Parablennius (fishbase)

Parablennius (fishbase)

Diesen Freitag gibt´s mal Fisch statt Tintenfisch.
Es geht um kleinen Fische, die ich seit einer Mittelmeerexkursion sehr ins Herz geschlossen habe: Blenniidae. Ihre deutschen Namen „Schleimfische“ finde ich wenig schmeichelhaft, ich ziehe „Blennies“ vor.
Blennies sind knuffige kleine Fische mit großen Augen, die scheinbar schmollend eine Flunsch ziehen.  Sie leben überwiegend in wärmeren Gewässern, kommen aber   auch im Nordatlantik, Nordsee und Mittelmeer vor. Sie sind Bodenbewohner und haben es gern hart. Also felsig. Ihre ganze Körperform ist an das Bodenleben angepasst: Sie sind keine schnellen Schwimmer, sondern liegen eher am Grund, auf die Brustflossen aufgestützt. Ihre Augen sind – typisch für Grundfische – nach oben gerichtet. Das Maul ist breit und hat dicke Lippen, was zu einem schmollenden Gesichtsausdruck führt. Sie können die Prämaxillare (Teil des Oberkiefers) nicht vorstrecken. Viele Blennie-Arten haben Hauttentakel über den Augen, wie ein Miniatur-Geweih.

Ihr knuffiges Aussehen täuscht: Die Männchen bewachen eifersüchtig ihr Territorium und verteidigen es gegen Eindringlinge. Vor Teneriffa habe ich beim Schnorcheln über einem Geröllfeld am Meeresboden viele Blennies gesehen: Jeder bewachte seinen eigenen Felsblock wie einen submarinen Bungalow. Viele Blennies wohnen in Höhlen oder verschwinden bei Bedarf schnell in Felsspalten – schließlich sind sie klein und langsam und damit der ideale Snack für viele größere Fische.

Vampirblennies unterm Tarnumhang

Vampirblennies sind auch klein und langsam – aber sie haben wirklich große Fangzähne!
Damit können sie kraftvoll zubeißen. Weil andere Fische ihnen deshalb eher aus dem Weg gehen, können diese Säbelzahnblennies unbehelligt im offenen Meer leben.
Viele von ihnen beißen kleine Stücke aus größeren Fischen bzw. naschen deren Schuppen. Diese größeren Fische lassen sich nicht gern anbeißen und meiden die kleinen Nervensägen.
Also mußten die hungrigen Blennies Strategien entwickeln, doch noch an ihr Essen zu kommen.
Der Falsche Putzerfisch (Aspidontus) nutzt dazu eine geniale Tarnung mit blau-gelben Streifen und sieht einem echten Putzerfisch zum Verwechseln ähnlich! Putzerfische befreien andere Fische von Parasiten, indem sie die lästigen kleinen Krebstiere von der Haut der Wirte knabbern. Darum sind sie beliebt. So kann der falsche Putzerfisch ganz in Ruhe seine Nahrung auswählen und dann herzhaft zubeißen – seine Beute hält ahnungslos still.
Eine schmerzhafte Form der Mimikry, die besonders erfolgreich bei jungen Fischen ist. Die älteren Exemplare merken sich, dass sie gebissen wurde und lernen, den Falschen und den Echten Putzerfisch zu unterscheiden.

Mini-Fisch beisst Fischforscher!

Brown Vampyre Blenny (Mark McGrowther)

Brown Vampyre Blenny (Mark McGrowther)

Eine ganz besondere Gruppe der Blennies hat Säbelzähne entwickelt – Säbelzahnblennies (Sabre-toothed Blenniidae). Die falschen Putzer gehören dazu.
Die Gattung Meiacanthus hat das stärkste Gebiss, dass sie allerdings “nur” zur Verteidigung benutzen, nicht zum Angriff. Ihre prächtigen Fangzähne im Unterkiefer sind sogar zusätzlich noch mit einer Giftdrüse verbunden: Beim Zubeissen injizieren sie das Gift.
Der Autor des Deep Sea News-Beitrags “Interview with the Vampire Blennies”, Dr. Luiz Rocha von der California Academy of Sciences, hat dies am eigenen Finger erlebt. Er wollte das Fischlein beproben, da biss die schwimmende Probe zurück: “During my last trip to the Red Sea, when attempting to carefully take a small tissue sample of a live Black-Lined Vampire Blenny and return it to the reef, it bit me! Even though there are scattered reports of painful bites, my bite wasn’t painful at all. I was just shocked to see that a small fish like that (about 2 inches long) could cut my skin in one bite with such ease: the fangs were extremely sharp and strong.”
Dislike auf beiden Seiten. Glücklicherweise war der Biss nicht schmerzhaft, aber der Meeresforscher hatte sich mächtig erschreckt.

Meiacanthus ist mit seiner heftigen Verteidigung so erfolgreich, dass es Fische gibt, die ihn nachahmen. Fische, die einmal schmerzhaft gebissen worden sind, schwimmen um den kleinen Vampir und alles was ähnlich aussieht einen großen Bogen.
Vielleicht sollten die Biologen hier von den Fischen lernen und den kleinen schwimmenden Vampir meiden.
Wer lässt sich schon gerne beissen?

Kommentare (8)

  1. #1 Fliegenschubser
    31. Oktober 2014

    Sehr cool. Immer wieder faszinierend, was es alles so an Getier gibt.

    OT: Ich hab die Formulierung “einen Flunsch ziehen” seit Jahren (bestimmt mehr als zehn) nicht mehr gehört oder gelesen und hab mich sehr gefreut 🙂

  2. #2 nihil jie
    31. Oktober 2014

    ahhh.. Brown Vampyre Blenny scheint hier die Vorlage für die Filmemacher des SciFi Films “Predator” gewesen zu sein 😉

    Bild

  3. #3 Bettina Wurche
    31. Oktober 2014

    Das Wort “Flunsch” wurde für Fische gemacht : )

  4. #4 rolak
    31. Oktober 2014

    für Fische gemacht

    Fast. Für einen Fisch. Und zwar für Elfriede F, deren sehnlichstes Anliegen war endlich auch einmal elegant durch die Welle zu pflügen statt immer nur schlapp über den Boden zu flappen. Ok, im Zuge ihrer Bemühungen wurde der Brustflossen-Boogie gesellschaftsfähig, doch woraus nichts wurde, war die Erfüllung dieses Flunder-Wunsches – der im Zuge der spätvokalischen Konsonantenverschiffung zum noch heute bekannten ‘Flunsch’ degenerierte.
    Und da Elfirede (das berühmte Portrait von Harung de Verliebt) not amused war, wird der Ausdruck seither immer häufiger mit dem in ihren späteren Jahren immer häufiger anzutreffenden Gesichtsausdruck gleichgesetzt.

    Wollt ihr auch noch etwas zur Ichthyologie von ‘Plattitüde’ wissen?

  5. #5 tomW
    31. Oktober 2014

    Naja, lieber von einem kleinen Vampir beißen lassen als von einem großen “Werwolf”, oder?

    https://www.watson.ch/imgdb/9262/Qx,B,0,0,466,700,194,291,77,116/7454758048467562

    Hydrocynus vittatus, gruselig! Wo der vorkommt würden mich keine zehn Pferde in’s Wasser bringen…

    Diese Blennies sind aber auch wirklich niedlich, kommen fast an meine Zwergkugelfische im heimischen Aquarium heran! 😉

  6. #7 Bettina Wurche
    31. Oktober 2014

    @ tomW: grusel.
    Allerdings sind die meisten Fische ja eher entspannt, solange man sie in Ruhe lässt. Sogar Seewölfe lassen sich streicheln. Erst wenn man sie mit Gewalt aus ihrem Elemet zieht, dann beissen sie in Todesangst alles, was ihnen vor die Zähne kommt. Eigentlich verständlich.

    Zwergkugelfische im Aquarium? Mit Tetrodotoxin bestückt? oder ernährungstechnisch unbewaffnet?
    Die sind ja süßer als erlaubt : )
    Ob Disney das Patent auf dieses Genom hält?

  7. #8 miesepeter3
    3. November 2014

    @Bettina Wurche

    “…, aber der Meeresforscher hatte sich mächtig erschreckt.”

    Erschrocken,er hat sich erschrocken. Erschreckt hat ihn der Fisch!