Funktionen einer Veränderlichen kann man bekanntlich durch Graphen veranschaulichen, Funktionen zweier Veränderlicher als Landschaften, bei komplexen Funktionen (Abbildungen der komplexen Ebene auf die komplexe Ebene) wird es dann schwieriger, denn deren Graphen wären 4-dimensional.

Man zeichnet deshalb lieber Niveaumengen in möglichst bunten Farben. Eine originelle Variante davon findet sich im Blog von A.P.Goucher: Die komplexe Bild-Ebene wird mit einer Erdkarte identifiziert (der Nordpol als Punkt im Unendlichen, der Südpol als Nullpunkt) und dann werden die Punkte der komplexen Urbild-Ebene entsprechend der Farbe ihres jeweiligen Bildpunktes gefärbt.

Für f(z)=z^3 sieht das dann so aus, dass die Erdkugel sich (mit einer Verzweigung im Südpol) dreimal selbst überlagert:

tl-cube

Für f(z)=(\frac{z}{2})^7-1 (keine Ahnung, wozu man den Faktor 1/2 hat) gibt es 7 Nullstellen (jeweils auf die Antarktis abgebildet) und wieder eine 7-zählige Symmetrie:

tl-seventh-roots

Ein komplizierteres Polynom ist f(z)=(\frac{z}{2}-1)^2(\frac{z}{2}+1)^3 mit einer doppelten Nullstelle in 2 und einer dreifachen Nullstelle in -2:
tl-repeated-roots

Für Polynome kann man sich ja durchaus selbst überlegen, wie das Bild aussehen muss. Interessanter wird es für nichtlineare Funktionen, angefangen mit der Weierstrass-Funktion, die – wenig überraschend – eine {\mathbb Z}\oplus {\mathbb Z}-Symmetrie aufweist:
tl-weierstrass

oder f(z)=sin(z) – natürlich 2\pi-verschiebungsinvariant:
tl-sin

bis hin zur Gamma-Funktion und ihren zahlreichen (auf den Nordpol abgebildeten) Polstellen:

tl-gamma

Das gibt dem Wort “Pol einer meromorphen Funktion” doch eine ganz neue Bedeutung: Nordpole als traditionelle Polstellen, Südpole als traditionelle Nullstellen.

Womit man dann noch mal bei der nicht mehr zeitgemäßen Frage nach dem Integral einer meromorpher Funktionen über den Eisernen Vorhang wäre. (Antwort war: Null, denn alle Pole(n) befinden sich außerhalb und nach dem Residuensatz oder einfach Cauchy folgte Integral = 0.)

Alle Bilder von cp4space.

Kommentare (8)

  1. #1 manu
    13. November 2013

    sorry thilo,
    aber deinen Ausführungen und links kann ich nicht mehr folgen. Mathematik find ich ja sehr interesant, aber da komme ich nicht mehr mit.. Könntest du da nicht mit etwas Fundamentaleren beginnen. Ich finde, es ist schade um das Thema – eine Serie von Aussagenlogik bis zu Gauß/Cantor wäre echt interessant. Habe natürlich mathematische Vorkenntnisse, aber nochmal vom Experten verständlich erklärt wäre wirklich fein.

  2. #2 schlappohr
    13. November 2013

    Ich bin auch nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe: Du nimmst einen Punkt z aus der komplexen Ebene, steckst den in eine Funktion f und bekommst einen neuen Punkt f(z) in der komplexen Ebene. Diesem Punkt f(z) gibst Du dann die gleiche Farbe, die z hatte. Wobei sich die Farbe von z aus der (willkürlich gewählen) Färbung der Erdkarte ergibt. Stimmt das so?
    Finde ich interessant, dass auf diese Weise im ersten Beispiel Grönland dreimal zu sehen ist, obwohl f nur einmal für die “grönländischen” Punkten im Urbild berechnet wurde.

  3. #3 Thilo
    13. November 2013

    Nein, er gibt dem Punkt z die Farbe, die der Punkt w=f(z) auf der Erdkarte hatte.

    Zum Beispiel für f(z) = z^3: ausser für w = 0 und w = unendlich hat die Gleichung z^3 = w immer drei Lösungen, deshalb hat man (bis auf Nord- und Südpol) jeden Punkt der Erdkarte jetzt dreimal. w = 1 (südlich von Westafrika) entspricht jetzt z = 1, z = -1/2+isqrt{3}/2 ~ -0.5+0.86i und z = -1/2-isqrt{3}/2 ~ -0.5-0.86i.

  4. #4 schlappohr
    13. November 2013

    service currently unavailable… ich versuchs nochmal:

    Ok, dann ist die Bildebene gefärbt und nicht die Urbildebene. Was man sieht, ist die Urbildebene, auf die die Farben der Bildebene übernommen wurden. Dann wird klar, das Grönland 3mal auftaucht bei z³: weil drei Gebiete aus dem Urbild auf das Gebiet in der Bildmenge abgebildet werden, das wie Grönland gefärbt ist.

  5. #5 rank zero
    13. November 2013

    Den (etwas zynischen) Witz mit den Integral kenne ich in einer noch leicht härteren Variante, nämlich dem Zusatz: “Actually, there are poles on this side of the iron courtain, but they are all removable”.

  6. #6 Thilo
    13. November 2013

    @schlappohr: genau

  7. #7 michiS
    18. November 2013

    @manu : meinst du sowas ? :

    https://www.youtube.com/user/njwildberger?feature=watch

    hoffe, dass THILO NJW geometrie-topologisch auch empfehlen kann…?

  8. #8 Frakturfreund
    18. November 2013

    Im Prinzip wird da also einfach die Erde mit der Riemannschen Zahlenkugel identifiziert; da gibt es auch ein sehr schönes Video zu: Möbius Transformations Revealed.

    Aber mir geht hier doch zu viel an Information verloren (obwohl die Sache mit den Polen natürlich toll ist) und bleibe bei den bunten Farben.