Diesmal haben die Redakteure von Focus wirklich Pech gehabt. 50 Jahre lang passiert auf dem Feld überhaupt nichts.


Dann macht Focus eine Titelgeschichte daraus und zack genau an dem Montag, an dem das Blatt rauskommt, meldet Nature Medicine die entscheidende Wende auf dem Gebiet.

Da dürfte so mancher Redakteur verschnupft reagiert haben. Doch der Reihe nach.

Seit 50 Jahren weiß man, dass Erkältungen von Rhinoviren übertragen werden und bislang hat man gut und gerne 200 unterschiedliche Rhinoviren katalogisiert.

Ein wirksames Gegenmittel hat man jedoch nicht gefunden. Der alte Satz von einer behandelten Erkältung, die sieben Tage dauert, wohingegen unbehandelter Schnupfen eine ganze Woche dauert, hat noch immer seine Gültigkeit.

Optimistische Zeitgenossen erklären das damit, dass Erkältungen zwar lästig, aber harmlos sind. Doch natürlich ist das nur die halbe Wahrheit, denn dafür geht es in der Medizin um zu viel Geld. Durchschnittlich fängt sich jeder erwachsene Mensch drei Erkältungen pro Jahr ein. Ein Gegenmittel würde viiiiel Geld einbringen.

Doch es wurde bislang nicht entwickelt, und das liegt unter anderem daran, dass die Rhinoviren sehr schüchtern sind. Bislang konnte man sie noch nie ausführlich in ihrer Lieblingsumgebung beobachten.

Denn die Viren sind so wählerisch, dass sie sich nur in Menschen und Affen vermehren. Gängige Labortiere wie Maus, Ratte, Meerschweinchen oder auch Schwein verschmähen sie, was an deren geringfügig anderen ICAM-1 Rezeptor liegt, an den die Viren nicht andocken können.Folglich bekommen die aufgeführten Tiere auch keinen Schnupfen.

Ohne Modellorganismus gibt es jedoch keine saubere Wissenschaft und deshalb kursieren auch immer noch so viele komische Halbwahrheiten über Erkältungen und Scheinmittel.

Kann Zitrone, Milch mit Honig oder warmes Bier wirklich die Virenlast in der Nase reduzieren? Bis vor kurzem konnte das niemand mit wissenschaftlicher Autorität bestätigen oder dementieren.

Ganz gewiss jedenfalls nicht Ron Eccles, der Direktor des Common Cold Centre in Cardiff, den sich Focus als Experten für die Titelgeschichte ausgesucht hat und der seit 20 Jahren an Erkältungen forscht.

Zwar fand die bahnbrechende neue Forschungsarbeit auch in Großbritannien statt, aber das Common Cold Centre hatte daran keinen Anteil. Trotz der Namen von 28 Personen auf dem Paper stammt kein einziger Studienautor aus Cardiff.

Man überlegt dann, ob Eccles vielleicht seit einigen Jahren doch nicht an vorderster Front gegen die Rhinoviren kämpft? Aber was soll’s, das Foto von ihm bleibt natürlich schön.

Einige Experten schildern, dass insbesondere wegen der Erfolglosigkeit der Erkältungsforscher seit 1989 ihre Gelder nur noch spärlich fließen.
Natürlich hat man dann auch mehr Zeit für Pläuschchen.

Aber wir wollen nicht hämisch werden.

Es hätte wirklich jeden treffen können. Denn wer wusste schon vor Montag, dass die weltbeste Erkältungsforschung nicht in Cardiff, sondern am Imperial College in London stattfindet. Eccles wird das sicherlich nicht verraten haben.

Und da haben wir wieder mal einen deutlichen Beweise, dass Wissenschaft nicht frei von persönlicher Eitelkeit ist – und es verdammt selten “nur” um die Sache geht.

Doch was war noch mal der Durchbruch?

Ganz einfach Forscher um Sebastian L. Johnston haben mit gentechnischen Methoden eine Maus verändert, sodass ihr ICAM-1 Rezeptor anders strukturiert ist und von 90 Prozent der bekannten Rhinoviren befallen werden kann.

Oder einfacher gesagt: Die Forscher haben eine Maus hergestellt, die Schnupfen bekommt.

Das hört sich sehr einfach an, ist aber in zweifacher Weise bemerkenswert: Erstens kann man jetzt überprüfen welche Hausmittel wirklich die Rhinovirenlast reduzieren können.

Und zweitens kann man endlich in aller Ruhe in einem standardisierten Modellorganismus ausprobieren, welche neuartigen Anti-Virenmittel gezielt gegen die Erreger in der Nasenschleimhaut wirken.

Das Versprechen ist jedenfalls großartig. Sollte eine Medizin gefunden werden (die sicherlich von Glaxo-Smith-Kline vermarktet wird), könnte man jeden Winter mit befreiter Nase durchatmen, müsste im Alter keine Lungenentzündung durch verschleppte Erkältungen befürchten und auch Asthmatikern dürften eine Linderung ihrer Beschwerden erhoffen.

Ein wirklich spannender neuer Anfang.

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Kommentare (3)

  1. #1 Monika
    Februar 6, 2008

    Ich weiß nicht, ob ich heute auf meiner “Leitung” sitze, aber ich habe nicht verstanden, warum eine Maus, welche “Schnupfen” bekommen kann, schon ein Durchbruch für die Erkältungsforschung ist? Damit hat man doch noch gar nichts herausgefunden, außer dass man nun – möglicherweise immer noch eingeschränkt – ein “Forschungsobjekt” gefunden hat. Ob damit Fortschritte in der Forschung erzielt werden können, steht das nicht immer noch auf einem anderen Blatt?

  2. #2 Peter Artmann
    Februar 6, 2008

    Für die Therapie von Erkältungen gibt es tatsächlich noch nichts Neues zu melden.
    Aber die Forschung wird ganz sicher von der Maus profitieren.

    Du kannst dir das so vorstellen, wie ein Auto, dass du zuvor nur bei voller Fahrt auf Fehler untersuchen konntest.
    Mit dem Mausmodellorganismus hast du jetzt aber die Möglichkeit das Ding zu stoppen und auf eine Rampe zu fahren, wo du in Ruhe alle möglichen Teile ein- und ausbauen kannst.
    Ethisch mag das in mancher Hinsicht fragwürdig sein, aber ich glaube nicht, dass alle Gegner der Versuche auf die neu zu entdeckenden Substanzen verzichten werden.

  3. #3 Monika
    Februar 6, 2008

    …falls überhaupt eine Substanz gefunden würde, welche nicht nur bei der “modifizierten” Maus, sondern auch beim Menschen wirksam sein müsste. Also u.U. noch viele viele Jahre, von der Maus – zum Test – vom Test zum Menschenversuch – vom Menschenversuch zur Genehmigung des Medikamentes……Nimmt man alleine nur den letzten Teil, den “Menschenversuch”, d.h. eleganter ausgedrückt die “Klinische Studie” so dauert es heutzutage noch 3 Jahre – sofern die Studie erfolgreich war – bis ein Medikament überhaupt in den Verkehr kommt. Und da im Moment nur noch Medikamente zugelassen werden, welche absolut notwendig, d.h. “hinreichend” wirken, laufen die Forscher Gefahr, dass die Kosten für etwaige Medkamente von den Patienten selbst getragen werden müssen. Da voraussichtlich kaum Gewinne zu erwarten sind, braucht es Sponsoren für die Forschung, welche vermutlich eher blauäugig an eine gewinnbringende Zukunft eines solchen Medikamentes glauben ;-))

    Traurig bei all dem ist, dass es noch viele – nicht so verbreitete – Krankheiten gibt, wo dringend Forschung nötig wäre – jedoch nur wenige sich darum kümmern. Eben weil es dabei immer nur um den schnöden Mammon und nicht um den Menschen geht.

    Insofern zeigt Dein heutiger Bericht deutlich, wie unser Gesundheitssystem funktioniert: Für banale Erkältungen hat man mit viel Aufwand ne Maus manipuliert, das Schicksal kleinerer Menschengruppen interessiert nicht, weil damit kein Geld zu machen ist….. Wie Du korrekt feststellst, wäre für Asthmatiker und andere Atemwegserkrankte eine solche Entwicklung durchaus mehr als ein “banales” Medikament. Sofern sich jedoch im Gesundheitswesen nichts ändert, würden eben auch nur diejenigen profitieren, welche das “Kleingeld” für die Medikamente übrig hätten. (Aktuell z.B. fallen inhalative Kortisonpräparate unter die Festbetragsregelung d.h. Betroffene müssen sich mit dem “billigsten” Präparat begnügen, auch wenn bereits patentierte Wirkstoffe der dritten Generation weniger Langzeit- und weniger Nebenwirkungen verursachen!)