seine Entsprechung im 3-dimensionalen Poincaré-Disk-Modell. Das folgende Bild aus der Wikipedia versucht eine Pflasterung des 3-dimensionalen hyperbolischen Raumes (Poincaré-Disk-Modell) durch gleichgrosse Ikosaeder zu veranschaulichen:

Rand im Unendlichen

In der Geometrie ist es oft nützlich, nichtkompakte Räume zu kompaktifizieren, indem man einen “Rand im Unendlichen” hinzunimmt. Darüber hatten wir in TvF 154 mal geschrieben. (Zum Beispiel kompaktifiziert man den 3-dimensionalen euklidischen Raum entweder durch Hinzunahme einer projektiven Ebene zu einem projektiven Raum wie in TvF 155 oder, was der unten folgenden Kompaktifizierung des hyperbolischen Raumes n&aumlherkommt, durch Hinzunahme einer Sphäre zu einem 3-dimensionalen Ball.)

Wie kompaktifiziert man nun den hyperbolischen Raum?

Betrachten wir das Halbraum-Modell.
Man kann sich die x-y-Ebene zusammen mit einem “Punkt im Unendlichen” (dem “Endpunkt” senkrecht auf der xy-Ebene stehenden Geraden) als Rand im Unendlichen des 3-dimensionalen Raumes denken.

Die Punkte des Randes im Unendlichen sind sozusagen die (unendlich weit entfernten) Endpunkte der Geodäten. Insbesondere verbindet jede Geodäte zwei Punkte des Randes im Unendlichen.

Es gibt eine allgemeine Definition des “Randes im Unendlichen” für einfach zusammenhängende Räume negativer Krümmung. Man definiert die Punkte des Randes im Unendlichen als (gedachte) Endpunkte geodätischer Halbgeraden, wobei zwei Halbgeraden denselben “Endpunkt” haben sollen, wenn ihr Abstand beschränkt bleibt. Für unsere Zwecke reicht aber die konkrete Definition anhand des Halbraum-Modells.

Der Rand im Unendlichen ist die Vereinigung aus einer Ebene und einem Punkt, also topologisch eine Sphäre. Besser sieht man das vielleicht im “Poincaré-Disk-Modell”, dessen 2-dimensionales Analog gerne mit Escher-Bildern veranschaulicht wird:
i-34e374c5684cc686c76acaaa94557a30-escher.gif
Silvio Levy: “Escher Fish”

Im 2-dimensionalen Fall “sieht man”, dass der Rand im Unendlichen ein Kreis ist. Analog ist im 3-dimensionalen Fall der Rand im Unendlichen eine Sphäre.

Die Ränder geodätischer Ebenen entsprechen Kreisen in dieser Sphäre. Man kann sich dann natürlich fragen, ob man auch andere Kurven in der Sphäre (die keine Kreise sind) als Ränder von Minimalflächen im hyperbolischen Raum bekommen kann, dazu nächste Woche.

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