Diese Woche ist US-Forschern der bislang größte Erfolg bei der Bekämpfung der Alzheimerkrankheit gelungen, das berichtet Nature Medicine. Wie nah dabei Pech und Glück beieinanderliegen können, zeigen die beiden fiktiven Interviews:

Interview 1 (Anklage)

Der Dekan der Universität hat Forscher Terrence Town zu einem ernsten Gespräch bestellt.

„Was bitteschön haben Sie sich dabei gedacht, als Sie bei ohnehin schon kranken Alzheimermäusen einfach den Wachstumsfaktor TGF-beta ausschalteten? Sie wussten doch, dass dieses Protein für das Immunsystem eine wichtige Rolle spielt! Sind sie ein Sadist?

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„Nein, ich mache Grundlagenforschung”

„Und was bitteschön haben Sie sich von dem Experiment versprochen?”

„Also, das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber ich wollte überprüfen, ob die Mäuse schneller sterben …”

„Sie Tierquäler!”

„… und ich wollte untersuchen welche biochemischen Prozesse sich dabei abspielen. Das hat aber mit Tierquälerei nichts zu tun.”

„Aber Sie hätten die Tiere doch bei Ihrem Leidenskampf beobachtet, nicht wahr? Und sie wollten vorsätzlich den schnelleren Tod der Tiere verursachen!”

„Moment mal. Also Beobachtung gehört auf jeden Fall zu den Aufgaben einer guten Forschung …”.

„Herr Town, ich frage Sie jetzt direkt: Verschafft es Ihnen sexuelle Lust, wenn Sie Tiere beim Sterben beobachten”

„Also das geht jetzt entschieden zu weit”

Stimmt – deshalb brechen wir das Verhör auch an dieser Stelle ab.

Tatsächlich darf Terrence Town (und mit ihm zusammen Richard Flavell) anstelle einer Gefängnisstrafe mit hohen wissenschaftlichen Auszeichnungen rechnen.

Denn als ersten Forschern überhaupt ist es ihnen gelungen, bei erkrankten Mäusen die Alzheimerplaques aufzulösen. Bis zu 90 Prozent der Amyloidablagerungen verschwanden bei ihrem Experiment.

Und es blieb nicht allein bei den aufgelösten Plaques, die Mäuse fanden sich nach der Behandlung besser in Labyrinthen zurecht (Erhöhung der kognitiven Leistung) und lebten länger als die unbehandelten Mäuse.

Ein großer Erfolg, der für die beiden leitenden Forscher zunächst ausschließlich rätselhaft war – schließlich hatten sie einen ganz anderen Ausgang des Experiments erwartet (siehe oben). Was also war geschehen?

Die Auswertung zeigte, dass sich durch das Fehlen von TGF-Beta die Blut-Hirn-Schranke der Tiere nicht vollständig ausgebildet hatte. Dadurch konnten Makrophagen (also Fresszellen) in das Gehirn einwandern. Überraschenderweise richteten diese jedoch keinen Schaden an, sondern fraßen stattdessen einzig die Alzheimerplaques auf.

„Wie ein Staubsauger”, sagte Town, putzten die Makrophagen das Hirn der Mäuse sauber.

Ein nicht vorhersagbares Ergebnis oder?

Interview 2 (Ehrung)

„Herr Town, Herr Flavell, wir fühlen uns heute geehrt ihnen die begehrte Medlog-Medaille für bahnbrechende wissenschaftlich-therapeutische Arbeit überreichen zu dürfen. Aber können Sie uns vielleicht zuvor verraten, wie Sie damals auf die Idee kamen, die Blut-Hirn-Schranke zu öffnen, um mithilfe von Makrophagen die Schäden von Alzheimer zu beseitigen?”

„Also wir hatten schon zuvor viel mit TGF-Beta herumexperimentiert und wussten deshalb, dass dieser Wachstumsfaktor eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung der Blut-Hirn-Schranke spielt. Nach einigen Vorüberlegungen und der Auswahl des richtigen Tiermodell-Organismus haben wir dann unsere Hypothesen experimentell bestätigt.”

„Sie sind so bescheiden, können Sie uns nicht vielleicht ein bisschen in ihre genialistischen Gedanken mit einbeziehen, die sie damals bewegten das Experiment durchzuführen?”

„Naja, also ich war vor dem Experiment und der Patentierung des Verfahrens lange Zeit nicht sehr reich und musste meine Wohnung entsprechend selber reinigen. Dazu gehörte auch das allwöchentliche Staubsaugen. Und da dachte ich, dass es doch ausgezeichnet wäre, wenn man einen Staubsauger hätte, mit dem man die ganzen Alzheimerablagerungen einfach wegputzen könnte. Und schließlich bin ich darauf gekommen, dass es für diese Arbeit im Körper doch die Makrophagen gibt – ich musste also nur einen Weg finden, um sie hereinzulassen.”

„Und deshalb begannen Sie, die Blut-Hirn-Schranke zu modifizieren.Vielen Dank für das Gespräch, liebes Publikum, Sie haben es gerade gehört. Neue Therapien entstehen nicht auf hochbezahlten Forscherarbeitsplätzen in der Industrie sondern auf schlechtbezahlten Uni-Stellen.
-Interviewende

Man sollte jedoch hinzufügen, dass das aktuelle Experiment eigentlich noch keine Therapiehoffnungen wecken kann, da die Öffnung der Blut-Hirn-Schranke gentechnisch erfolgte und dadurch quasi von Geburt an festgelegt ist – oder nicht.

Die Forscher versuchen deshalb aktuell diesen Schritt mit Chemikalien nachzuahmen, dadurch könnte dann die Öffnung der Schranke auch zeitlich beschränkt erfolgen.

Unklar ist allerdings zusätzlich, ob die Öffnung der Blut-Hirn-Schranke für die Nervenzellen im Gehirn ungefährlich ist.

Sicher ist jedoch, dass noch mehrere Jahre vergehen werden, bis ein echtes Alzheimermedikament auf den Markt kommen wird.