Senckenbergs Kater Catus

Senckenbergs Kater Catus

In Senckenbergs ärztlichen Tagebüchern gibt es auch Aufzeichnungen zum Patienten „Catus“.
Beim Lesen des Tagebuch-Bandes Nr. 41 (Jan. 1760/ Dez. 1762) wurde Frau Dr. Marschall plötzlich bewusst, dass es bei einem umfangreichen Eintrag (ca. 20 Seiten) nicht um einen zweibeinigen, sondern um einen vierbeinigen Patienten ging: Um Senckenbergs Kater!
(Felis silvestris catus ist die wissenschaftliche Bezeichnung der Hauskatze.)
„Die Krankenakte zum Kater ist ein echtes „Schmankerl““, meint Frau Dr. Marschall, „Senckenberg schildert hier detailliert die letzten Lebenstage seines Katers, dann die von ihm und einem Arztkollegen vorgenommene “Sectio” (er – der Kater – war viel zu fett), dann das Begräbnis und am Schluss gibt es auch noch einen Nachruf.“

Bereits in Tagebuchaufzeichnungen aus früheren Jahren wird der Kater erwähnt: So widmet Senckenberg im Band 21, in dem eine Reihe persönlicher Schicksalsschläge festgehalten ist – 1743 starb seine erste Ehefrau, in den folgenden Jahren seine beiden Kinder und schließlich im Dezember 1747 seine zweite Frau – die letzte Eintragung zum Jahr 1747 dem „Catus“. „Man kann sich hier bildlich vorstellen, wie Senckenberg alleine mit seinem Kater saß – das Katzenvieh war irgendwie alles, was ihm geblieben war“, meint Frau Dr. Marschall. Senckenberg hat zwar noch ein 3. Mal geheiratet, mit seiner dritten Frau verstand er sich allerdings nicht so gut, man trennte sich einvernehmlich und 1756 verstarb auch sie.

Den Kater hatte er offenbar im Zusammenhang mit einer schweren Entbindung geschenkt bekommen und schnell ins Herz geschlossen. Das pelzige Haustier wird jedenfalls immer mal wieder in den Tagebüchern erwähnt:

„Catus forte pulcherrimus
certe amplissimus
inter pingues tota
urbe,
[Mein Kater war vielleicht der schönste, sicher aber der `geräumigste´ von allen fetten in der ganzen Stadt.]
colore weiß v. schwartz-
fleckig
18 Jahr alt“,
notiert Senckenberg stolz im Nachruf auf ihn.

Das Portrait des Katers
1751 ließ Senckenberg „Catus“ sogar porträtieren!
Der renommierte Landschaftsmaler Johann Benjamin Ehrenreich malte das Tier in Öl auf Leinwand im Format 62,5 x 78 cm. Die Katze wirkt auf dem Portrait etwas deformiert und unnatürlich – das dürfte daran liegen, dass Johann Benjamin Ehrenreich kein Tiermaler war, sondern sich durch spätbarocke Landschaften hervorgetan hat. Eine enorm fette, schwarz-weiße Katze liegt, auf ihre eigenen Speckwülste gebettet, und funkelt den Betrachter aus gelben Augen an. Unter der linken Pfote liegt eine Maus. Das Statussymbol (hier: Die Maus) und der Vorhang im Hintergrund gehören zur Ikonographie von Portraits in dieser Zeit. Der Kater wird also vermenschlicht und als Persönlichkeit dargestellt. Senckenberg selbst spricht in seiner Tagebucheintragung 1761 hier von der `magnitudo´, „quam et in tabula ante annos aliquot Ehrenreich felis pictor, expressit.“

Cat-Content im Gelehrten-Tagebuch
“Soffe, frasse, lage v. schlief
meist, wie faule leute,
hinc illa enormis pin-
guedo. frasse v. soffe
wohl, v. wollte auch s.
Ruhe dabey haben.”
(pinguedo: Fettleibigkeit).
„Irgendwie erinnert mich das an einen gewissen Garfield…“ meint Frau Dr. Marschall.
Da ist sie nicht die Einzige.

Der Kater scherte sich nicht im Geringsten um die Vorstellungen von gesunder Ernährung seines Herrchens, sondern fraß am liebsten Bratwurst und Kalbfleisch, dazu trank er gern Milch.
Dafür erfreute der Stubentiger den Arzt mit seiner Anhänglichkeit und einigen Kapriolen: Von der liebevollen Begrüßung über das Krallenwetzen am „Kleiderholz“ (Stummer Diener) im Hof bis zur Verfolgung der Mägde, die er gern in die Füße biß. „Ein artiges lustiges thier“ schreibt das Katzenherrchen stolz. Und philosophiert darüber, dass doch auch eine Katze einen Wert habe.

Senckenbergs Kater: Tod, Sektion und Nachruf
Schließlich ging es dem Kater immer schlechter und Senckenberg beschrieb detailliert die letzten Tage seines geliebten Katzenviehs. Eines Tages mochte „Catus“ kaum noch fressen, nicht einmal mehr seine Lieblingsspeise – Bratwurst. Nur noch etwas Kalbfleisch nahm er zu sich und Milch.
Dann mochte er auch keine Milch mehr trinken und nahm nur noch etwas Wasser. Der Kater wurde zusehends schwächer und hinfälliger:

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Kommentare (14)

  1. #1 inge schuster
    5. September 2014

    Werte Frau Wurche,

    meine Erwartungen wurden durch diesen wahren Cat-Content weit übertroffen – zutiefst bin ich berührt über die einfühlsame Beschreibung der letzten Tage einer solch bewundernswerten Persönlichkeit. Zugleich fühle ich mich aber auch in meinen eigenen Lebensanschauungen bestätigt (auch, wenn ich zur Zeit Kabeljau und Garnelen der Bratwurst vorziehe): Die Lebensfreude, die einem Gourmet täglich mehrmals aus seinen Geruchs-und Geschmackerlebnissen erwächst, trägt zur Langlebigkeit bei! Was bedeutet schon Verfettung bei solchem biblischen Alter! Ich meine, hier wird die Fettforschung ein neues Kapitel schreiben müssen.

    Gleich meinem Vorbild Murr möchte ich ausrufen: “Oh Appetit, Dein Name ist Kater!”

    Mit ehrerbietigem Gruße,

    Ihr Kater Shiva

  2. #2 Dr. Webbaer
    5. September 2014

    Och, das liebe Tier, 18 Jahre!, der Schreiber dieser Zeilen pflegt eine Katzen-Crew, die aber auch mal raus darf, die nicht so zäh ist.
    MFG
    Dr. W

  3. #3 Alderamin
    5. September 2014

    Unser Freigänger (als ich noch Kind war) wurde damals so ca. 12 (mit 1,5 Jahren zugelaufen, Alter bei Kastration vom Tierarzt geschätzt), bevor er an einem Tumor starb. Ralf Schmitz behauptet ja, Schmitz’ Katze Minka sei 27 geworden. Menschenjahre, wohlgemerkt!

    Mal schauen, wie lange unsere beiden Wohnungskatzenschwestern durchhalten, die sind jetzt 16 Monate. Die Rauhfaser-Tapete werden sie auf jeden Fall überleben… seufz.

  4. #4 Bettina Wurche
    5. September 2014

    27????
    Ich möchte fast sagen, dass eine Katze für so eine lange Lebensdauer eigentlich schon plastiniert sein müsste.
    Ich kenne so einige, die 17, 18 oder gar 20 geworden sind, die waren dann aber auch so richtig klapprig und “mottenzerfressen”.

  5. #5 rolak
    5. September 2014

    Das ist ein furchtbarer Artikel.

    Dauernd lese ich ‘Cactus’ 😉

  6. #6 Bettina Wurche
    5. September 2014

    @ rolak: Senckenberg war ja auch Botaniker, er hatte über die Heilkräfte des Maiglöckchens promoviert.
    Vielleicht steht in den noch nicht übersetzten Tagebüchern ja auch noch etwas über Senckenbergs Kaktus-Sammlung.
    Möglicherweise sogar ein Sektionsbericht?
    Oder eine Anleitung für ein Aqua vita aus Agaven?
    Wir dürfen gespannt bleiben ; )

  7. #7 rolak
    5. September 2014

    Der Inhalt des Artikels ist ja höchst unterhaltsam, doch die Fehldeutung beim Ersterfassen des Wortes wirkt immer noch nach: Irgendwann taucht irgendwo am Rande des Fokus eine Stelle auf, wo sich das ‘c’ ums ‘a’ herum verdoppelt hat. Auch ohne uisce beatha übrigens, aber danke für die Anregung, werde gleich mal eine (Gegen)Probe unternehmen.
    Nicht mit Mezcal allerdings, doch noch’n Dank für noch’ne Anregung: Der wurmige kommt auf die nicht terminierte Einkaufsliste, wird langsam Zeit für eine Wiederhoilung der Grimassentests…

    gespannt bleiben

    Na das auf jeden Fall, Bettina.

  8. #8 Gerhard
    6. September 2014

    Danke für die sehr eigenartige Geschichte.
    Es gab ja vor Jahren ein Buch über die besonderen Eigenheiten von “Dichtern und Denkern”, sehr amüsant zu lesen. Da würde diese Geschichte gut reinpassen – allein der Fakt, das geliebte Tier nachher zu sezieren und die Begräbniszeromonie.
    Ich war bis vor Kurzem noch nicht im Senckenburgmuseum.
    Doch auf einer Rückreise aus dem Ruhrpott stürme ich Ende letzten Jahres noch für 90 Minuten in diese Museum, haupts. um den Dunkleosteus zu sehen. Aber was ich so im Vorübergehen sah, war absolute Fülle.

  9. #9 Bettina Wurche
    7. September 2014

    @ Gerhard: Ich könnte mir ja vorstellen, dass die Sektion und der Tagebucheintrag für Senckenberg die beste Methode zum Verarbeiten der Trauer waren. Sezieren und schreiben waren für ihn normale Tätigkeiten. Der Tod des Katers hatte ihn ja furchtbar getroffen. Viele Menschen flüchten bei Trauer in ihre vertraute Arbeit oder ander vertraute Tätigkeiten.

    Der Dunkleosteus ist großartig. Überhaupt ist die Fisch- und Haiausstellung äußerst gelungen, ich gucke da immer wieder gern herum.
    Ein weiterer Spezialtipp ist die Walabteilung: Da hängen und stehen gleich drei paläontologische Raritäten, die auf den ersten Blick gar nicht so ins Auge fallen. Und die Treppe ins Untergeschoß vor der Wal/Rüsseltier-Halle: Dort geht es zu einem Edmontosaurus: eine Original-Dino-Mumie!!!!! Die Beschriftung ist ein echtes Understatement. Kein Hinweis auf “Original” oder auf mumifizierte Hautreste. Ja, da gibt es viel zu gucken.

    Vor kurzem hatte ich an der Sonderausstellung “Sammlungswelten” mitgebaut, hier sind noch ein paar kurze Beiträge dazu (die stehen auf meinem Blog-Archiv):
    https://blog.meertext.eu/2011/11/27/sammlungswelten-%E2%80%93-anatomie-fur-neugierige-und-connaisseure/

    https://blog.meertext.eu/2012/01/08/sammlungswelten-verdauung-von-z-unge-bis-a-nus/

    https://blog.meertext.eu/2012/02/21/sammlungswelten-axolotl-%E2%80%93-ein-molch-zwischen-jugendwahn-und-roadkill/

    https://blog.meertext.eu/2012/01/08/sammlungswelten-zungen-%E2%80%93-in-aller-munde/

    https://blog.meertext.eu/2011/12/14/sammlungswelten-schrage-vogel/

    (Sorry für das schamlose Eigenmarketing, aber wir hatten zu der Ausstellung so schräge Geschichten recherchiert, die muss ich hier einfach noch mal bringen.

  10. #10 Gerhard
    7. September 2014

    Hallo Bettina, danke für die Hinweise.
    Es war damals ja ein Wahnwitz, noch schnell in Frankfurt beim Museum vorbeizufahren. Es blieben ja nur noch maximal 90 Minuten!! Insofern konnte ich nur ahnen, daß man da Tage zubringen könnte, speziell natürlich, wenn man Vorwissen mitbringen kann, was bei mir leider marginal war.
    Den Edmontosaurus hatte ich nicht gewürdgt, weil ich nicht um die Rarität wusste.
    Mit schnellen Besuchen in Museen habe ich Erfahrung: Ich war einst in Dallas für 90 Minuten im Stadtzentrum. Es war langweilig dort und die Mitbusreisenden vertraten sich die Füsse dort. Durch einen Plan wusste ich von einem Kunstmuseum auf einem Hügel. Ich rannte buchstäblich die Strassen hoch, um dort verschwitzt noch 30 Minuten Einblick zu bekommen in die prächtige Sammlung. Da ich in Kunst bewandert bin, erkannte ich die Fülle des Interessanten dort, insbesondere den famosen Skulpturengarten. Man lies mich damals kostenlos rein, weil ich meine Geschichte erzählte und das Museum ja bald schloß.
    Am nächsten Tag flogen wir um Mittag zurück. Die noch verbliebenen Gäste, die am Tag drauf flogen, waren trotz Dauerregen und geschlossenen Geschäften von mir NICHT zu einem Museumsbesuch dort auf dem Hügel zu bewegen!

  11. #11 Gerhard
    7. September 2014

    Witzig die Story über die schrägen Vögel, ganz besonders über den Strauß. Naja, wenn man die mehrfach verwickelte Luftröhre des Kranichs betrachtet, dann kann die Grösse des “besonderen Organs” beim Strauß nicht mehr verwundern. Hauptsache, der Kerl kann dabei noch laufen! Das sollte doch gewährleistet beiben trotz aller “Status”-Wünsche. 😉

  12. #12 Bettina Wurche
    7. September 2014

    @ Gerhard: Was für eine schöne Museumsgeschichte : )
    Ich bin bisher auch für (fast) jeden Museumsbesuch reich belohnt worden. Und habe auch sehr oft erlebt, dass die Museumsleute sich sehr freuen und noch freundlicher reagieren, wenn man etwas Interesse zeigt.
    Mein Lieblings-Museums-Erlebnis ist uns in Bergen passiert. Ein Freund hatte uns die Walausstellung empfohlen. Die war leider gerade geschlossen. Nach einer längeren Plauderei mit der Kassendame rief die den Chefrestaurator an. Nach einem weiteren Gespräch durften wir ihm folgen. Statt einmal in die Halle zu schauen, folgten wir ihm auf das Gerüst unter der Decke des Walsaals und standen direkt neben den Riesen. Ich war überwältigt – diese Perspektive war sogar mich völlig neu. Und die hatten da Sachen: nicht ein oder zwei Tiere, sondern eine richtig große Gruppe. Diese 30 Minuten waren so wertvoll. Abends bedankten wir uns mit einer Einladung zu Bier und Burger und erfuhren noch unglaublich interessante Dinge. Und der Restaurator freute sich, mit meinem Mann über Astronomische Observatorien zu sprechen.
    https://thewhaleboneblog.blogspot.de/

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  13. #13 nell
    Köln
    15. September 2014

    ja da hab ich auch gelacht 😀

  14. #14 pell
    Köln
    16. Oktober 2014

    ich finde disen Beitrag äußerst interessant