Seit gestern abend bin ich nun auch vollständig mit dem Rosetta-Fieber infiziert.
Morgen, am 12.11.2014, ist es soweit!
“Wir” landen auf dem Kometen!!!
Ein unglaubliches Unternehmen: Eine Ariane-Rakete bringt in Kourou die Raumsonde Rosetta ins All, die dann mehr als 10 Jahre durchs Weltall fliegt.  Sie holt sich Schwung von anderen Planeten und zieht so ihre Bahnen durchs heimische Sonnensystem. Im Halbschlaf, denn Energie sparen ist das oberste Gebot.
Irgendwann klingelt der Wecker.
Und dann erwacht Rosetta – nach einer kleinen Verzögerung – zum Leben!
Nun ist sie am kohleschwarzen Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko angekommen.

Dieser herrliche Animationsfilm fasst noch einmal zusammen, was bisher geschah (Ich LIEBE diesen Film : )):

Die detaillierten Photos des Kometen lösten zunächst ungläubiges Staunen aus.
Und bei einigen Leuten dann schnell sorgenvolle Gesichter.
67P/Churyumov–Gerasimenko besteht aus einem kleineren und einem größeren Klumpen, die über einen “Hals” miteinander verbunden sind.
Der Himmelskörper sieht aus wie ein Quietsche-Entchen – darum heisst er jetzt intern auch “Rubberducky”.
Diese Überschneidungen machen den Himmelskörper zu einem sehr schwierigen Terrain.
Zusätzlich ist die Oberfläche leider wesentlich komplexer als angenommen: Krater, Hänge und häusergroße Felsbrocken machen die Auswahl eines Landeplatzes noch schwieriger. Die Landestelle muss etwa auf die Größe eines Fußballfeldes eingegrenzt werden.
Ihr Name: Agilkia.

Fakten zur Landung auf einem unerforschten, kleinen Himmelskörper

Bis jetzt haben das ESA-Team und alle anderen Beteiligten eine Meisterleistung vorgelegt.
Alles hat perfekt funktioniert.
Morgen wird der kleine Lander Philae allein auf seinen letzten Reiseabschnitt geschickt. Philae wird mit etwa 1 Meter pro Sekunde zum Kometen hinabsteigen, er kann dann nicht mehr gesteuert werden. Der Abstieg wird etwa 7 Stunden dauern, die Übermittlung des Signals zur Erde dauert 30 Minuten.
So klein wie ein Kühlschrank, ist Philae vollgestopft mit Instrumenten. Und auf diesem High-Tech-Kühlschrank ruhen große Erwartungen.

Der Komet besteht aus Gestein, Staub und Eis. Mit der Annäherung an die Sonne geht immer mehr Eis von der festen in die dampfförmige Phase über, es sublimiert. So entstehen “Dampfstrahlen” mit hohem Druck – die Jets. Er hat eine Eigenrotation und ein Magnetfeld. Aber nur eine äußerst geringe Gravitation.
Aufgrund der sehr geringen Anziehungskraft des Kometen besteht die Gefahr, dass Philae nach der Landung zurückprallt.
Bei Bodenkontakt passieren also mehrere Dinge gleichzeitig:
– Philae feuert mit einem kleinen Triebwerk mehrere kurze Stöße nach oben.
– Philae wirft 2  Harpunen in den Boden, die sich etwa in Eis festhaken können.
– Von jedem Landebein bohren sich Schrauben in den Boden.

Diese Animation der ESA zeigt Rosettas Orbit vor, während und nach der Trennung von Philae:

Das Ziel: Bringt Rosetta und Philae zum Kometen!

Die Bodenbeschaffenheit des Kometen ist unbekannt.
Wird der Lander auf Staub, Eis oder Gestein landen?
Eines der Beinchen könnte auf einen Stein prallen, so dass der Lander kippt.
Ein Jet könnte den Lander aus der Bahn werfen.
Der Lander könnte ungleichmäßig im Staub einsinken und kippen.
Undundund…1001 andere Eventualität.

Das Ziel des ESOC-Teams war, den Lander zum Kometen zu bringen und den Kometen zu treffen.
Alle Kommandos sind vorbereitet, überprüft und eingegeben.
Alle technischen Check-ups sind durchgeführt und überprüft.
Die Projektleiter sind überzeugt, dass sie alles getan haben, was zu tun war und alles, was sie hätten tun können (s. Rosetta Media Briefing 10.11.2014, Video s. u.).
Nun heisst es “Daumen drücken”, dass Philae gut landet.
Bereits jetzt ist die Rosetta-Mission ein unglaublich großer Erfolg.
Die vorhandenen Daten und Bilder werden viele Wissenschaftler-Teams viele Jahre lang beschäftigen.
Beim Abstieg wird Philae weitere spektakuläre Bilder aufnehmen und Daten sammeln.

Rosetta Media Briefing 10.11.2014:

Ein Raumfahrt-Beitrag unter dem Schlagwort “Kultur”?

Ja!
Forschung und Technik sind kulturelle Errungenschaften der Menschheit.
Ohne die menschliche Neugierde zum Ausprobieren und Immer-weiter-gehen, den Tatendrang, nachzusehen, was auf der anderen Seite des Waldes oder des Meeres ist, den Wagemut, etwas zu versuchen, das scheitern könnte, gäbe es weder Kunst noch Wissenschaft. Und schon gar keine Raumfahrt.
Beide Berufe basieren auf einer langen Ausbildung und dem Beherrschen des Handwerks.
Auf Leidenschaft für ein ganz besonderes Ziel und Durchhaltevermögen, dieses Ziel auch zu verfolgen und zu erreichen. Um dann auf dieser Basis mit neuen Ideen wieder ein Stück Neuland zu beschreiten.
Sie sind auch eine Inspiration für kommende Generationen, etwas Eigenes, Neuartiges zu erdenken und zu erschaffen.
Sie sind der Motor des Menschseins.

Darum freue ich mich auch, dass ich für den Monat November für ein Hochglanz-Kunstmagazin mit dem Schwerpunkt “Darmstadt” einen Beitrag zum Thema “Wissenschaftsstadt Darmstadt” schreiben durfte. Und der Herausgeber ganz ohne Frage einen Raumfahrtschwerpunkt haben wollte. Natürlich mit großformatigen Bildern von Rosetta und 67P/Churyumov–Gerasimenko.
Raumfahrzeuge haben für mich auch eine skulpturale Anmutung: Der bläulich-silbern schimmernde  Satellit Rosetta schwebt mit seinen schlanken Solarpanels im samtschwarzen Raum. Die strenge geometrische Form ist ein markanter Gegensatz zu dem knolligen, schwärzlichen Kometen mit seiner seltsamen Form.
Ästhetisch und wagemutig gleichermaßen.

Zum Livestream geht es hier:

Auch unbedingt lesenswert:
Emily Lakdawallas Blog der Planetary Society:
https://www.planetary.org/blogs/emily-lakdawalla/2014/11051415-philae-landing-preview.html

Kommentare (8)

  1. #1 CG909
    12. November 2014

    Sicher, dass 67P/Churyumov-Gerasimenko ein Magnetfeld hat? Im verlinkten Text ist nur von einer Magnetfeldmessung des Mars die Rede.

  2. #2 Gerhard
    12. November 2014

    Danke für den Beitrag.
    Zu Deinen Bemerkungen über Wissenscahft und Kultur:
    Ich hatte unlängst Ernst Peter Fischers Buch ” Die Verzauberung der Welt” gelesen, in der er die Wissenschaft unbedingt als kulturelles Phänomen ansieht und sehr dafür plädiert, mit “richtigen” Erklärungen diese Welt der Wissenschaft näher zu bringen. Er rückt überzeugend die Zeit der großen Entdeckungen der Wissenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts an die Bereiche Poesie und Kunst heran.

    Ich bin auch gespannt, wie das mit der Landung vorangeht.

  3. […] auf einer Seite und weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [23:55 […]

  4. #4 Arnd
    12. November 2014

    Hier ist ein kleiner Begleitfilm zu Rosetta, Science Fiction wo die Akteure zurückblicken auf die Rosetta-Mission. Gut gemacht finde ich.

  5. #5 Bettina Wurche
    12. November 2014

    Ja. Absolut sicher.
    Ist auch auf der Presseveranstaltung heute mehrfach genannt worden.

  6. #6 Bettina Wurche
    12. November 2014

    Danke. es gibt ungaublich viele Infos dazu, ich habe nur einige ganz wenige genannt.
    Meine ganz persönlichen Lieblingsstellen.
    Wir sind eben gerade erst von diesem Whnsinnstag nach Hause gekommen und ich habe eine Überfülle von Informationen und viele spannende Gespräche bekommen. Uns allen schwirrt der Kopf : )

  7. […] meertext: “Das Rosetta-Fieber geht um” […]

  8. […] Schließlich gab es einen geeigneten Landeplatz, etwa von der Größe eines Fußballfeldes. Dieser letzte Reiseabschnitts von Rosetta und Philae war absolut dramatisch. Glücklicherweise ging ja dann alles gut – Philae landete nicht einmal, sondern gleich […]