Ein markantes Gesicht mit verwegenem schwarzen Vollbart und abenteuerlustig blitzenden Augen.
Eine Taucherbrille lässig auf die Stirn geschoben.
Der Zoologe, Tauch- und Unterwasserfilm-Pionier Hans Hass war eine stattliche Erscheinung.
An seiner Seite eine durchtrainierte junge Frau – Lotte mit den blonden Locken.
Ebenfalls Tauch- und Unterwasserfilm-Pionierin.
So war er in der Presse präsent.
Hans Hass war 1937 während seiner Matura-Reise (eine Reise nach dem Abitur) an die französische Riviera mit Unterwasserjagden und Unterwasserfotografie dem Meer verfallen.
Vor allem Haie faszinierten ihn – die Tiere hatten einen extrem schlechten Ruf als mordlustige Bestien. Als Biologe und Meeresschützer wollte er beweisen, dass diese Tiere grundsätzlich missverstanden wurden.
Seine Bücher brachten Korallenriffe und Haischwärme in die deutschen Wohnzimmer, viele Jahre bevor dort Fernseher die Bilder dieser fernen Welten so selbstverständlich werden ließen:
„So wird der Vorstoß in die Tiefe des Meeres zur letzten und größten Aufgabe des Menschen in seinem streben, unseren Heimatplaneten wirklich kennen zu lernen. […] Aber erst jetzt haben wir mit Hilfe der modernen Technik wirkliche Aussichten, diesen Kampf mit der Tiefe zu gewinnen und damit der Menschheit ungeahnte Kenntnisse und praktische Erfolge zu erschließen.“ (Hans Hass: „Ich tauchte in den 7 Meeren“ S. 9)
Auch seine ebenso wagemutige zweite Frau Lotte machte eigene Tauchexperimente und schrieb selbst Bücher wie “Das Mädchen auf dem Meeresgrund”, das später natürlich auch verfilmt wurde.
Ein Traumpaar!
„Hans und Lotte, die beiden Taucher, waren in den fünfziger Jahren blitzsaubere Idole für den Eskapismus einer biederen Gesellschaft; sie lebten Idylle unter Lebensgefahr, auch wenn das allein noch nichts mit wissenschaftlicher Forschung zu tun hatte.“ (Kamolz: Der Taucher).
Obwohl Hass zunächst keine Frau bei den Expeditionen dabei haben wollte, kam Lotte mit. Die attraktive und mutige junge Frau wurde sogar ein wichtiger Bestandteil seiner Filme. Die Liebesgeschichte der beiden wurde 2011 in der ZDF-Produktion “Das Mädchen auf dem Meeresgrund” gezeigt.“
Hass berichtet aber nicht nur über seine Erlebnisse mit den faszinierenden Meeresbewohnern, sondern beschrieb auch detailliert seine Methoden – das Tauchen und Filmen. Er hat in beiden Disziplinen bedeutenden Erfindungen ausgetüftelt, die über Jahrzehnte im Gebrauch waren.
Ab 1959 beschäftigte er sich auch mit der Entwicklung der pseudowissenschaftlichen Energonforschung und leitete daraus später das Konzept der „Hyperzeller“ ab. Mit beiden konnte er sich nicht durchsetzen.
Dafür ist er bis an sein Lebensende immer wieder für sein umfangreiches populärwissenschaftliches Werk und seine Verdienste um den Tauchsport geehrt worden (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Hass).
Hans Hass ist am 16. Juni 2013 in Wien In Alter von 94 verstorben.
Nachrufe gingen durch die Weltpresse.
Ich habe keinen gelesen, der dem Mann auch nur annähernd gerecht geworden wäre – lustlos und blutarm geschrieben, ideenlos und nahezu identisch quer durch die Presselandschaft. Offenbar geschrieben von Schreiberlingen, die das „Phänomen Hass“ nicht kannten und auch nicht wertschätzen konnten.
Überwiegend garniert mit Bildern eines greisen Mannes im Anzug.
Das ist nicht das Bild des Heroen der populärwissenschaftlichen Meereserkundung und des unerschrockenen Tauchpioniers.
Die Bilder, auf denen der jüngere Hass in Badehose und mit Taucherbrille verwegen in die Kamera grinst, hätten unter dem Nachruf ein würdigeres Denkmal gesetzt.
Ein wirklich ausgezeichnetes Portrait hat der Österreicher Klaus Kamolz geschrieben, allerdings nicht als Nachruf, sondern schon zu dessen 80. Geburtstag. Lebendig und mit herrlichen Details zeichnet er das Bild des Österreicher Ozeanfreundes: „Der Taucher“ (Format; Nr. 2/99, 11. Januar 1999).
Und was geschieht mit dem Hass´schen Vermächtnis?
„Das Vermächtnis von Hass wird auch weiterhin öffentlich zugänglich sein. Erst im vergangenen Monat schenkte er dem Wiener Naturhistorischen Museum seinen Vorlass, der unter anderem unzählige Filme, Videos und Notizbüchern umfasste.“ schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
Außerdem ist für ihn ist ein Online-Kondolenzbuch eingerichtet worden.
Vielleicht könnte man zu Hass Geburtstag am 23. Januar etwas Ähnliches einführen wie den „Cap Rouge Day“ zu Cousteaus Ehren?
Darüber sollten wir ernsthaft nachdenken.
Vorkämpfer für Haie und Ozeane in Badehosen
Der Mann posiert nur in Badehose – für die spießige deutsche Nachkriegswelt der 50-er Jahre eigentlich unerhört.
Was war das für eine Zeit, in der ein junger Zoologe auszog, um den Menschen die Furcht vor den Haien auszutreiben?
In den 50-er Jahren machte die Biologie einen gewaltigen Sprung nach vorn:
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs war der Krieg nicht mehr das dominierende Tagesereignis. Die Menschen mussten nicht mehr jeden Tag um ihr Leben bangen und konnten wieder reisen. Auch der Luxus „Forschung“ war auf einmal wieder möglich. Gleichzeitig kamen neue Technologien und Ideen auf.
Das Meer konnte mit neuen Methoden leichter erforscht werden: In den 50-er Jahren machten sich Hans Hass und die US-Amerikanerin Eugenie Clark auf, um Haie und andere Meerestiere zu erforschen.
Eugenie Clark war ebenfalls Meersbiologin und Tauchpionierin, wie Hass arbeitete auch sie viel populärwissenschaftlich mit Büchern und Filmen. 1953 erschien ihr Buch „Lady with a spear“, das erste von vielen.
Jacques-Yves Cousteau war kein Wissenschaftler, sondern engagierte sich populärwissenschaftlich für die Erforschung der Ozeane.
Zu diesen neuen Ideen kam auch ein neuer Blick auf Tiere: Konrad Lorenz begann mit seiner Tierpsychologie und machte bahnbrechende verhaltensbiologische Experimente und Entdeckungen.
Die Zeit war günstig für neue Ideen und wagemutige Frauen und Männer.
Der steigende Wohlstand der Nachkriegsjahre ermöglichte immer mehr Menschen Reisen und auch kostenintensive Hobbies wie das Sporttauchen.
Weltweit wurden in dieser Zeit Tauchclubs gegründet.
Hass und Cousteau – zwei aquatische Heroen in Europa
Der drahtige kleine Franzose Jacques-Yves Cousteau und Hans Hass, der österreichische Hüne, haben nie zusammen gearbeitet.
Sie waren im gleichen Metier tätig – als Taucher, Unterwasserfilmer und Meeresschützer, sollen sich aber nicht sehr gemocht haben.
Die beiden waren auch wirklich sehr unterschiedlich, wie die Zeit in ihrem Beitrag über Cousteau “Der Mann im Meer” schreibt.
Hans Hass, der Sohn wohlhabender Eltern, der aus gesundheitlichen Gründen keinen Kriegsdienst leisten musste, stattdessen Zoologie studierte und seinen ersten Unterwasserfilm drehte. Seine aquatischen Abenteuer waren wissenschaftlich unterfüttert.
Jacques-Yves Cousteau hatte als Marineoffizier Karriere gemacht, war natürlich in der Résistance aktiv und wurde hoch dekoriert. Darum wurde er auch später noch immer respektvoll „Commandant“ genannt – das entspricht dem englischen Captain.
Ihm ist später oft vorgeworfen worden, dass er vorgab, wissenschaftlich zu arbeiten und sich Urteile und Problemlösungen anmaßte, deren Probleme für ihn eine Kragenweite zu groß waren.
Hass und Cousteau waren echte Pioniere beim Tauchen und Filmen unter Wasser, und entwickelten unabhängig voneinander bahnbrechende neue Technologien: „Hans Hass begann ab 1938 mit der Erforschung des Unterwasserlebens. Er entwickelte vom Boot aus belüftete Plexiglas-Taucherhelme, Unterwasserkameras, und nutzte ab 1942 ein umgebautes Dräger-Kreislauftauchgerät.
Jacques-Yves Cousteau entwickelte mit Georges Commeinhes und Emile Gagnan ab 1942/43 einen den ersten modernen, kompakten Atemregler: „Der Atemregler entnimmt das unter Druck stehende Atemgas einer Flasche und gibt das Gas geregelt, mit nahezu Umgebungsdruck, an den Taucher ab. Die ausgeatmete Luft wird ins Wasser abgegeben.“ (wikipedia: Hans Hass).
Ein Veteran der Xarifa-Expedition
Als Kind der 70-er Jahre habe ich zwar gebannt die „Geheimnisse des Meeres“ von Cousteau verfolgt, ja verschlungen. Hans Hass war mir aber nur vom Namen her bekannt, das Unternehmen „Xarifa“ sagte mir nichts.
Erst während meines Volontariats in der Zoologischen Abteilung des Hessischen Landesmuseums (HLMD) traf ich 2001 auf die „Xarifa“-Expedition.
Ein längst pensionierter Wissenschaftler des HLMD hatte nämlich daran teilgenommen, es gab die Reste von Ausstellungen und die Erzählungen der anderen Museumsmitarbeiter.
Und Herrn Dr. Scheer!
Dr. Georg Scheer, ein Ingenieur, hatte sich auf die Korallen spezialisiert und im Roten Meer die Riffe erforscht. Er war in der Nachkriegssituation durch den Mangel an qualifizierten Fachkräften in die glückliche Situation gekommen, sich ein fremdes Fachgebiet wissenschaftlich erschließen zu dürfen. Scheer wählte die Korallen, ging als Biologe und Techniker mit Hass auf Expedition ins Rote Meer und baute eine wissenschaftliche Sammlung in Darmstadt auf.
Dabei hat er viele Korallenarten erstmals wissenschaftlich beschrieben. Diese sogenannten Typus-Exemplare sind die Zierde jeder zoologischen Sammlung und lagerten zu meiner Zeit noch im sogenannten Korallenkeller des Museums. Ein Typus-Exemplar ist das erste beschriebene Exemplar einer neuen Art und ist das Juwel jeder wissenschaftlichen Sammlung. Das macht diese Stücke so wertvoll, sie sind das Archiv des Lebens.
In seinem Beitrag „Über die Methodik der Untersuchung von Korallenriffen“ (Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere, 7. Juni 1967, Volume 60, Issue 1-3, pp 105-114) beschreibt er seine Feldforschung. Frei im Meer zu tauchen und Meereslebewesen an Ort und Stelle zu untersuchen, war damals noch absolut ungewöhnlich und spektakulär. Die Methode, in einem Planquadrat oder entlang einer Linie eine Faunengemeinschaft zu beschrieben – Scheer nennt sie „Korallensoziologie“ – ist bis heute gebräuchlich. So können alle Tiere kartiert werden, ohne sie zu entnehmen. Dadurch ergibt sich ein lebendiges Bild, welche Organismen in welcher Menge in welcher Tiefe auf welchem Untergrund wachsen.
Der Ingenieur war auch mit dem Tauchen und anderen technischen Details betraut bzw. konnte sie den Anforderungen entsprechen testen und weiterentwickeln.
Der ideale Mann für eine Feldexpedition mit noch nicht vollständig erprobtem Gerät!
Als ich Herrn Dr. Scheer kennen lernte, war er auch schon über 90 Jahre alt. Begleitet von seinem Enkel brachte er uns Exponate für die geplante Wüstenausstellung – Blitzröhren aus seinem Privatbesitz.
Schon ein wenig gebeugt und man Stock gehend, immer noch tief gebräunt, mit dichtem weißen Haar und einem flotten Schnauzbart – immer noch ein beeindruckender Mann. Später hielt ich ihm zu Ehren noch einen Korallenvortrag, über den er sich sehr gefreut hat. Wahrscheinlich hatte er in Darmstadt sonst nicht so viel Gelegenheit, mit anderen Menschen über Korallen zu sprechen.
Heute bedaure ich, ihn damals nicht mehr ausgefragt oder interviewt zu haben – leider ist er mittlerweile verstoben. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, ihn, das Relikt aus einer anderen Zeit kennen gelernt zu haben.
Auf den Bildern der Xarifa-Expedition steht er – ebenfalls in Badehose neben Hans Hass. Und der Korallenkeller und andere Exponate sprechen eine deutliche Sprache, dass diese Expedition ins Rote Meer nicht nur spektakulär war, sondern auch eine beträchtliche wissenschaftliche Ausbeute gebracht hatte.
Mit von der Partie war auch der Verhaltensbiologie Irenäus Eibl-Eibesfeld, der sich sowohl wissenschaftlich als auch populärwissenschaftlich einen Namen machte.
Aber das ist eine andere Geschichte….
Bettina Wurche
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