Die Phantastische Bibliothek Wetzlar ist die weltweit größte öffentlich zugängliche Sammlung phantastischer Literatur. Ein Paradies für Bibliophile, SF-Fans, Nerds und andere Subkulturen.
Ist das Vertiefen in Phantastische Literatur wie Science Fiction eine Realitätsflucht für Weltfremde?

Thomas LeBlanc, der Bibliotheksvorstand und der Hüter der Phantastischen Bücher, sieht das ganz anders: „Science Fiction ist eine ganz besondere Literatur. Gute Science Fiction erzählt von innovativen Ideen und interessanten Zukunftsvisionen.“ Diese Ideen und Visionen können nützlich sein für verschiedene Technologie wie Raumfahrt, Robotik, Medizintechnik, Gentechnologie, außerdem können sie Hinweise auf Ernährung und viele andere Lebensbereiche geben.

Sein interdisziplinäres Forschungsprojekt „Future Life“ will die SF-Literatur als Schatzkammer für neue Technologien und Produktideen nutzen.
Der folgende Text gibt wesentliche Auszüge aus Thomas LeBlancs hörenswertem Vortrag vom 15.07.2014 im Rahmen der Veranstaltung „Projekt Zukunft“ wieder (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

„Projekt Zukunft“

Wichtig: SF ist eine Literatur!
Darum enthält sie keine direkten Beschreibungen von Technologien, sondern erzählt in erster Linie spannende Geschichten vor dem Hintergrund von Zukunftsszenarien. Sie gewährt Einblick in Myriaden von Zukünften und Zukunftswelten. Die Science-Fiction-Literatur kann zu neuartigen Denkansätzen anregen, „weil hier beim Erdenken von Lösungen weder bewusst noch unbewusst Grenzen gesetzt wurden.“
SF ist keine Futurologie, sondern das intellektuelle Spiel mit Möglichkeiten!

SF wird oft von Wissenschaftlern geschrieben, das macht sie so spannend. Die Autoren gehen mit naturwissenschaftlich-technischen Dingen um, dabei entwickeln sie weitere Ideen. Diese neuen Ideen werden aus der Perspektive eines menschlichen oder Alien-Protagonisten dargestellt – diese Perspektive erhöht die mögliche Akzeptanz beim Leser.
SF enthüllt Ideen wie Schätze.
Das macht sie für die Industrie interessant.
Denn: Die Industrie ist immer auf der Suche nach innovativen Ideen, sie kann diese Schätze aber selbst nicht heben.
„Das machen wir“ erklärt Thomas LeBlanc sein „Projekt Zukunft“. „Wir suchen die vielen kleinen Fundstücke zu spezifischen Themen heraus und geben sie in eine Datenbank ein.“
Das Angebot steht schon lange, seit 2013 hat es zunehmend Erfolg. 2013 ging die Lieferung innovativer Szenarien auf der Basis der SF-Literatur an große Firmen erstmals durch die Presse, das hat nochmals Publicity gebracht.

3-D-Drucker, Verkehrsmittel der Zukunft und Kreativität

Gerade heute, wo die Neuerungen so schnell aufeinander folgen, ist der Bedarf nach innovativen Ideen groß. Die Zukunft, die uns jetzt erwartet, wird ganz anders. Durch diese schnelle Folge von Neuerungen wird auch immer schneller immer mehr gefordert.
Manche Neuerungen haben einen besonders nachhaltigen und weit reichenden Impact auf unser Leben:
In den 80-er Jahren kamen leistungsstarke bezahlbare Computer auf, durch Microsoft und Apple. Sie haben grundlegende Veränderungen der Datenverarbeitung und Kommunikation gebracht.
Jetzt wird der 3-D-Drucker zu tiefgreifenden Veränderungen führen. Er wird sicherlich massive Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette haben.

Eine große Autofirma möchte wissen: Bauen wir in 30 Jahren noch Autos?
Eine andere Firma fragt: Wie arbeiten wir in 30 Jahren? Gehen wir überhaupt noch aus dem Haus? Oder erledigen wir alles virtuell?
Solche Beratungen mit Firmen der Automobilbranche, Robotik, Nanotechnologie, Haustechnik, Hygiene und anderen Branchen laufen natürlich meist im Geheimen ab. Darum dürfen sie im Vortrag leider such nicht genannt werden.

Viele Dinge – wie der 3-D-Drucker – sind völlig neuartig und zuvor noch nicht einmal in SF-Geschichten aufgetaucht.
Andere sind schon mal gedacht worden…

Es gibt natürlich bei der Umsetzung von Ideen aus der SF in die Realität physikalische Grenzen.
Z. B. das Beamen. Das ist zwar eine tolle Technologie, aber sie dürfte schon aus energetischen Gründen nicht umsetzbar sein.

Ein weiterer Aspekt sind interessante, spannende Stories.
Auch dies ist ein für Firmen wichtiges Gut.
Denn: Firmen brauchen Geschichten.
Etwa, um Aktien zu verkaufen.
DieAktionäre möchten natürlich eine wertvolle Aktie, aber bitte mit einer guten Geschichte.

Das stellt große, etablierte Firmen oft vor eine große Herausforderung.
Denn: Für neue Ideen oder neue Stories braucht es Kreativität, die im beruflichen Alltag normalerweise nicht oder nur wenig gefördert wird.
In der universitären Ausbildung fehlt dieser kreative Aspekt. [persönliche Anmerkung: In meinem Studium mussten wir kreativ sein. Ich erinnere mich an den Bau einer Aquarienfilteranlage in einem Salzwasserdurchstrom-Becken aus Puddingschüsseln und Gaze. Auch in Museumsausstellungen oder –pädagogik müssen wir immer sehr kreativ vorgehen. Zoologen und ihre Institutionen  haben nie Geld und müssen darum zwangsweise erfinderisch sein. BW].

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Kommentare (16)

  1. #1 rolak
    30. Juli 2014

    praktisch keinen Roman, in dem der Verbrennungsmotor vorkommt.

    Och, da gibt es viele, wenn auch typischerweise auf die alten Stinker schräg mißbilligend herabgeblickt wird. War es nicht bei den Lensmen schon, daß diese eine gehörlose, aber ohne Sichtkontakt sehen könnende Rasse in Stahlgemantelten Eiern vollkontaktig durch ihre Staädte schürgelte, was den Protagonisten schier zur Verzweiflung brachte? Dann erinnere ich noch diese Story, in der von einem Gestrandeten eine Verbesserung für Rennmotoren gebaut wurde, die einen Teil des Eingesparten für ein ftl-SOS-Funkfeuer verwendete. Und ganz zu schweigen von den ganzen postapokalyptischen Szenarien á la MadMax, in denen nichts mehr zu bekommen ist – außer Sprit für heiße Verfolgungsjagden 😉

    Ach menno, zu solch einem Konvent müßte ich es doch endlich mal schaffen…

    Zum 3D-Drucker kam just heute eine Neuigkeit vorbei…

    noch viele weitere

    Klar: Allein schon StarTreks Kommunikator, Videotelephonie, Hypospray.. Da hinten gibts eine kleine Grafik (und links zu mehr), in der übrigens auch Gernsbacks ‘Ralph 124C 41+’ vorkommt, dessen Titel praktisch jedesmal erklärend übersetzt werden muß…

  2. #2 Bettina Wurche
    30. Juli 2014

    @ rolak: Mir fiel auf die Schnelle keine sichere Stelle für Verbrennungsmotoren in Romanen ein. Das Ganze postapokalyptische und Endzeitzeug (Mad Max, Waterworld,…) kenne ich vor allem aus Filmen. Es saßen leider auch nur sehr wenige SF-Fans im Auditorium, bei anderen Veranstaltungen käme da sicherlich mehr an Diskussion.
    Danke für die links!
    Ich höre ja auch immer wieder gern Hubert Zitts Vorträge, der u. a. auch oft berichtet, welche Star Trek-Zukunftsmusik aus dem vorigen Jahrhundert heute im Alltagsgebrauch so üblich ist.
    (Er ist im November wieder im Planetarium Mannheim:
    https://startrekvorlesung.fh-kl.de/?reload=true)
    Das ist jedenfalls ein Thema ohne Ende und ausgesprochen spannend.
    Ich fand an dem Vortrag eigentlich am Bemerkenswertesten, DASS jetzt Anfragen aus der Industrie kommen.
    Es hat mich gefreut.

  3. #3 Pilot Pirx
    31. Juli 2014

    3-D Drucker? Primo Levy, “Die Verdopplung einer schönen Dame” Ist zwar eher ein 3-D Kopierer, aber es kommt dem Prinzip nahe.

  4. #4 Alderamin
    31. Juli 2014

    @rolak

    StarTreks Kommunikator

    Ich hab’ mal eine Sendung über Star Trek gesehen, da wurde unter anderem ein Techniker von Motorola interviewt, der als Erfinder des Mobiltelefons vorgestellt wurde, und der sagte, die Aufklapp-Kommunikatoren der ersten Star-Trek-Staffel hätten ihn zur Entwicklung des Handys inspiriert. Es gab damals zwar schon Funktelefone, aber das waren große Kisten, die hauptsächlich in Autos verbaut wurden oder in Koffern herumgetragen werden konnten. Na ja, vermutlich wäre man auch ohne Start Trek darauf gekommen, die Geräte zu verkleinern.

  5. #5 Bettina Wurche
    31. Juli 2014

    Diese Anekdote kannte ich noch nicht : )
    Ja, man wäre sonst auch darauf gekommen.
    Aber manchmal ist es einfacher, auf Ideen zu kommen, wenn man von anderer Stelle schon dazu inspiriert worden ist.

    Auf den Weltraumlift warte ich jetzt jedenfalls schon sehr gespannt. Ich habe neulich dazu einen Vortrag von Markus Landgraf (ESA), der meinte, wenn man ihm genügend Geld zur Verfügung stellen würde, traute er sich das Projekt zu.
    Und ich traue IHM das zu.

    Die ESA arbeitet de facto manchmal der Technologie voraus. Neulich hat einer Astro-Ingenieure das SolO vorgestellt und erzählte dabei, dass man erst mal einen tauglichen Hitzeschild entwickeln müsse.

    Im Apollo-Projekt ist man ja auch so vorgegangen: Erst mal das Ziel setzen, den Rest bauen wir dann passend dazu. Und es hat noch immer geklappt.
    Bei vielen SF-Ideen ist vor allem die Energie-Bilanz oder die gesellschaftliche Akzeptanz ein Problem. : )

  6. #6 Alderamin
    31. Juli 2014

    @Bettina Wurche

    Auf den Weltraumlift warte ich jetzt jedenfalls schon sehr gespannt. Ich habe neulich dazu einen Vortrag von Markus Landgraf (ESA), der meinte, wenn man ihm genügend Geld zur Verfügung stellen würde, traute er sich das Projekt zu.

    Google X haben ihr entsprechendes Projekt erst mal auf Eis gelegt, es braucht wohl noch 10 Jahre, bis entsprechend stabile Seile hergestellt werden können (na gut, das ist jetzt nicht so lang).

    Was ich allerdings nie lese ist, wie man bei einem solchen doch recht statitischen Gebilde die Kollision mit Weltraumschrott oder Satelliten vermeiden will. Die ISS kann dem Zeugs ausweichen und auf der niedrigen Umlaufbahn bleibt es auch nicht beliebig lange. Aber bis da oben auf der GEO-Bahn, da kommt man so ziemlich allem in die Quere, das die Erde umkreist. Selbst wenn man einen Zusammenstoß vorausberechnen kann – was macht man dann dagegen? Und würde das gekappte Seil dann nicht mit unabsehbaren Folgen auf die Erde fallen?

    Wurde darauf in dem Vortrag eingegangen?

  7. #7 Alderamin
    31. Juli 2014
  8. #8 Bettina Wurche
    31. Juli 2014

    Ich erinnere mich zumindest nicht daran, dass Markus den Weltraumschrott thematisierte.
    Allerdings gibt es zum Thema Weltraumschrott ja längst eigene Tagungen.
    Bei der DLR hatte ich im vergangenen Jahr dazu einen Vortrag von einem ESA-Mitarbeiter gehört: Die haben da schon ausgefeilte Vorstellungen.
    https://scienceblogs.de/meertext/2013/10/10/die-kosmischen-muellmaenner/
    Technisch könnte man recht viel dagegen machen, es hängt natürlich am Geld.

    Mit dem Wörtchen niemals wäre ich etwas vorsichtig.
    Wir benötigen ein neues Material, das ist klar. Und die Vibrationen und andere störende Einflüsse sowie die Risiken halte ich auch für große Probleme.
    Die Idee mit dem Spacelift vom Mond aus ist allerdinsg gut und würde einen Teil der Probleme lösen können.

    Das ganze Thema ist riesig, dafür bräuchte man sehr viele kleine einzelne bahnbrechende neue Ideen.
    Aber es wäre bestimmt schaffbar. Wenn man bereit wäre, die entsprechenden finanziellen Ressourcen dafür bereit zustellen.
    Auch die Mondlandung erschien zunächst als Traumtänzerei. Aber es hat geklappt.
    Mit einem unglaublichen finanziellen Aufwand.

    Das Material der Seile war im Moment noch das limitierende Moment.
    Wenn man das Geheimnis der Spinnenseide knacken und das im Labor nachbauen könnte, wäre das problem wohl lösbar.

  9. #9 Gerhard
    1. August 2014

    Spät hinzugekommen.
    Ich habe den artikel etwas überflogen, muß ich zugeben.
    Dabei sties ich auf folg. Feststellung:
    “SF ist also eine Literatur der ganz besonderen Art, die unbedingt lesenswert ist.”
    Das denke ich auch. Aber sie braucht nicht die Legitimation, daß sie technologischen Fortschritt vorwegnähme. Phantasie hat ja für sich einen großen Wert, die auszuleben,den Menschen bereichern kann.
    Man argumentiert ja oft, um einen Vergleich zu ziehen, daß Schach die schulischen Leistungen verbessere. Deswegen wird es hie und in den Lehrplan aufgenommen.
    Ich finde, es braucht keinen solchen Grund. Schach ist per se ein interessantes Spiel und muß sich nicht so legitimieren.

  10. #10 Bettina Wurche
    2. August 2014

    Sie haben natürlich völlig recht.
    SF ist an sich lesenswert. Jedenfalls eine ganze Menge Autoren. Für mich und viele Menschen in meinem Umfeld.
    Aber:
    Der Vortrag von Herrn LeBlanc richtet sich an Personenkreise, in denen durchaus Berührungsängste mit SF existieren. Es gibt schon eine Menge Leute, die erhebliche Vorurteile haben.
    So wie auch andere Genre-Literatur oft pauschal verdammt wird – z. B. Kriminalromane. Dann wird gern übersehen, dass es in jedem Genre gute und schlechte Autoren gibt.
    Und Herr LeBlanc muss bestimmt sehr oft rechtfertigen, dass er eine Bibliothek mit solchem Phantastik-Zeug betreibt. Gegenüber vielen Sponsoren, Geldgebern und anderen Unterstützern muss man sehr oft die den Nutzen/Output von etwas nachweisen. Wenn nun ein wirtschaftlicher Nutzen von SF in dieser Form nachweisbar wird, wird die SF auch für andere Personenkreise aufgewertet, die normalerweise nicht den Sinn von derartigen Spinnereien nachvollziehen können. Wobei viele dieser betriebswirtschaftlich denkenden Personen schon Naturwissenschaft an sich nur für nützlich halten, wenn sie eine direkte Lebensverbesserung mit sich bringt.Die z. B. auch nach dem Nutzen von Raumfahrt fragen.
    Ich würde mal sagen, dass herrn LeBlancs Vortrag eine Zielgruppe hat/hatte, die nicht vollständig kongruent mit der Leserschaft dieses Blogs ist.
    Das ist jetzt eine ausgesprochen polemische und verallgemeindernde Antwort und natürlich nur meine persönliche Meinung.
    Aber ich habe zu meinem SF-Interesse schon derart dämliche Reaktionen bekommen, dass ich es einfach leid bin.
    Ich benutze die SF nämlich auch sehr gern als Transportmittel für Themen wie Astrogeologie oder Astrbiologie.
    Und wenn 100 Kinder an einem Tag im Museum bei mir stehen bleiben und einen kleinen Versuch zur Astrogeologie machen und gespannt zuhören und mitmachen, dann ist das ein Erfolg. Auch wenn ich an dem Tag als blau angemaltes Alien durchs Museum hüpfe.
    : )

  11. #11 Gerhard
    3. August 2014

    Danke für die Erläuterung.
    🙂

  12. #12 Alderamin
    4. August 2014

    @Bettina Wurche

    Auch wenn ich an dem Tag als blau angemaltes Alien durchs Museum hüpfe.

    Foto bitte! 🙂

  13. […] “meertext”, der die Idee von Projekt Zukunft etwas detaillierter vorstellt: “Projekt Zukunft: Science Fiction-Ideen für die Industrie”. Mein persönlicher Tipp: Die Bibliothek ist unbedingt einen Besuch wert! Ich habe noch nie so viele […]

  14. #14 Sandro Wolfe
    Berlin
    27. September 2014

    vielen dank für den tollen artikel, ich bin ganz deiner meinung und ich denke, dass uns alle SF, bzw. besonder Erfinder, Kreativschaffende beeinflussen kann. Bor kurzem hab ich diesen Artikel hier gelesen, der ein neues futuristischen Parksystem darstellt und ich bin überzeugt, dass auch diese Idee nicht von ungefähr kam: https://smart-magazine.com/space/the-parking-wizard/
    was meint ihr ??

  15. #15 Bettina Wurche
    27. September 2014

    @ Sandro: Danke – ich möchte aber noch mal betonen, dass ich nur über dieses grandose Projekt geschrieben habe, das andere sich ausgedacht haben.
    Herr LeBlanc erzählte, er sei auch von Autokonzernen angesprochen und um Rat gebeten worden sei. So eine Verbindung ist absolut denkbar – es gibt allerdings auch noch andere Institute für Zukunftsszenarien. Auf jeden Fall ist Mobilität in SF-Filmen immer wieder ein Thema und da gibt es wirklich Vorlagen und Ideen genug.

  16. […] der Phantastsischen Bibliothek Wetzlar getroffen. Er ist dort u. a. in dem genialen Projekt “Future Life” aktiv, über das ich schon kurz hier berichtet […]