Die meisten Mathematiker halten lieber Tafel- als Folienvorträge. Manchmal gibt es aber keine Wahl, weil man keine Tafel hat oder weil der Vortrag auf Video aufgezeichnet werden soll. Als Alternative gibt es dann die Programme, bei denen mit einem Stift auf den Bildschirm geschrieben wird, fast wie an der Tafel. Auch fürs “Tafelwischen” gibt es natürlich einen Befehl, nur – was tun, wenn der wieder mal “klemmt”? Ganz einfach, man streicht das alte “Tafelbild” durch und schreibt darüber weiter:
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So gesehen heute auf dem Abschlußvortrag des International Congress of Mathematicians, es ging um spektakuläre neue Entwicklungen in der Frage nach den unendlich vielen Primzahlzwillingen (Satz des Jahres 2013) und ehrlich gesagt war der gesamte Vortrag ähnlich lustig und damit sicher das richtige für den Kongreßabschluß. (Nachtrag: das Video vom Vortrag ist inzwischen online, es wurde allerdings bearbeitet und geschnitten und ist dadurch um 8 Minuten kürzer als es der Vortrag war. Das ist einerseits natürlich verständlich, andererseits wäre der Kampf des Vortragenden mit der Technik doch durchaus ein Zeitdokument von bleibendem Interesse gewesen.)

Vom Schlußvortrag abgesehen war der ICM natürlich in jeder Beziehung absolut High-Tech. Plenarvorträge wurden (je nach Zuschauerzahl) auf 3-5 im Raum verteilte Bildschirme übertragen, so dass jeder alles sehen konnte. Und bei den für ein breiteres (einheimisches) Publikum gedachten populärwissenschaftlichen Vorträgen lief jeweils eine automatische Übersetzung mit, die den vom Sprecher tatsächlich gesprochenen Text (also nicht etwa einen vorbereiteten Text) etwa 20 Sekunden zeitversetzt in Koreanisch auf die Bildschirme projizierte. (Bild unten)
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(Das Bild zeigt den mit dem Leelavati-Preis ausgezeichneten argentinischen Fernsehmoderator Adrian Paenza, dessen Vortrag ich übrigens recht langweilig fand.)

Auch sonst gab es natürlich viel High-Tech, insbesondere die sehr nützliche App, die die zu Beginn ausgeteilten Programm- und Abstracts-Bücher völlig überflüssig machte (nebenbei: Gowers’s blog beschrieb die ausgeteilten Tagungsmaterialien wie folgt: “my unusually tasteful conference bag […] had the usual kinds of things in it, with one exception: no notepad. (For the younger generation out there, that means a number of sheets of paper conveniently joined together, rather than some kind of tablet computer.)” – es wurde dann aber in den folgenden Tagen doch noch vor jedem Raum ein loser Papierstapel ausgelegt) und nicht zuletzt sehr schöne Videos auf der Eröffnungsveranstaltung,
Auch der “Public Outreach” war m.E. größer als sonst bei vergleichbaren Kongressen, zu den populäreren Vorträgen kamen (neben den eigentlichen Kongreßteilnehmern) mehr als zwanzigtausend “einheimische” Gäste, hauptsächlich Schüler und Studenten. Ein etwas ungewohnter Aspekt dieses größeren öffentlichen Interesses war ein gewisser “Starkult”, wie man ihn von solchen Kongressen sonst eigentlich nicht so kennt: Das Bild unten zeigt einen Teil einer Schlange von Studenten, die für ein signiertes Foto mit Artur Ávila anstehen, die Schlange geht verdeckt hinter der Ecke nochmal mit etwa doppelter Länge weiter.
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