Die Deutsche Forschungsgemeinschaft möchte, dass Plagiats- und Datenfälschungsvorwürfe künftig nicht-öffentlich untersucht werden:
Anzeigen sind von allen Beteiligten vertraulich zu behandeln. Die Vertraulichkeit dient dem Schutz des Whistleblowers sowie demjenigen, gegen den sich ein Verdacht richtet. Vor abschließender Überprüfung eines angezeigten Verdachts eines möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist eine Vorverurteilung der betroffenen Person unbedingt zu vermeiden. Die Vertraulichkeit des Verfahrens ist dann nicht mehr gegeben, wenn sich der Whistleblower mit seinem Verdacht zuerst an die Öffentlichkeit richtet, ohne zuvor die Hochschule oder Forschungseinrichtung über den Hinweis des Verdachts eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu informieren. Die untersuchende Einrichtung muss im Einzelfall entscheiden, wie sie mit der Verletzung der Vertraulichkeit umgeht.
steht in der neuen Ergänzung der Empfehlungen der DFG zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis.
Der Aufschrei ist erwartungsgemäß gewaltig, die ZEIT (und andere) fürchten einen “Maulkorb”, und eine von Hunderten Akademikern unterschriebene Petition auf www.change.org sieht gar die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr:
mit großer Sorge haben wir zur Kenntnis genommen, dass es akademischen ‘Whistleblowern’ in Deutschland zukünftig verboten sein soll, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit der interessierten Öffentlichkeit zu teilen und dass stattdessen die Ergebnisse einer universitätsinternen Untersuchung etwaigen wissenschaftlichen Fehlverhaltens abzuwarten sind.
[…]
Diese Norm stellt faktisch eine nicht plausibel zu rechtfertigende Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit aller an deutschen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dar und beschädigt Deutschland als Wissenschaftsstandort nachhaltig.
[…]
Der internationale Ruf der deutschen Wissenschaft steht auf dem Spiel. Daher fordern wir die ersatzlose Streichung der entsprechenden Vorschriften.
Mal abgesehen von dem eigenartigen Pathos (“mit großer Sorge” erinnert an Pius XII) – worum geht es hier eigentlich?
Es klingt ja eigentlich ganz einleuchtend: statt Gremien entscheiden zu lassen, führt man Diskussionen über Plagiate besser gleich öffentlich, wie seinerzeit bei Guttenplag. Schliesslich kann sich jeder anhand der plagiierten Seiten- und Prozentzahlen sein eigenes Urteil bilden. Und selbst wenn vielleicht beispielsweise just vor einem Berufungsverfahren die Konkurrenten sich gegenseitig mit öffentlichen Plagiatsvorwürfen überziehen sollten – wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten, wenn dann alle angeblich oder tatsächlich plagiierten Textstellen öffentlich einsehbar sein werden.
Oder?
Ein Beispiel
Ich mache mir mal die Mühe, zu einer willkürlich gewählten Seite aus meiner letzten Arbeit (Seite 4) diejenigen Stellen herauszusuchen, zu denen man mittels Google einen “Vorgänger” ausfindig machen könnte. Nichts technisch aufwändiges, keine Plagiats-Software, nur eine kurze Google-Suche. Die Resultate (jeweils links meine Formulierung und rechts verlinkt der “Vorgänger”):
We first discuss the, technically simpler, proof of Theorem 1.1.
and Theorem 1 for closed manifolds will follow once we have proved τ and A have finite order, say τn=id and An=1 for an n Therefore the induced homomorphisms of fundamental groups commute Hurewicz’ Theorem implies commutativity in homology thus rationally , hence the claim |
First, we treat the two -dimensional case of Theorem. 1.1
Thus, Theorem 1.1 will follow if we can prove that there is a huge open subset a has finite order (say) n contradiction by considering the induced homomorphisms of fundamental groups The Hurewicz Theorem implies that gn(x) has a finite limit Thus, the claim that rationality is normative does not appear to be captured perfectly |
Eigentlich hätte ich mit noch mehr übereinstimmenden Textbausteinen gerechnet, da ja die Ausdrucksvielfalt in mathematischen Arbeiten eher beschränkt ist. Vielleicht ist auch nur mein Englisch so schlecht und es gibt deshalb nicht so viele wörtliche Übereinstimmungen mit Vorgänger-Arbeiten. Und wahrscheinlich hätte ich viel mehr gefunden, wenn ich mit professioneller Plagiatssoftware an die Sache herangegangen wäre.
Das war jetzt nur eine Seite aus der Arbeit. Ich bin sicher, dass man auf jeder Seite ähnliche Übereinstimmungen mit “Vorgänger”-Arbeiten finden würde, also 100% der Seiten. (Und die geringfügigen Abweichungen von den Originalen belegen natürlich die Absichtlichkeit der Täuschung.)
Kommentare (26)