In eine enge Garage oder Parklücke waagerecht einzuparken, also mit einem Wagen der Länge L in einem Rechteck der Länge L+ε zu manövrieren:

läßt sich mathematisch durch eine einfache Differentialgleichung modellieren:

x’sinα=y’cosα.

Dabei sind (x,y) die Koordinaten eines Massepunktes in der Ebene (etwa der Mittelpunkt der Hinterachse des Wagens) und α ist die vom Lenkrad eingeschlagene Richtung. (x’,y’) sind natürlich die Ableitungen nach der Zeit und wir wollen nicht irgendeine Lösung, sondern eine, bei der sich die x-Koordinate während der Bewegung möglichst wenig verändert. Damit der Wagen hinterher nicht so aussieht:

Nun wird man durch Probieren sicherlich eine Lösung finden, etwa eine Sinuskurve mit angepaßten Parametern.

Es gibt aber auch ein allgemeines mathematisches Konzept, mit dem man solche stark unterbestimmten Differentialgleichungen lösen kann, nämlich das h-Prinzip und die Methode der konvexen Integration.

h-Prinzip

Was das jetzt mit den Themen dieser Reihe zu tun hat?
In den letzten Folgen hatten wir uns mit Immersionen von Flächen in den R3 beschäftigt, u.a. mit dem bekannten Satz über die Umstülpbarkeit der Sphäre. Für diese Immersionen von Flächen in den R3 besagte die Hirsch-Smale-Theorie, daß sich alle Probleme über Immersionen auf die entsprechenden linearisierten Probleme zurückführen lassen: es gibt eine Immersion der Fläche in den R3 genau dann wenn es eine injektive lineare Abbildung des Tangentialbündels der Fläche in das Tangentialbündel der R3 gibt. (Und die Immersionen sind regulär homotop, wenn die entsprechenden linearen Abbildungen homotop sind.)

Allgemein kann man diese Herangehensweise so formulieren: in einer Differentialgleichung oder -ungleichung betrachtet man die Ableitungen als unabhängige Variablen und versucht zunächst dieses einfachere Problem zu lösen. (Diese Lösungen bezeichnet man als formale Lösungen.)

Wenn also in einer Differentialgleichung x,y,α und x’,y’,α’ vorkommen, dann führen wir einfach neue Variablen u,v,β ein, welche x’,y’,α’ ersetzen.

Aus unserer Gleichung
x’sinα=y’cosα
wird dann
u sinα=v cosα
und diese Gleichung hat natürlich sehr viele Lösungen, z.B. (0,t,0,0,0,0), also die senkrechte Bewegung orthogonal zur Parkrichtung.

Und dann hofft man, daß die formalen Lösungen sich in eine richtige Lösung deformieren lassen. Falls das funktioniert, sagt man die Gleichung erfülle ein h-Prinzip. Falls man sogar mit einer beliebig kleinen Deformation aus einer formalen Lösung eine richtige bekommen kann, spricht man von einem dichten h-Prinzip. (Und falls der Raum der richtigen Lösungen ein Deformationsretrakt des Raumes der formalen Lösungen ist, spricht man von einem Multiparameter-h-Prinzip.)

Geometrie und Physik

h-Prinzipien stammen ursprünglich (noch nicht unter diesem Namen) aus der Immersionstheorie, dem oben erwähnten und in den letzten Wochen diskuterten Problem der Umstülpung der Sphäre und der Klassifikation der Immersionen: jede formale Immersion und jede formale Homotopie kann zu einer richtigen Immersion bzw. richtigen regulären Homotopie deformiert werden.

Gromov hatte in seinen Arbeiten Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre beobachtet, daß sich sehr viele geometrische Probleme als h-Prinzip auffassen lassen, dazu zählen etwa die Klassifikation von Immersionen und Submersionen, Existenz von Blätterungen, symplektischen Strukturen, Metriken negativer Riccikrümmung etc.pp. Im Vorwort der 1986 erschienenen englischen Ausgabe von “Partial Differential Relations” meinte er, daß sich das h-Prinzip vor allem auf in der Geometrie vorkommende stark unterbestimmte Differential(un)gleichungen anwenden lasse, statt auf die Gleichungen der Physik. (Zitat aus einem anderen Text: “The class of infinitesimal laws subjugated by the homotopy principle is wide, but it does not include most partial differential equations (expressing infinitesimal laws) of physics with a few exceptions in favour of this principle leading to unexpected solutions. In fact, the presence of the h-principle would invalidate the very idea of a physical law as it yields very limited global information effected by the infinitesimal data.”) Letzteres stimmt aus heutiger Sicht sicher nicht mehr so, denn inzwischen spielen h-Prinzipien auch in physikalischen Differentialgleichungen eine Rolle, etwa in den Euler-Gleichungen der Hydrodynamik (siehe diesen aktuellen Preprint von DeLellis und Szekelyhidi) oder in den Arbeiten von Kirchheim, Müller, Sverak über Mikrostrukturen.

Im Fall unserer natürlich ohnehin recht einfachen Einpark-Gleichung hat man jedenfalls ein dichtes h-Prinzip, jede formale Lösung läßt sich beliebig gut durch eine richtige Lösung approximieren.

Die Methode, mit der man das für diese und viele andere Differential(un)gleichungen beweisen kann, heißt konvexe Integration. Man hat eine zu lösende Relation (d.h. Differentialgleichung oder Ungleichung) R und eine formale Lösung im Inneren der konvexen Hülle der Relation R. Das ist bei der Einparkgleichung der Fall, weil die formale Lösung senkrecht zur Einparkrichtung ja genau der Mittelwert zweier (gespiegelter) richtiger Lösungen ist.

Die Methode der konvexen Integration bestimmt dann eine richtige Lösung aus der formalen. Ein Beispiel, wo dies für eine etwas andere, 3-dimensionale Version unserer Einpark-Gleichung vorgerechnet wird, findet man auf diesen Folien von Vincent Borrelli.

Man kann die konvexe Integration inzwischen auch numerisch umsetzen. Vielleicht ja irgendwann auch automatisch im PKW, damit sowas nicht mehr passiert:

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Kommentare (9)

  1. #1 StefanL
    22. Dezember 2012

    Zum Video: ein Lösungsraum mit geänderten Randbedingungen 🙂

  2. #2 rolak
    22. Dezember 2012

    Vielleicht ja irgendwann auch

    hmmja, vorgestern.

    Zum Ausgleich noch das, beachtenswert die zu hörende sprachliche Geschlechtseinordnung.

  3. #3 Thilo
    22. Dezember 2012

    Für die Überschrift des Videos kann ich nichts. 🙂

  4. #4 高呆圻兄
    22. Dezember 2012

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  5. #5 William
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    2. Januar 2013

    Peter Hartig schreibt:> Wenn also, liebe „Welt“, geeelstite dcberstunden bei deutschen Filmschaffenden nicht abgerechnet werden, dann eben nicht „oft schon deshalb, weil sie gegen diese Bestimmungen verstodfen.“ Weil ne4mlich „diese Bestimmungen“, also das Arbeitszeitgesetz, hier nicht gelten. <Doch! Ein deutsches Gesetz verliert seine Gfcltigkeit nicht so leicht. Das Arbeitszeitgesetz kann erst seit ein paar Jahren nur durch einen gfcltigen Tarifvertrag fcberschrieben werden. Gfcltig wird ein Tarifvertrag, wenn eine dieser Bedingungen erffcllt ist:1. Der Tarifvertrag wird vom Bundesministerium ffcr Arbeit ffcr allgemein gfcltig erkle4rt wird.2. Im individuellen Arbeitsvertrag steht: "Es gilt der Tarifvertrag"3. Die Tarifregelungen treten automatisch in Kraft, wenn der Arbeitnehmer in der Gewerkschaft und der Arbeitgeber bei einer der Arbeitgebervereinigungen Mitglied ist, die den Tarifvertrag unterschreiben haben.1. ist nicht erfolgt und ich sche4tze, dadf 2. & 3. nur bei 0,1 % bis allerhf6chstens (glaube aber nicht wirklich an eine so hohe Zahl) 10 % der Vertragsverhe4ltnisse beim Film zur Anwendung kommt.Also ffcr die fcberwiegende Mehrheit der Filmschaffenden gilt der Tarifvertrag juristisch nie! Deshalb gilt ffcr die grodfe Mehrheit (ffcr fast alle?) das Arbeitszeitgesetz!So ist zumindest mein Kenntnisstand und vielleicht ein Anlass sich noch einmal ein wenig eingehender mit dem Thema zu besche4ftigen. Google, Wikipedia und so…Kommentar bewerten: 2 0

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