Egal, wie verschrumpelt eine Sphäre ist, man kann sie wieder rundmachen – das bewies Steven Smale 1957.

Das Video “Turning the sphere inside out” (vor 3 Wochen verlinkt) zeigte die Umstülpung der Sphäre, also wie man eine die Sphäre so verformt, dass innen und aussen vertauscht werden.

Die Umstülpbarkeit der Sphäre ist natürlich ein Spezialfall des allgemeinen Problems, die Immersionen der Sphäre in den R3 zu unterscheiden. Wenn man beweisen kann, dass alle Immersionen der Sphäre in den R3 regulär homotop sind, dann gilt das dann insbesondere auch für die Standard-Einbettung der Sphäre und ihre Umstülpung.

Tatsächlich hatte Smale in seiner Dissertation 1957 den allgemeinen Satz bewiesen, dass ale Immersionen der Sphäre in den R3 regulär homotop sind (ohne sich speziell für die Umstülpung zu interessieren), die expliziten Beschreibungen der Homotopie fand man erst später, wie wir vor 4 Wochen beschrieben hatten.

Smales allgemeiner Satz ist wiederum ein Spezialfall eines allgemeineren Prinzips, welches man heute als h-Prinzip bezeichnet und das man nicht nur auf Immersionen von Sphären anwenden kann.

Von der Abbildung zu ihrer Ableitung

Letzte Woche hatten wir gesehen, wie man die regulären Homotopieklassen regulärer Kurven im R2 unterscheiden kann: durch die Kurve ihrer Tangentialvektoren, d.h. (die Homotopieklasse) der Abbildung γ’:S1–>R2-{(0,0)}. Wegen π1(R2-{(0,0)})=Z gibt es unendlich viele reguläre Homotopieklassen von Kurven, die durch die Windungszahl von γ’ um (0,0) unterschieden werden.

Analog kann man auch versuchen, die regulären Homotopieklassen von Immersionen der Sphäre in den R3 zu untersuchen. Statt eines Tangentialvektors hat man jetzt eine Tangentialebene, man hat also eine Abbildung der S2 in die Menge der Ebenen im R3, die sogenannte Graßmann-Mannigfaltigkeit G(2,3).

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Quelle

Es stellt sich heraus, dass diese Abbildung noch nicht ausreicht, um die regulären Homotopieklassen zu unterscheiden. Stattdessen braucht man eine Verfeinerung, die Abbildung in die sogenannte Stiefel-Mannigfaltigkeit V(2,3), d.i. die Menge aller Basen zweidimensionaler Unterräume des R3 (oder, was dasselbe ist, die Menge aller Paare linear unabhängiger Vektoren im R3).

Man hat dabei ein technisches Problem: dass man irgendwie (stetig, in jedem Punkt der Sphäre) jeweils zwei Basisvektoren der Tangentialebenen auswählen will.
Wenn man auf der S2 auf stetige Weise zwei Vektorfelder angeben könnte, die in jedem Punkt linear unabhängig wären, dann könnte man natürlich die Bilder dieser Vektorfelder unter Df nehmen und weil f eine Immersion (heißt: Df injektiv) ist, wären dann auch die Bildvektoren in jedem Punkt linear unabhängig.
Nur: aus dem Igelsatz (TvF 221) folgt, dass es solche linear unabhängigen Vektorfelder auf der S2 nicht gibt. (Denn es gibt ja nicht einmal ein Vektorfeld ohne Nullstellen.)

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Quelle

Um diesen technischen Punkt zu umgehen, machte Smale folgende Konstruktion: er nimmt zunächst nur die obere Hemisphäre, auf der man natürlich zwei linear unabhängige Vektorfelder definieren kann, benutzt diese, um eine Abbildung der oberen Hemisphäre nach V(2,3) zu definieren und definiert dann eine Abbildung auf der unteren Hemisphäre, indem er einfach diese am Äquator spiegelt und anschließend die auf der oberen Hemisphäre definierte Abbildung anwendet. Damit bekommt er also zu jeder Immersion der Sphäre eine Abbildung S2–>V(2,3). (Sozusagen die 2-dimensionale Version der Ableitungskurve γ’:S1–>R2-{(0,0)}, die man bei regulären Kurven γ:S1–>R2 hatte.)

Der von Smale in seiner Dissertation bewiesene und damals sehr überraschende Satz war dann: zwei Immersionen der Sphäre sind genau dann regulär homotop (d.h. homotop durch Immersionen), wenn die entsprechenden Abbildungen S2–>V(2,3) homotop sind.

Und weil, wie wir nächste Woche begründen werden, π2V(2,3)=0 ist, gibt es damit nur eine einzige regulären Homotopieklassen von Immersionen der Sphäre in den R3. Insbesondere ist die Standard-Einbettung regulär homotop zur Umstülpung der Sphäre.

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Kommentare (8)

  1. […] Basisvektoren der Tangentialebene (im R3) aus. (In Wirklichkeit ist es etwas komplizierter, wie wir letzte Woche erklärt […]

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