Diese Nachricht wird der Pharmafirma Sanofi-Aventis nicht schmecken. Das erst seit Juni 2006 zugelassene Medikament Acomplia darf soll in Europa nicht mehr verschrieben werden. Das beschloss empfahl die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA am Donnerstag mit sofortiger Wirkung (.pdf-Download der Pressemeldung).

Sanofi-Aventis nahm das Medikament daraufhin vom europäischen Markt.


Die Mediziner des Gremiums begründeten ihre Entscheidung mit der unterschätzten Nebenwirkung des „Lifestyle”-Medikaments. In klinischen Tests hätte der Wirkstoff Rimonabant in neueren Studien doppelt so häufig psychische Störungen ausgelöst, wie das zu Kontrollzwecken eingesetzte Plazebo.

Fachleute führen diese Nebenwirkungen auf den therapeutischen Ansatz des Medikaments zurück. Denn anders als die meisten anderen Schlankmacher wirkt Acomplia nicht in den Gedärmen sondern entfaltet seine Wirkung an bestimmten Schmerzrezeptoren (Cannbinoid-System) im Kopf.

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Die französische Herstellerfirma Sanofi-Aventis will nach der Entscheidung der EMEA weitere klinische Studien in Auftrag geben, die die Wirksamkeit und gute Verträglichkeit des Medikaments zumindest bei einer Indikation wie Diabetes belegen sollen.
Sofern das Vorhaben scheitert, dürfte die Pille jedoch ein für allemal vom Markt verschwunden sein. Ursprünglich hatte Sanofi-Aventis dem Medikament zugetraut, der nächste Milliardenseller zu werden.
Doch nach jeweils nur eingeschränkten Zulassungen in der EU erzielte Acomplia im ersten Halbjahr 2008 lediglich einen Umsatz von 54 Millionen Euro.

In Deutschland hatte die eingeschränkte Zulassung zur Folge, dass die Kassen die Kosten des Abspeckhelfers nicht übernahmen.
Mehrere Fachleute hatten bereits vor der Zulassung vor möglichen negativen Folgen auf die Psyche der Patienten gewarnt.

Doch während Acomplia verschwindet, schwärmen andere Experten schon vom nächsten Wunderdiätmittel, das im Kopf wirken soll. Tesofensin heißt der verheißungsvolle Stoff.

Wir schreien Hurra und erwarten ein Déjà Vu.

(Aber vielleicht kann man dann ja den alten Text wiederverwerten und muss nur ein Wort austauschen …)

Kommentare (3)

  1. #1 Daniel
    Oktober 24, 2008

    Grmml

    Schon wieder eine Verallgemeinerung von Diabetes…

    Aber warum sollte das Medikament besonders dort bei den Typ 2 Patienten helfen? Tippe persönlich auf reine Marketinggrundlage mit den Typ 2 Diabetes.

    MfG

  2. #2 Tim
    Oktober 26, 2008

    1. Die EMEA hat kein Vermarktungsverbot beschlossen, sondern es empfohlen. Der Hersteller hat daraufhin Acomplia europaweit vom Markt genommen.

    2. § 34 SGB V stellt fest:
    “Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend …, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, … dienen.” Als Acomplia auf den Markt kam, schon 2 Jahre klar, dass das Produkt in Deutschland nicht erstattet werden würde. Nix mit eingeschränkter Zulassung.

    3. Die meisten Schlankmacher wirken eben im Kopf und nicht “in den Gedärmen”. Ob Amphetamine, Ephedrin, Sibutramin oder nun Tesofensin. Ausser Orlistat gab es praktisch bisher kein Diät-Medikament, das “in den Gedärmen” gewirkt hat.

    4. Welche Experten schwärmen denn für Tesofensin? Der Forschungsleiter und Studienautor, der geschäftlich an der Herstellerfirma beteiligt ist?

    Ein wenig mehr Genauigkeit wäre super – gerade für jemanden der sich “Wissenschaftsjourmalist” nennt.

  3. #3 Peter Artmann
    Oktober 27, 2008

    Hallo Tim,
    hast Recht. EMEA hat nur empfohlen. Aber man sollte nicht vergessen, dass der Automatismus dabei ähnlich ist, wie bei einer Empfehlung an den GBA.
    Was die EMEA empfiehlt, setzt die EU-Kommission kurze Zeit später um.
    Um dieser Schmach zu umgehen hat Sanofi ja auch sofort reagiert.

    Das aber Sanofi die Zulassung als “Lifestyle-Medikament” begrüsst hat, glaub ich nicht, die wollten eine Kassenerstattung für Fettsüchtige.
    Jetzt soll es ja auch über die Diabetikerschiene laufen (die Armen).
    Und zu deiner Aufzählung: Daran sieht man doch, dass der angestrebte Weg über den Kopf (bislang) falsch ist. Übrigens gibt es noch tausend andere Mittel, die abführen, aufblähen oder schwer im Magen liegen.
    Alles Gute
    Peter